(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Heuschre- cken sehen nicht wie Menschen aus! – Gegenruf von der CDU: Die Grünen sollten da aber vorsich- tig sein!)
der nach einer Familienpause versucht hat, sich über dieses Objekt eine Existenz aufzubauen. Mittlerweile ist das Ganze auch in der Lokalpresse dokumentiert. Er hat von Fällen berichtet, in denen Verwahrlosung vorgekommen ist, von Fällen, in denen er bedroht wurde, auch von Fällen, in denen Energierechnungen der örtlichen Stadtwerke nicht bezahlt worden sind, sodass sie nach zwei Jahren schließlich bei ihm eingegangen sind. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass dem guten Mann mittlerweile die Lust vergangen ist, ein solches Mietobjekt zu betreiben.
Solche Fälle gibt es mehrfach. Wenn solchen Leuten die Lust vergeht und sie ihre Tätigkeit auf dem Wohnungsmarkt einstellen, dann ist niemandem genutzt, dem Betreffenden nicht, der Wohnungswirtschaft nicht und auch nicht denjenigen Menschen, die bezahlbaren Wohnraum suchen. Insofern ist es durchaus ein soziales Anliegen, sich zu überlegen, wie wir die Rechtslage so gestalten können, dass bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass die Rahmenbedingungen verändert werden müssen. Die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen des Mietrechts sind nämlich als Anreiz für potenzielle Investoren im Wohnungsbau und für Wohnungseigentümer zur Vermietung bedeutsam. Je geringer aufgrund der angespannten Situation der öffentlichen Haushalte die steuerlichen und sonstigen Anreize ausfallen, desto schwieriger wird die Situation am Wohnungsmarkt.
Die wohnungswirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für den Bau und den Erhalt von Mietwohnungen haben sich nämlich mit den Jahren zusehends verschlechtert. Die Wohnungswirtschaft beklagt, dass im Verkaufsgeschäft der Investor nahezu vollständig weggebrochen ist und erste Anzeichen für Wohnungsengpässe unübersehbar sind. Modernisierungen und Instandsetzungen nehmen ab. Teilweise werden Wohnungen ganz vom Wohnungsmarkt genommen, weil die Eigentümer sogar auf die Mieteinnahmen verzichten, um Problemen aufgrund des restriktiven Mietrechts zu entgehen. Bundesweit haben wir einen Wohnungsleerstand von 10 %.
Am 29. März 2001 hat der Bundestag mit seiner rot-grünen Mehrheit das Mietrecht einseitig zulasten der Vermieter geändert. Diese Maßnahme hat nicht etwa zu einer Entspannung der Situation auf dem Wohnungsmarkt geführt, sondern im Gegenteil im Endeffekt Vermieter wie Wohnungssuchende gleichermaßen belastet,
zumal diese rot-grüne Initiative mit einer Reihe von Verschlechterungen der steuerlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Wohnungsbaus einherging. Gleichzeitig wurden die Mittel für die Wohnraumförderung auf insgesamt 300 Millionen € angehoben. Man hoffte, durch staatlichen Dirigismus und Beschneidung der Eigentumsrechte die Wohnungsmisere beheben zu können. Schritt für Schritt wurde der Wohnungsbau für Investoren so unattraktiv gemacht, dass wir heute in diesem Bereich einen gigantischen Investitionsstau vor uns herschieben. Allein in Baden-Württemberg sind 800 000 Mietwohnungen renovierungsbedürftig. Hinzu kommen steigende kommunale Abgaben und ein Immobilienmarkt, der am Boden liegt.
Letztendlich haben sich die Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft und für den privaten Vermieter kontinuierlich verschlechtert, mit allen negativen Auswirkungen für Mieter und Wohnungssuchende.
Aus diesem Grund müssen wir den Investitionsstau auflösen, indem wir das Verhältnis von Mieter- und Vermieterinteressen neu justieren.
Es besteht also Einigkeit in der Diagnose: Insbesondere in den Ballungsräumen tun sich Mieter schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Uneinig sind wir aber in der Frage, wie man darauf reagieren muss. Sollen wir tatsächlich mit den Mitteln des Mietrechts das Vermieterdasein weiterhin so unattraktiv gestalten, wie es die Opposition in diesem Hause will?
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Blödsinn! Bleiben Sie doch bei den Tatsachen und ideologi- sieren nicht so herum! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
Oder ist es der bessere Weg, Anreize zu schaffen, damit wieder neuer Wohnraum entsteht und sich der Vermieter im Zweifel dafür entscheidet, seine Wohnung zu vermieten, anstatt sie leer stehen zu lassen? Die Verbesserung der Rechte der Vermieter ist insofern ökonomisch sinnvoll und auch sozial im Sinne der Wohnungssuchenden.
Die drei vorgegebenen Maßnahmen der Bundesratsinitiative wird mein Kollege Dr. Wetzel in der zweiten Runde erläutern.
So aktuell, wie der Name der Debatte es vermuten lässt, ist unser Bestreben übrigens nicht. Bereits im Jahr 2004 hatte das FDP-geführte Justizministerium einen Anlauf unternommen, das Mietrecht zeitgemäß umzugestalten. Die damals real existierende rot-grüne Bundesregierung ließ allerdings eine Reform hin zu einem modernen und einfachen Mietrecht so unwahrscheinlich erscheinen,
dass das Staatsministerium diese Bundesratsinitiative, die ja die Interessen von Mietern und Vermietern gleichermaßen verfolgte, nicht weiter vorangetrieben hat.
Nachdem nun die Grünen in der Bundesregierung nicht mehr vertreten und auch an keiner Landesregierung in Deutschland mehr beteiligt sind, hoffen wir, auch in diesem Bereich zur Vernunftpolitik zurückkehren zu können. Wir drücken hierfür die Daumen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt durch die Rechtsordnung in vielen Teilen unserer Gesellschaft sozialen Schutz. Es gibt den sozialen Mieterschutz, es gibt im Arbeitsrecht natürlich den sozialen Kündigungsschutz, es gibt den Schutz der Behinderten. Ich möchte einmal ganz klar sagen: Wir alle bekennen uns zu diesem sozialen Schutz, und die Landesregierung tut dies selbstverständlich auch.
Es gibt aber eine weitere Erkenntnis: Irgendwo ist dann jedoch eine Grenze, von der ab Vernunft Unsinn und Wohltat Plage wird. Das ist ein Punkt, an dem der Schutz in sein Gegenteil umschlägt, indem es weniger Wohnungen und weniger Arbeitsplätze gibt, wodurch die Betroffenen im Grunde dann die Gebissenen sind.
Mir ist aufgefallen, dass die Redner der Opposition schon ziemlich in die unteren Schubladen der Sprache langen mussten. Sie haben kräftig hingelangt, Herr Schmiedel.
Ich möchte jetzt nicht Ihr Vokabular aufnehmen, aber eines möchte ich schon sagen: Wer diesen Umschlagpunkt gar nicht erkennt, der ist dumm.
(Lachen der Abg. Christine Rudolf SPD – Heiter- keit – Unruhe – Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP und der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jetzt klatschen die auch noch! Frau Merkel sagt das doch, und ihr klatscht! Sag mal! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war Kritik an Frau Merkel!)
Wir müssen Acht geben: Wenn man das den Betroffenen dann noch als besonders sozial verkaufen will, dann kann das auch den Tatbestand der Scheinheiligkeit erfüllen,
(Abg. Claus Schmiedel SPD hält einen Zeitungsar- tikel hoch. – Abg. Claus Schmiedel SPD: Frau Merkel!)
weil manchen längst klar ist, dass das nicht zu einem weiteren Schutz, sondern zu Nachteilen führt. Vieles von dem hat vorhin Kollege Mack sehr deutlich angesprochen.
Die Verschiebung des Mietrechts im Jahr 2001 um ein Stück zulasten der Vermieter war nicht sinnvoll. Sie hatte schädliche Folgen.
Sie hat einen Zustand verschärft, der heute dadurch gekennzeichnet ist, dass uns 2005 in Baden-Württemberg 145 000 Wohnungen fehlen. 2015 werden es hochgerechnet 580 000 sein, das ist noch innerhalb der nächsten Legislaturperiode.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Das kann man doch nicht aufs Mietrecht schieben! Es gibt ganz andere Gründe dafür, dass Wohnungen fehlen!)
In jeder Analyse, die man findet, wird das Mietrecht mit als Grund angeführt, wie ich glaube, aus guten Gründen, wie wir gleich an den Beispielen sehen werden.
Ich habe vorhin darüber nachgedacht, was Sie eigentlich anstreben. Ich denke manchmal, Sie wollen staatlichen Wohnungsbau, aber mit privatem Geld. Sie wollen einen Wohnungsbau, bei dem eigentlich der Staat bestimmt, aber das Geld sollen Private bringen. Das kann aber nicht funktionieren. Da gibt es einen Bruch. Wenn Sie wollen, dass mit
privatem Geld Wohnungen gebaut werden, müssen Sie denen, die das Geld aufbringen, ein bestimmtes Maß an Rechten und an Gestaltungsmöglichkeiten lassen, sonst investieren sie ihr Geld nicht. Das ist eine einfache Tatsache.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So einfach ist das!)