Protocol of the Session on April 23, 2009

Tagesordnungspunkt 3 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

a) Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der

Landesregierung – Zukunft der Milchwirtschaft in Baden-Württemberg – Drucksache 14/2177

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Milchwirtschaft im Schwarzwald – Drucksache 14/3003

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Milcherzeugung in Baden-Württemberg – Drucksache 14/3789 (geänderte Fassung)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Buchstaben b und c je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten, und für das Schlusswort zu Buchstabe a fünf Minuten.

Ich weise noch darauf hin, dass ich heute Morgen Milch organisiert habe und jeder Redner heute statt Wasser Milch zu trinken bekommt.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gilt das auch für den Präsidenten? – Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Pix.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern! Spätestens die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass globale deregulierte Märkte große Risiken beinhalten.

(Dem Redner wird ein Glas Milch gereicht. – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Woher kommt die Milch, Herr Präsident? – Abg. Claus Schmiedel SPD: So wendet man die Milchkrise nicht ab!)

Zum Wohl.

(Der Redner trinkt aus seinem Glas. – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Könnte man ihm noch ein Glas bringen? – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hoffent- lich ist sie nicht gentechnisch verändert!)

Minister Hauk steht mit seiner auf globalen Wettbewerb setzenden Milchpolitik definitiv vor einem Scherbenhaufen. Die Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern steigen herunter von den Höhen des Schwarzwalds und demonstrieren in Freiburg, sie übernachten auf der Erde vor der Villa Reitzenstein in Stuttgart.

Manche von ihnen sagen: Wir haben jetzt Höfe mit – wie von Minister Hauk gefordert – 50 Kühen im Stall. Wir haben in

vestiert. Wir bringen Grünfutter in den Stall. Wir haben keine Weidehaltung mehr.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf diese Weise haben einige der Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern versucht, den Weg in Schleswig-Holstein zu imitieren. Genau jene stehen jetzt am häufigsten mit dem Rücken zur Wand, weil sie sich aufgrund dieser Investitionen zu hoch verschuldet haben. Es sind die Wachstumsbetriebe, also diejenigen, die den Pfad der Landesregierung gegangen sind, die auf Spezialisierung und Vergrößerung gesetzt haben, die gerade vor dem existenziellen Abgrund stehen.

Die Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern können aufgrund der kurzen Vegetationszeit, der schwierigen Topografie und des Schneefalls nicht mit dem Weltmarkt und auch nicht mit norddeutschen Betrieben konkurrieren, zumindest nicht im Hinblick auf die Masse. Das aber ist der Hauk-Pfad, der falsche Pfad.

(Beifall bei den Grünen)

Am besten geht es noch denjenigen, die auf Bioerzeugung umgestellt haben, deren Höfe nicht so groß sind und die mit Ferienwohnungen Zusatzeinnahmen erzielen. Minister Hauk ist jedoch bekannt dafür, den Biotrend verschlafen zu haben bzw. immer noch zu verschlafen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Oh, mein Gott, wacht doch erst einmal selbst auf! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Das einzig Positive für die Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern – ich will es ausdrücklich erwähnen und auch loben – ist das Schwarzwaldprogramm und damit die Förderung der Umstellung auf Bioerzeugung, insbesondere auch die Umstellung von Anbinde- auf Laufstallhaltung.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja was jetzt? – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Er hat doch gerade das Gegenteil gesagt!)

Minister Hauk stellt sich öffentlich als Bauernbefreier dar, weil die Landwirte seit den Fünfzigerjahren durch die EU-Bürokratie immer mehr unterdrückt, gar versklavt worden seien.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So war es!)

Er will sie quasi von der Folter der Milchquote befreien. Minister Hauk als Kämpfer für die Befreiung der Bauern aus ihrem EU-Sklaventum! Was Minister Hauk predigt, ist nichts anderes als Marktradikalismus in globalisierten Milchmärkten, an dem das Milchbauerntum teilhaben und genesen soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht der Landwirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein oder der Landwirtschaftsminister aus Mecklenburg-Vorpommern hat sich nach den Übereinstimmungen auf dem Milchgipfel im Sommer 2008 mit dem Ziel fairer Preise bereits im November 2008 zur Speerspitze einer Bundesratsinitiative für die Milchquotenerhöhung gemacht. Es war vielmehr der baden-württembergische Minister Hauk. Warum – so frage ich mich, so fragen sich die Milchbäuerinnen und Milchbauern im Land – kommt

ausgerechnet der baden-württembergische Landwirtschaftsminister auf diese Idee? Er fühlt sich offensichtlich als marktradikaler Bauernbefreier,

(Unruhe)

als Vorreiter der FDP mit ihren Ellenbogenthesen von einer Marktwirtschaft ohne Grenzen, ohne Schranken und ohne Regeln,

(Oh-Rufe von der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP: So ein Quatsch!)

und das, obwohl um uns herum im Rahmen der Finanzkrise genau das zusammengebrochen ist, was nach diesem Prinzip funktioniert hat.

Ich sage Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Diejenigen unter Ihnen, die nicht einer Kooperation, sondern einer Konzentration der Molkereien das Wort reden, führen das alte marktradikale FDP-Denken fort, das die Finanzwelt in den Abgrund geführt hat.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wer hat denn die Bankenaufsicht ruiniert? – Zuruf der Abg. Heidero- se Berroth FDP/DVP)

Seit Peter Hauk Landwirtschaftsminister ist, zeigt sich am Beispiel des Kreises Waldshut

(Unruhe)

hören Sie lieber einmal zu! –, das bei der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft vorgestellt wurde – Kollege Rombach kann das wahrscheinlich bestätigen –, dass die Ausgleichszulage Landwirtschaft von 3,9 Millionen € im Jahr 2005 auf 2,6 Millionen € im Jahr 2007 und damit um über 30 % zurückgegangen ist. Die Ausgleichszulage Wald ging im Kreis Waldshut sogar von 218 000 € im Jahr 2005 auf 37 000 € im Jahr 2007 und damit um über 80 % zurück.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Selbst der Kollege Rombach konnte das kaum fassen, als er vor den Plakaten stand, und hat versprochen, dass wir gemeinsam etwas verändern wollen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Unglaublich!)

Das ist genau das Geld, das den Leuten fehlt. Das Fehlen der Ausgleichszulage führt in den Höhenlagen des Schwarzwalds dazu, dass die Milchbauern bei niedrigen Preisen keinerlei Rücklagen mehr haben. Die Milchbauern im Schwarzwald sind die ersten Opfer des Marktradikalismus von Peter Hauk.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Der FDP! – Gegenruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Ist der bei der FDP? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist doch ein unglaublicher Blödsinn!)

Die Liberalisierung der Milchmärkte ist die Sterbehilfe für die Höhenlandwirtschaft. Mit den Milchbauern und den Landwirten stirbt ein jahrhundertealtes Kulturgut. Es stirbt die uralte

Tradition der innerfamiliären Betriebsübergabe. Es stirbt die Heimat der Menschen im Schwarzwald.

(Lachen des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Bei der Eröffnung des Waldhauses in Freiburg outete sich Minister Hauk als Sterbehilfesachverständiger.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ich zitiere: Das Fällen von Bäumen, die natürlicherweise 250 Jahre alt oder älter werden können, schon im Alter von 100 Jahren sei ein Akt der Sterbehilfe. Sie, Minister Hauk, mit Ihrer selbst proklamierten Kenntnis der Sterbehilfe, betätigen sich tatsächlich als Sensenmann und Totengräber der Milchbäuerinnen und Milchbauern in unseren Mittelgebirgen.