Es gibt also große Exportchancen. Wir können aber auch von Indien lernen. So haben Ausschussreisen gezeigt, dass es dort ein expansives Bildungsprogramm gibt.
Trotz aller Chancen ist unternehmerisches Engagement in Indien nicht problemlos. Indien ist ein Land der Gegensätze. Dort sind sämtliche Weltreligionen vertreten. 80 % der Bevölkerung sind hinduistisch, das heißt geprägt vom Kastensys tem. Das bedeutet, Indien ist für uns und für Unternehmer eine fremde Welt, in der das Individuum wenig zählt und dagegen Kühe nach wie vor heilig sind. In Indien gibt es einerseits aufstrebende Städte und Metropolen, andererseits aber auch unterentwickelte ländliche Räume. Es gibt dort einerseits eine wachsende Mittelschicht, andererseits aber immer noch bit
terste Armut. Es gibt dort einen steigenden Anteil gut ausgebildeter Menschen, aber nach wie vor einen hohen Anteil an Analphabeten. Ich erwähne das nur, um das Spannungsfeld aufzuzeigen.
Vor diesem Hintergrund bietet Indien für baden-württembergische Unternehmer durchaus Chancen. Es ist aber auch eine große Herausforderung.
Lassen Sie mich zum Schluss ein kurzes Zitat von einem Harvard-Dozenten, einem Experten für Wettbewerbsfähigkeit, bringen, in dem es um die Frage „Indien oder China?“ geht. Dazu sagt er:
Wirtschaftswachstum und Marktwachstum sind natürlich wichtig für ein Unternehmen. Doch die haben keinen direkten Einfluss auf die Produktivität. Die kommt aus der eigenen Stärke und im guten Zusammenspiel mit anderen Unternehmen einer Branche oder in einer Region.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Indien ist mit fast 1,2 Milliarden Einwohnern nicht nur die größte demokratisch verfasste Nation, sondern auch die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde. Indien war und ist ein Land der Gegensätze. Wer Indien besucht hat, wird die Faszination der jahrtausendealten, überwältigenden kulturellen Vielfalt nicht vergessen. Wer Indien besucht hat, wird aber auch nie die Armut und das Elend vieler Menschen vergessen.
Die Gegensätze sind allgegenwärtig. Auf der Autobahn Delhi–Kalkutta fahren Eselkarren entgegen der Fahrtrichtung. Gleichzeitig ersticken die Städte im Smog einer beispiellosen Motorisierungswelle.
Auf Mittelstreifen von Autobahnen haben Menschen ihre dürftigen Hütten errichtet. Dieselben Straßen führen vorbei an Palästen von sagenhaftem Reichtum. Indien ist Hochtechnologie- und Entwicklungsland zugleich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines steht jedenfalls unbestritten fest: Indien besitzt ungeheures Potenzial. Baden-Würt temberg ist deshalb gut beraten, die Beziehungen zu Indien zu intensivieren und auszubauen. Dies gilt umso mehr, als sich Indien in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise sehr gut behauptet hat. Der Elefant – so wird Indien im Vergleich zum chinesischen Drachen und zu den asiatischen Tigern häufig genannt – wächst wirtschaftlich vielleicht nicht ganz so rasant wie seine Nachbarn, aber Indien wächst stetig auf hohem Niveau. Die reale Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts liegt bei jährlich 7,3 % und trotz Krise in diesem Jahr voraussichtlich bei 4,5 %.
Heute gehen lediglich 0,8 % des Exports aus Baden-Würt temberg nach Indien, wie aus der Antwort auf die vorliegende Großen Anfrage hervorgeht. Das ist schon das Ergebnis einer beachtlichen Steigerung in den vergangenen Jahren. Unser Ziel muss es sein, diesen Anteil nachhaltig und rasch zu steigern. Je mehr sich gerade unsere mittelständischen Unternehmen aus China wegen der Unsicherheiten insbesondere bei der Sicherung des geistigen Eigentums zurückziehen, umso mehr sollten wir unser Augenmerk auch in der Wirtschaftsförderung auf den mit 1,2 Milliarden Menschen zweitgrößten Markt der Welt richten.
Deshalb sind die zahlreichen Angebote und Veranstaltungen von Baden-Württemberg International unter Federführung des Wirtschaftsministeriums so wichtig. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft ausmachen, verdienen unsere Unterstützung. Wir danken dem Wirtschaftsministerium und Staatssekretär Drautz und seinen Leuten für die geleistete Arbeit und bitten darum, die Anstrengungen noch zu intensivieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu unserer Bevölkerung ist die indische Gesellschaft sehr jung. Die Menschen wissen den Wert von Bildung zu schätzen, und das Bildungssystem ist leistungsfähig. In den nächsten Jahren werden zwischen 75 Millionen und 110 Millionen gut ausgebildete Inder auf den Arbeitsmarkt drängen. Angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land bieten Fachkräfte aus Ländern wie Indien die Chance, unsere Zukunft und unsere Altersversorgung zu sichern. Deshalb haben alle Fraktionen im Nachgang zur Reise des Wissenschaftsausschusses nach Indien in einem gemeinsamen Antrag Erleichterungen bei der Einwanderung von Fachkräften gefordert.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und das Wirtschaftsministerium befürworten eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften. Es wäre schön, wenn sich das Innenministerium dem zeitnah anschließen könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade der Austausch und die Kooperation der Universitäten und Hochschulen – Kollegin Schütz hat es bereits ausführlich angesprochen – sowie der forschenden und forschungsnahen Institutionen sind ganz wichtig. In den vergangenen Jahren ist eine Menge gewachsen und geschaffen worden, wie die Antwort auf die Große Anfrage zeigt. Die Reisen des Wissenschaftsausschusses und der CDU-Delegation haben wichtige Projekte angeschoben oder wiederbelebt. Die indischen Universitäten und Forschungsinstitute sind wichtige Partner; denn gerade der Austausch auf der menschlichen Ebene ist in Indien besonders wichtig, spielen dort doch Vertrauen und Verlässlichkeit in den Kontakten eine ganz zentrale Rolle.
Deshalb muss es uns nachdenklich stimmen, wenn das Interesse indischer Studierender an einem Studien- und For
schungsaufenthalt in Deutschland immer noch gering ist. Natürlich gibt es eine Sprachbarriere. Wir sollten aber alles dafür tun, um mehr indische Studenten dazu zu bewegen, bei uns zu studieren und dann vielleicht als Fachkräfte bei uns zu bleiben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Große Anfrage der Fraktion der CDU befasst sich mit Fragen zur sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Entwicklung Indiens und den Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen baden-württembergischen und indischen Unternehmen. Ich selbst hatte im Jahr 2007 die Möglichkeit, mir in Delhi einen Eindruck von der Dynamik des indischen Marktes zu verschaffen.
Es handelte sich dabei um die Mission der „Vier Motoren für Europa“ zur Förderung der Umweltpolitik in Indien.
Für alle in der Delegation war ersichtlich, wie schnell sich dieser Markt entwickelt und vor allem wie groß dort das Interesse an Technologie aus unserem Land ist.
Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Anfrage liegt bereits mehr als ein Jahr zurück. Deshalb will ich im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung noch ein paar Ergänzungen machen.
Auch Indien konnte sich in den vergangenen Monaten nicht von der allgemeinen Konjunkturentwicklung abkoppeln.
Dennoch weist Indien trotz Konjunkturkrise unter den großen asiatischen Wirtschaftsräumen die vermutlich zweithöchste Dynamik auf. Bekanntlich wuchs die Wirtschaft seit dem Jahr 2003 bis vor Beginn der jetzigen Konjunkturkrise um jahresdurchschnittlich 8 %.
Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union der größte Handelspartner Indiens, wovon gerade auch Baden-Würt temberg profitiert. Während aus Baden-Württemberg 1991 noch Waren im Wert von 143 Millionen € nach Indien exportiert wurden, waren es im Jahr 2000 Waren im Wert von 333 Millionen € und im Jahr 2007 bereits Waren im Wert von 1,37 Milliarden €. Insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 hat die Ausfuhr der baden-württembergischen Wirtschaft um 70 % zugenommen, von 2007 auf 2008 um über 20 %. Allein zwischen 2000 und 2008 hat sich damit das Exportvolumen vervierfacht.