Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Weltwirtschaftskrise ist eine weltweite Krise. Ihre Bekämpfung muss international abgestimmt sein. Eine Beschränkung der Sicht auf Europa, wie es der FDP/DVP-Antrag vorsieht, ist zu eng. Die Rollen der USA und auch Chinas liegen klar vor Augen.
Deshalb war die wesentliche Abstimmungsbühne die G-20Konferenz. Dabei ging es vor allem um internationale Regeln, die es bisher nicht gab, um die Kontrolle bestimmter Finanzprodukte, um das Austrocknen von Steueroasen und Geldwäsche, um die Stärkung des Internationalen Währungsfonds und vor allem um das Offenhalten der Märkte, um das Vermeiden von Protektionismus als Lehre aus der großen Depression der Dreißigerjahre.
Alles andere – vor allem Konjunkturprogramme – unterliegt zwar einer gewissen Wettbewerbskontrolle der EU, ist aber elementare Sache der Staaten. Diese Programme werden je nach Größe, Branchenstruktur, Exportabhängigkeit, Staatsschulden und nach dem Verfassungsaufbau der Staaten verschieden aussehen.
Wir haben in Deutschland gottlob einen Manager in dieser Krise, nämlich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück,
(Beifall bei der SPD – Abg. Stephan Braun SPD: Guter Mann! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr guter Mann! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP – Unruhe)
der klar und umsichtig handelt, der es vermeidet, hektisch Dinge übers Knie zu brechen, und der trotzdem entschlossen handelt.
Kommissionspräsident Barroso hat sich gottlob nicht mit seinem Plan für ein EU-weites Konjunkturprogramm von 200 Milliarden € durchsetzen können. Ein Programm, gemalt mit grobem Pinsel aus Brüssel, wäre für die einzelnen Länder untauglich. Auch der Quervergleich der nationalen Programme, wie im FDP/DVP-Antrag gewünscht, hat wenig Aussagekraft. Der FDP/DVP-Antrag schmeckt daher etwas komisch.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie brau- chen ihn ja nicht zu essen! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der war ja auch nicht zum Essen gedacht! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Der riecht schon übel!)
Man hat den Eindruck: Jemand möchte Europaabgeordneter werden und im Landtag von Baden-Württemberg schon einmal ein wenig üben.
Meine Damen und Herren, wir müssen vor unserer Tür kehren. Beurteilungsmaßstab ist, wie schlüssig und wirksam wir handeln. Wir sind hier in Deutschland. Der deutsche Staat ist aber föderal aufgebaut. Noch „hierer“ ist Baden-Württemberg.
Baden-Württemberg ist das Exportland Nummer 1. Wir sind daher am stärksten betroffen. Hier stürzen die Aufträge ab, hier gibt es Liquiditäts- und Finanzierungsprobleme, und hier grassiert die Kurzarbeit. Was machen wir?
Am 4. Dezember 2008 forderte die SPD ein eigenes Programm des Landes zur Stützung insbesondere mittelständischer Unternehmen, die wirtschaftlich an sich gesund sind und technologisch gut dastehen, aber durch die Wirkungen der Krise in Not gekommen sind. Und die Regierung? Der Finanzminister besprach am gleichen Tag seinen Haushalt im Plenum. Von aktivem Handeln in der Krise war dabei nicht die Rede. Das kann man im Protokoll nachlesen.
(Abg. Katrin Altpeter SPD: Ja, wo ist er denn? – Abg. Stephan Braun SPD: Er ist noch nicht einmal hier!)
Erst zwei Wochen später, am 16. Dezember 2008, hat der Ministerpräsident ein Landeskonjunkturprogramm vorgeschlagen. Das Volumen war ähnlich hoch wie das von der SPD vorgeschlagene Volumen. Das Programm umfasste aber nicht die Teile, mit denen die SPD die Kaufkraft der Familien und der einfachen Leute stärken will.
Dann schlug die SPD einen Baden-Württemberg-Fonds vor, finanziert aus öffentlichen und privaten Mitteln, um Firmen in Not Eigenkapital zu verschaffen. Von der Regierung gibt es dazu bis jetzt keine klare Position.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Will nicht auch die SPD jetzt Steuern senken? Habe ich da etwas falsch verstanden? – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)
Da schultert der Staat gewaltige Stützungslasten wegen desaströser Entscheidungen der Finanzhäuser, die nach den Worten des früheren Chefs der Fed, Paul Volcker, den Markttest einfach nicht bestanden haben. Die Zeche sollen die Leute bezahlen, die in Kurzarbeit geschickt werden, und die künftigen Generationen, die die Schulden erben. Und die heutigen reichen, starken Schultern sollen nach Auffassung der FDP entlastet werden.
nämlich der Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft und der Chefökonom der „Neuen Zürcher“, hat dazu gesagt – ich zitiere –:
Dass die Bevölkerung bereit sein kann, unter dem Titel der Systemstabilisierung Hunderte von Milliarden in die Finanzbranche zu buttern, selbst aber als Folge der durch die Finanzkrise verschärften Rezession den Arbeitsplatz zu verlieren und nirgends die helfende Hand des Staates zu sehen, das wage ich zu bezweifeln.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja, ich auch! Was macht denn die Bundesregierung? – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Ich auch, Herr Kollege!)
Keine entschlossene Politik für erneuerbare Energien – denken wir an die Windkraft –, obwohl es riesige Märkte dafür gibt. Der Markt wird jetzt ganz neu geschaffen und verteilt. Wir setzen – nicht wir, sondern Sie, also wir im Land –
auf weiterlaufende Atommeiler, die die erneuerbaren Energien verdrängen, und vergeigen damit unsere Chancen.
Wie wäre es, wenn BadenWürttemberg wieder zum modernsten und stärksten Wirtschaftsstandort würde? Wir schauen, was die Aufgaben des Landes sind, machen ein Programm für die nächsten 15 Jahre und setzen eine klare Priorität auf erneuerbare Energien, gute Landesstraßen, Ortsumgehungen, modernen Nahverkehr und Schienen, ein Wohnungsbauprogramm für junge Familien, Hochschulen, Kinderbetreuung und gute Bildung. Das wäre das beste Wirtschaftsprogramm, das man machen kann. Es würde langfristig wirken. Es würde Fachkräfte zu uns bringen. Es würde Unternehmen zu Investitionen veranlassen, und es würde durch die Aufbruchstimmung kurzfristig wirken. Wir haben eine starke Wirtschaft, aber eine schwache Regierung.
(Beifall bei der SPD – Abg. Stephan Braun SPD: So ist es! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Fahren Sie wie Herr Theurer nach Hannover! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das war aber eine „starke“ Rede! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das hat Frau Gurr- Hirsch ironisch gemeint!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bewerbungsrede des Herrn Abg. Theurer für das Europaparlament in allen Ehren, aber leider müssen wir doch feststellen, dass der Antrag, den die FDP/DVP hier
als vorgezogene Initiative behandeln lässt, uns nicht wirklich weiterbringt, was die Lösung der Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft.
(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das zeigt, dass Sie das nicht verstehen, Frau Kollegin! – Abg. Ste- phan Braun SPD: Haben Sie das von der FDP/DVP erwartet, Frau Kollegin?)
Es war natürlich klar, dass es nicht lange dauern wird, bis die FDP/DVP hier in dieser Debatte zu ihrem Allheilmittel kommt, nämlich zum Thema Steuersenkungen.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Lesen Sie doch ein- mal, was die anderen machen! – Abg. Michael Theu rer FDP/DVP: Da sind wir nicht die Einzigen! – Wei- tere Zurufe von der FDP/DVP)
Sie haben sich ganz platt, wie gewohnt, Herr Kollege Theurer, hier hingestellt und einfach Steuersenkungen gefordert in der Annahme, dann würde sowieso alles besser werden.