Ich glaube, darüber sind wir uns, Herr Schmiedel, auch einig. Es geht ja nicht nur um das Erlernen eines Instruments oder um die musikalische Bildung,
sondern es geht einfach darum, dass musikalische Bildung auch viele andere Kompetenzen beinhaltet. Das Erlernen von Sozialkompetenz, die Stärkung der Konzentrationsfähigkeit, die Förderung der Intelligenz – all dies ist richtig. Damit können wir auf die musikalische Bildung nicht verzichten. Ich sage gerade in diesen Tagen mit Nachdruck: Musikalische Bildung, musikalisches Engagement stärkt auch den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und ist damit auch ein wichtiges Instrument der Gewaltprävention. Jeder, der sich in einer sozialen Gemeinschaft musikalisch engagiert, engagiert sich sinnvoll für die Gemeinschaft in unserem Gemeinwesen.
Nun, meine Damen und Herren, konkret zu „JeKi“. Vieles ist darüber geschrieben worden, viel ist darüber gesprochen worden. Ich gebe zu, dass dieses Programm auf den ersten Blick ausgesprochen viel Charme hat. Ich gebe zu, dass es auch nicht von der Hand zu weisen ist, wenn ein Bundesland und andere Finanziers Geld in die Hand nehmen, um damit den Kindern an den allgemeinbildenden Schulen einen Zugang zur Musik zu ermöglichen. Das ist völlig in Ordnung und begrüßenswert. Um ein ausgereiftes Konzept auf den Tisch zu legen, muss man in dem Zusammenhang allerdings auch Fragen stellen dürfen.
Zunächst einmal erleben wir in Nordrhein-Westfalen – das haben die Antragsteller in ihren Beiträgen nicht betont –, dass es sich dort um ein Finanzierungsvolumen handelt, das zeitlich befristet ist, nämlich von 2007 bis 2010. Insgesamt werden in Nordrhein-Westfalen 50 Millionen € etatisiert. Diese 50 Millionen € setzen sich auch aus Mitteln, die seitens des Bundes beigesteuert werden, zusammen. Der originäre Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen ist eher geringer: Er beträgt lediglich 15,4 Millionen €. Daneben gibt es noch einen kommunalen Anteil sowie Beiträge von dritter Seite, von Sponsoren, und letztlich gibt es auch Teilnahmegebühren.
Da muss ich sagen, meine Damen und Herren: Wenn man mit einem solchen Instrumentalunterricht beginnen möchte, dann muss man wissen – das muss man vor dem Hintergrund dieses Problems betrachten –, dass die Umsetzung dieses Programms, Frau Kollegin Rastätter, in Nordrhein-Westfalen außerordentlich schwierig ist. Denn es gibt dort einen akuten Mangel an Musiklehrern an den allgemeinbildenden Schulen, und es gibt einen akuten Mangel an Musiklehrern, die dort seitens der Musikschulen als Kooperationspartner zur Verfügung stehen. Damit stellt sich auch der Unterschied zwischen dem Musikland Baden-Württemberg und dem Bundesland NordrheinWestfalen sehr deutlich dar. Denn wir haben in ausreichendem Maße Fachlehrer an unseren allgemeinbildenden Schulen; wir haben in großem Umfang Musiklehrer, die für unsere Musikschulen und an unseren Musikschulen unterrichten,
Jetzt kommt die zweite Frage, Herr Kollege Schmiedel: Es ist interessant, dass Sie als SPD plötzlich Ihre Liebe zur Musik entdecken.
(Lachen bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir haben schon die Internationale gesungen, da la- gen Sie noch in den Windeln!)
Vor wenigen Monaten noch haben Sie in diesem Haus überhaupt kein Interesse an diesem Politikfeld artikuliert; das muss ich, da Sie sich bei dieser Frage so ereifern, in diesem Zusammenhang zum Ausdruck bringen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist bei uns egal! Wir in Baden-Württemberg sind reicher! Wir sind das Geldland!)
Die Eltern müssen sehr wohl zwischen 20 und 40 € monatlich bezahlen. Darüber hinaus ist eine Nachhaltigkeit nicht gewährleistet, weil nicht klar ist, wie es denn dann weitergeht, wenn sich die Kinder an ein Instrument gewöhnt haben, wenn sie in Jahrgangsstufe 4 einen Bezug zu einem Instrument hergestellt haben und wenn am Ende dann nicht nur die kommunale Seite und die Sponsorenseite, sondern auch die Landesseite sagt: Das Geld steht einfach nicht mehr zur Verfügung.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist wie bei den Pro- jekten der Landesstiftung! Die sind auch zeitlich be- fristet! – Gegenruf des Abg. Peter Hofelich SPD: Stimmt! Das war ein rutschiges Parkett! – Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD)
nein, Frau Kollegin Rastätter –, dann muss man im Grunde auch die Frage beantworten, wie nachhaltig man die Kinder fördert. Man kann den Kindern nicht einen Anstoß geben, wenn man am Ende nicht auch für die Folgefinanzierung geradesteht. Man muss für die fachliche Qualifikation geradestehen können.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie schildern Probleme, aber wir wollen Lösungen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie brauchen uns nicht die Probleme zu schil- dern!)
Man braucht hierfür das entsprechende Personal. Damit, meine Damen und Herren, komme ich zum letzten, entscheidenden Punkt: Machen Sie einen seriösen Finanzierungsvorschlag.
Denn für Baden-Württemberg wäre ein Betrag von 50 Mil lionen € niemals ausreichend, um dieses Konzept flächendeckend umzusetzen.
(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Helen Heberer: Bil- dung kostet Geld, keine Bildung kostet mehr Geld! – Glocke des Präsidenten)
Herr Staatssekretär Wacker, wie beurteilen Sie denn die Situation, dass wir im Augenblick schon sehr viel über Kooperationen erreicht haben, die die Musikschulen trotz ihrer schwierigen Finanzlage schultern, dass das Land sich jedoch bislang überhaupt nicht beteiligt? Wäre es nicht ein erster Schritt, wenn das Land heute ein Signal aussenden und zeigen würde, dass es bereit ist, in diese Kooperationen einzusteigen? Damit wäre zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung geschafft, zumal damit auch benachteiligte Kinder den Zugang zu einem Instrument bekommen könnten.
Das ist die Frage, die ich an Sie stelle. Selbst wenn Sie abstreiten, dass es in kurzer Zeit komplett umsetzbar ist,
dann zeigen Sie doch wenigstens, mit welchen Schritten wir die Situation verbessern und wie wir mehr ermöglichen können. Sagen Sie, was das Land dafür zu tun bereit ist. Das möchte ich heute gern von Ihnen wissen.
Das Land engagiert sich finanziell bereits an vielen Stellen, die genau diesen Kooperationen zugutekommen. Wenn Sie sagen, dass 30 % der Kinder – –
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: 10 %! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Abg. Helen Heberer SPD: Die müssen alles herausschwitzen!)
die die Laienmusik erhält, um solche Kooperationen zu ermöglichen. Damit gibt es auch Mittel für Kooperationen und Dauerkooperationen. Musikvereine und Musikschulen haben dadurch die Möglichkeit, Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen einzugehen. Es gibt also verschiedene Finanzierungswege, um solche Kooperationen zu ermöglichen.
Darüber hinaus, meine Damen und Herren, muss auch ein Hinweis erlaubt sein: Die musikalische Grundbildung an unseren Schulen ist eine Pflichtaufgabe.
Zu dieser musikalischen Grundbildung gehört allerdings nicht originär das Erlernen eines Instruments.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Ja, eben! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es ist aber auch nicht ausgeschlossen!)
Bestandteil der musikalischen Bildung ist das gemeinsame Singen, das Erwerben musikalischer Grundkenntnisse in theoretischer Hinsicht, allgemeinbildendes Wissen im Bereich Musik sowie Formen des Klassenmusizierens. Dies ist integrierter Bestandteil unserer Bildungspläne und damit auch eine Pflichtaufgabe gemäß unseren Bildungsplänen. Wenn Sie einmal schauen, welch wertvolle pädagogische Arbeit sich im Bereich Musik vollzieht, und zwar sowohl an den Grundschulen als auch an den weiterführenden Schulen, stellen Sie fest, dass sich gerade durch die innovativen Ansätze im Bereich des Klassenmusizierens immer mehr Lehrkräfte auf den Weg machen, mit einfachen Instrumenten gemeinsames Musizieren zu ermöglichen. Damit befinden wir uns auf dem Weg, einen früheren Zugang zum Instrumentalspiel an unseren Schulen zu ermöglichen.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aber mit Musik- schullehrkräften ginge das noch besser! – Abg. Helen Heberer SPD: Schauen Sie nach Venezuela!)
Meine Damen und Herren, ich möchte folgende konkrete Auswertungen darlegen. Wir haben in Baden-Württemberg 2 500 Grundschulen. An diesen 2 500 Grundschulen einschließlich der Verbundschulen, wo Grundschulen gemeinsam mit Hauptschulen schulische Einheiten bilden, unterrichten 3 174 Musiklehrkräfte. Das belegt die seit Jahrzehnten große Anstrengung des Landes, unsere Schulen mit fachlichem Personal auszustatten.
Wenn Sie sagen, an unseren Grundschulen gäbe es keine musikalische Arbeit über den Regelunterricht hinaus, muss ich Ihnen sagen, dass in diesen 2 500 Grundschulen 3 150 Musik-AGs stattfinden. Wer meint, meine Damen und Herren, Baden-Württemberg sei im Bereich Musik ein Notstandsland, dem muss ich sagen: Wir haben gegenüber Nordrhein-Westfalen sowie gegenüber den anderen Bundesländern überhaupt keinen Nachholbedarf, sondern diese Arbeit belegt, dass wir spitze sind und alles tun, um unseren Kindern einen bestmöglichen Zugang zur Musik zu ermöglichen.