Protocol of the Session on May 14, 2009

Denn die „Partei der Finanzhaie“ hat damals im Reutlinger Gemeinderat verhindert, dass wir unsere Angelegenheiten in dieses amerikanische Steuerschlupflochsystem übertragen haben.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Dank Ihrer wasser- rechtlichen Kompetenz! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Stimmt das?)

Dank also für die sozialdemokratische Empfehlung, FDP zu wählen.

Wir wollen die kommunale Selbstverwaltung ganz. Auch das will ich noch einmal betonen: Wir wollen sie ganz, nicht halb, nicht zu einem Viertel. Deshalb lehnen wir das SPD-Ansinnen ab, kommunalen Zweckverbänden die Zusammenarbeit mit Dritten zu verbieten. Ob ein Zweckverband die Beteiligung Privater will, das haben allein die den Zweckverband tragenden Gemeinden zu entscheiden und sonst niemand.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jawohl! – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP: Subsidiarität!)

Das geht weder das Parlament noch die Regierung etwas an. Wir brauchen dazu auch keine Vorschriften für externe Sachverständige. Da hat bei Ihnen wohl Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, Pate gestanden: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wir vertrauen den Kommunen, dass sie für ihre Bürgerinnen und Bürger das Richtige tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Günther- Martin Pauli CDU)

Ich will zu dem, was der Kollege Sckerl hier über die Europäische Kommission und das Europäische Parlament gemutmaßt hat, noch einmal sagen:

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Kommission, bit- te! Nicht das Parlament!)

Die Aufgabe der Wasserversorgung kann nach wie vor – das ist klar – auch als sogenannte Inhouse-Lösung von einer Gemeinde selbst erfüllt werden. Die Protokollnotiz im Vertrag von Lissabon zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse schreibt die Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltungshoheit durch die EU ausdrücklich fest. Die dazu von der EU-Kommission – die haben Sie ja auch im Visier – ergangene Mitteilung unterstreicht dies, indem sie die interkommunale Zusammenarbeit nicht den Regelungen für die Vergabe unterwirft.

Der Kollege Theurer hat sich hier mit seinem Antrag Drucksache 14/665 – den haben Sie sicher aufmerksam gelesen – sehr verdient gemacht.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Aber nicht aus- wendig gelernt!)

Sie können sicher sein, meine Damen und Herren, dass sich die FDP/DVP insgesamt weiterhin um die kommunale Selbstverwaltung verdient machen wird.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das hat sie schon bisher nicht gemacht!)

Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, das freie Entscheidungsrecht: Das sind Grundpfeiler unserer Politik in Europa, im Bund, im Land, in den Regionen, Kreisen, Städten und Gemeinden. Jeder hat die Möglichkeit, das am 7. Juni zu unterstreichen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Ministerin Gönner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wasserversorgung war aufgrund der Vorgänge – das kam jetzt in der Diskussion auch schon zum Tragen – um Cross-Border-Leasing in den letzten Monaten Gegenstand intensiver öffentlicher Diskussionen. In diesen unsicheren Zeiten hat sich gezeigt, dass eine Politik der nachhaltigen Wasserversorgung langfristig orientiert sein und auf sichere Fundamente gebaut werden muss. So ist die Politik des Landes zum Nutzen unserer Bürgerinnen und Bürger seit Jahrzehnten angelegt –

(Abg. Werner Raab CDU: Genau!)

genau so, wie wir uns dies auch wünschen. Wir setzen hierbei insbesondere auf die Kommunen und die kommunale Daseinsvorsorge sowie die Schaffung wirtschaftlicher Strukturen.

Bereits im Jahr 1999 haben wir mit Experten und Interessenvertretern das Leitbild „Zukunftsfähige Trinkwasserversorgung Baden-Württemberg“ entwickelt. Nach diesem Leitbild sollen die Kommunen in Baden-Württemberg die Verantwor

tung für die sichere Trinkwasserversorgung der Bevölkerung als wesentlichen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge behalten. Eine Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmen ist natürlich möglich, solange jedoch die Letztentscheidungsverantwortung bei der Kommune verbleibt.

Sehr geehrter Herr Hofelich, Sie sagten, wir sollten das Leitbild fortschreiben. Ich halte es nicht für notwendig, dieses Leitbild fortzuschreiben. Warum nicht?

(Abg. Werner Raab CDU: Weil es gut ist!)

Danke. Das war wunderbar. Ich wollte es gar nicht sagen, aber ich freue mich immer, wenn ich das aus dem Parlament heraus auch noch bestätigt bekomme. Ich nehme also erstens auf, was der Kollege Raab sagt: Das Leitbild ist gut.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Bestätigen Sie das, Kollege Raab? – Gegenruf des Abg. Werner Raab CDU: Ja!)

Zweitens: Das Leitbild stellt die Hoheit der Kommunen sicher. Damit sichert es drittens gerade die Daseinsvorsorge in der entsprechenden Notwendigkeit.

Bei diesem Punkt gibt es eine Übereinstimmung mit Herrn Kluck: Wir haben großes Vertrauen in die Kommunen, dass sie das Richtige entscheiden. Wichtig ist, dass wir die Grundlage legen – hoheitlich, Daseinsvorsorge –, aber wie sich die Kommunen in diesem Rahmen entscheiden, soll ihnen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung überlassen werden. Da werbe ich dafür, nicht zu versuchen, dies den Kommunen über Leitbilder vorzugeben, sondern es in dem notwendigen und festen Rahmen entsprechend zu machen. Dieser Ansatz hat sich bis heute bestens bewährt und wird uns auch künftig eine sichere Wasserversorgung garantieren. Dies wiederum ist notwendig für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

Ich unterstütze diesen Ansatz, weil sichergestellt werden muss, dass die Aufgabenerledigung vorrangig am Gemeinwohl orientiert bleibt. Allein mit freier wirtschaftlicher Betätigung unter dem Aspekt der Gewinnerzielung können langfristige Struk turen bei der Wasserversorgung nicht gewährleistet werden. Sie können dies deswegen nicht, weil es dort um eine hohe Qualität geht, weil es um eine Versorgung in alle kleinen Flächen des Landes hinein geht – bis hinein in das kleinste Dorf; auch das muss sichergestellt sein – und weil es notwendig ist, dass es für alle einen Zugang gibt. Gerade dies sind die Voraussetzungen für die Sicherheit der Wasserversorgung in Baden-Württemberg.

Die Wasserversorgung in Baden-Württemberg wird vor allem durch den dreistufigen Verbund von Gemeinden, Gruppen- und Fernwasserversorgungen gewährleistet. Mehr als 1 000 Gemeindewasserversorgungen decken ca. 50 % des Gesamtbedarfs der öffentlichen Trinkwasserversorgung in BadenWürttemberg aus dezentralen, ortsnahen Wasservorkommen. Etwa 200 Gruppenwasserversorgungen – Zweckverbände, die zusammenarbeiten – liefern ca. 20 % aus überwiegend dezentralen Vorkommen, die zusammengeführt werden. Die vier Fernwasserversorgungen liefern 30 % des Bedarfs, vorwiegend aus dem Bodensee – insbesondere in der Landeshauptstadt weiß man dies auch zu schätzen –

(Abg. Werner Raab CDU: Ja!)

und aus der Donau und dem Donauried – ebenfalls hier in der Landeshauptstadt – sowie aus der Trinkwassertalsperre Kleine Kinzig.

Insgesamt werden in Baden-Württemberg über 2 600 Wassergewinnungsanlagen mit der entsprechenden Zahl von Wasserschutzgebieten betrieben. Auch da sieht man, wie notwendig das Zusammenwirken vor dem Hintergrund ist, dass unsere Grundwasservorkommen auch über Wasserschutzgebiete entsprechend geschützt werden.

Die Wassergewinnung aus ortsnahen Grundwasservorkommen bildet damit das Rückgrat der Trinkwasserversorgung. Für die großen Leistungen, die die Kommunen und kommunalen Verbände für die Trinkwasserversorgung des Landes erbringen, darf ich mich für die Landesregierung – sicher auch im Namen von Ihnen – herzlich bei den Kommunen bedanken, weil sie damit zeigen, wie wichtig ihre Aufgabe gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ist.

Aber wir bleiben nicht stehen. Das ist auch wichtig. Wir haben bereits im Jahr 2000 mit den Kommunen Strategien und Handlungsempfehlungen für eine strukturelle Optimierung der Trinkwasserversorgung entwickelt. Ziel ist dabei, die Struk turen der Trinkwasserversorgung in Baden-Württemberg so zu verbessern, dass die Wasserversorgungsunternehmen ihren Auftrag auch in Zukunft wirtschaftlich erfüllen können.

Dazu müssen die kommunalen Kräfte gebündelt werden. Wesentliche Optimierungspotenziale liegen in der Verbesserung der Zusammenarbeit mittlerer und kleiner Wasserversorgungsunternehmen. Die Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden bei der Wasserversorgung ermöglicht eine wirtschaftlichere Nutzung der Anlagen und einen effizienteren Einsatz des Personals.

Es gibt auch die Möglichkeit, regionale Lösungskonzepte im Sinne einer dezentralen Grundwasserversorgung zu nutzen, zugleich aber auch einen zweiten Bereich, einen zweiten Strang zu haben, um die Versorgung sicherzustellen, falls die Grundwasserversorgung – aus welchen Gründen auch immer – einmal ausfallen sollte. Die gemeinsame Nutzung von Wasserversorgungsanlagen ermöglicht auch die Entwicklung solcher regionaler Lösungskonzepte, bei denen es um eine Zusammenfassung und damit um einen wirtschaftlicheren Betrieb geht. Dies wiederum liegt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, bei denen die Gebühren dann nicht so hoch sind oder auch sinken können.

Zur Unterstützung dieses Prozesses, die Strukturveränderungen anzugehen, fördern wir bereits seit dem Jahr 2005 prioritär Strukturgutachten zu dieser interkommunalen Zusammenarbeit, und zwar unabhängig von der Gebührenhöhe in den Kommunen. Dies war uns wichtig, sodass wir gesagt haben, dass wir es nicht an einer bestimmten Höhe der Gebühren festmachen. Uns ist es wichtig, zu zeigen: Wer sich für die Zukunft aufstellen will, der muss darauf achten, dass hier auch Zusammenarbeit stattfindet.

Dabei haben wir ganz bewusst auf freiwillige Initiativen der Kommunen gesetzt. Inzwischen haben schon viele Kommunen und Zweckverbände von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Im vergangenen Jahr haben wir eine große strukturelle Zusammenführung in Betrieb genommen. Es gibt Pla

nungen dafür, jetzt erneut mehrere Bereiche zusammenzufassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht jeder vermeintlich progressive Ansatz führt zum Ziel. Das will ich auch deutlich sagen. Die Kommunen sind bei der Organisation und der Durchführung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge frei und entscheiden eigenverantwortlich. Entscheidet sich aber eine Kommune für die Beteiligung eines privaten Dritten an der Wasserversorgung, so ist nach den Mitteilungen zur Institutionalisierung öffentlicher und privater Partnerschaften sowohl die Beteiligung als auch die Aufgabe selbst ausschreibungspflichtig.

Die Initiative der Bundesregierung, die Beteiligung Dritter bis zu einem Anteil von 20 % ausschreibungsfrei zu stellen, wurde von der EU-Kommission nicht aufgegriffen, was wir sehr bedauern, weil es aus unserer Sicht ein hilfreicher Weg gewesen wäre. Damit bleibt es dabei, dass nur die interkommunale Zusammenarbeit zwischen Kommunen ohne Beteiligung eines privaten Dritten nicht ausschreibungspflichtig ist. Das spricht für die Zusammenarbeit der kommunalen Wasserversorgungsunternehmen in einem Zweckverband.

Damit bestätigt sich noch einmal, dass der Schritt mit den Strukturüberlegungen, den wir im Jahr 2000 gemacht haben, der richtige war. Trotz aller Liberalisierungsbestrebungen stellen wir fest – die Beispiele wurden von Herrn Sckerl ja auch genannt –, dass die Kommunen im In- und Ausland die Wasserversorgung nach Abwägung des Für und Wider zunehmend in ihren eigenen Händen halten wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde die Frage gestellt: Was macht die Landesregierung in Brüssel? Sie können davon ausgehen, und das kann man auch nachlesen, dass das Umweltministerium und auch die Umweltministerin regelmäßig zu Gesprächen in Brüssel sind und das Thema der Daseinsvorsorge und der Ausgestaltung der Daseinsvorsorge dort eine wichtige Rolle spielt. U. a. habe ich in Brüssel das Leitbild der deutschen Wasserwirtschaft, das sich genau an den Überlegungen des Landes orientiert, in Anwesenheit von Kommissions-, aber auch von Parlamentsvertretern vorgestellt, weil es uns wichtig ist, dort für die Besonderheiten eines Flächenlandes wie Baden-Württemberg zu werben und deutlich zu machen, was das Thema Daseinsvorsorge mit sich bringt,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das wäre aber auch Aufgabe des Wirtschaftsministers! – Gegenruf des Abg. Stephan Braun SPD: Haben wir einen?)

und auch deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass man den Kommunen dann aber auch entsprechende Möglichkeiten gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema Wasserversorgung und auch die Förderung der Wasserversorgung ressortieren im Umweltministerium.

(Abg. Werner Raab CDU: Und das ist gut so!)

Nachdem jedes Ministerium zunächst einmal seine eigenen Aufgaben löst und diese eigenständig angeht und nachdem das Thema der Daseinsvorsorge, glaube ich, in diesem Haus zumindest bei einem Großteil uneingeschränkte Unterstützung

findet und ich als Vertreterin des ländlichen Raums auch immer mit voller Überzeugung zu diesem Thema stehe und auch draußen unterwegs bin, gewinne ich den Eindruck, dass die Landesregierung sich weiterhin für die Daseinsvorsorge einsetzen wird und dies auch in Brüssel, zumindest in den Bereichen, in denen ich unterwegs bin, tun wird.

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, dass wir in Baden-Württemberg auch weiterhin auf dem richtigen Weg hin zu einer kommunal getragenen, ressourcenschonenden und nachhaltigen Wasserversorgung sind. Wir werden dabei auch weiterhin auf unsere Partner bei den Kommunen setzen, aber eben auch mit der Freiheit, die sie brauchen, und nicht unter Vorgaben.