Protocol of the Session on March 19, 2009

wenn Sie sagen, das sei eine geringe Summe.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wenn Sie mir 17 Mil- lionen geben, gebe ich Ihnen 60 000! – Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

Für 60 000 € bekommen Sie schon ein gutes Auto, ohne dass Sie die Verschrottungsprämie in Anspruch nehmen müssen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben also genau den Eckwert eingehalten, für 17 Millionen € erstens die Kunst in Salem zu kaufen – und zwar alle Kunst, die wir kaufen wollten – und zweitens die Kunst aus den im Gutachten erwähnten Gegenständen zu kaufen, die wir erwerben wollten. Für das Klosterarchiv haben wir ein Vorkaufsrecht. Der Brief an Prinz Bernhard ist ergangen, um auch das Archiv des Hauses Baden in Salem für die Öffentlichkeit – für die wissenschaftliche Öffentlichkeit – verfügbar zu machen.

Nun zum Verzicht des Hauses Baden auf Ansprüche an Kunst- und Kulturgegenständen im Wert von 300 Millionen €. Herr Schmid, 300 Millionen € war die Gesamtsumme; das war nicht das, was wir verkaufen wollten. 300 Millionen € ist die Gesamtsumme der Kunst- und Kulturgegenstände in Karlsruhe und in Konstanz.

Dies ist der Komplex, zu dem uns die Gutachter, vor allem basierend auf der Pertinenztheorie, erläutert hatten, dass es sich um Eigentum des Landes Baden-Württemberg handelt. Aber man muss wissen: Die Pertinenztheorie hat in der eigentumsrechtlichen Zuerkennung deutliche Abstufungen. Da gibt es sichereres Eigentumsrecht und weniger sicheres Eigentumsrecht. Diese Pertinenztheorie hat auch noch nie vor Gericht bestehen müssen.

Insofern war es klug, für 15 Millionen € eine nochmalige Eigentumsübertragung dieser Gegenstände – wir sagen „nochmalige“, die sagen „erstmalige“ – an das Land zu erwirken. Denn sie werden damit für alle Zeiten – auch ohne dass Dritte Ansprüche erheben könnten – eindeutig Eigentum des Landes Baden-Württemberg. Damit sind sie in unseren Museen sicher, und von niemandem mehr kann die Herausgabe gefordert werden.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sind Sie da si- cher?)

Es gibt noch weitere Sicherungsringe, und es gibt eine Generalbereinigungsklausel, die besagt, dass damit alle wechselseitigen Ansprüche erledigt sind.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der wichtigste Satz im Vertrag überhaupt!)

Insofern kann man zu Kunst und Kultur wirklich sagen, dass die Sachen des Adels zur Res publica, zu öffentlichen Sachen

geworden sind. Nach der Definition von Cicero ist „res publica enim res populi“: Die Kunst des Adels ist zur Sache des Volkes geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Helen He- berer SPD: Für viel Geld!)

Da sollten eigentlich alle Repräsentanten des Volkes zustimmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Das können Sie noch einmal wiederholen, damit es alle mitkriegen! Gott sei Dank wird mitgeschrieben!)

In der Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb kommen wir jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Initiativen.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/4215, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Ich lasse jetzt über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Drucksache 14/4129, abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 14/4129 angenommen worden.

Wir kommen nun zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der unter Punkt 5 Buchst. b bis f der Tagesordnung aufgeführten Anträge. Es handelt sich um die Anträge der Fraktion der SPD, Drucksachen 14/2202, 14/2209, 14/3533 und 14/3737, sowie den Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/3538. Ich schlage vor, die Anträge für erledigt zu erklären. – Sie stimmen der Erledigterklärung zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Verbrauchernahe Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in Baden-Württemberg (Nahversorgung) – Drucksache 14/2159

(Unruhe)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Frau Abg. Kipfer erhält für die SPD-Fraktion zur Begründung des Antrags das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland ist etwa jeder zehnte Einwohner abgekoppelt von einer wohnortnahen Versorgung mit Gü

tern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs. „Wohnortnah“ heißt: in fußläufiger Entfernung oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Die Situation dürfte bei uns im Land nicht viel anders sein.

Wo es keine wohnortnahen Läden mehr gibt, insbesondere Lebensmittelläden als Frequenzbringer, schließen auch andere Läden, Post- und Bankfilialen. Das Leben in der Gemeinde wird öde, die Standortqualität leidet. Ich habe Bürgermeister erlebt, die bereits resigniert haben und stattdessen laut nach einer besseren Straßenverbindung zum nächsten Mittelzentrum rufen.

Zu leiden haben darunter Menschen, die für den täglichen Einkauf nicht über ein eigenes Auto verfügen, Familien mit Kindern, deren Vater häufig mit dem Auto zur Arbeit fährt, die dann tagsüber kein Auto zur Verfügung haben, sowie ältere Menschen und Menschen mit Handicaps. Nicht von ungefähr besteht die Tendenz bei älteren Menschen jenseits der Erwerbstätigkeit, in die Städte zu ziehen, wo sie dann allerdings feststellen müssen, dass es auch in den Stadtteilen häufig nicht viel besser aussieht.

Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Seit Jahren verzeichnen wir eine Konzentration im Einzelhandel. Sie ist rasant vorangeschritten. Inzwischen beherrschen die fünf größten Einzelhandelsketten vier Fünftel des Umsatzes, also 80 %. Diese Oligopole können jederzeit die Preise diktieren, sowohl gegenüber den Verbrauchern als auch gegenüber den Produzenten. Ganz aktuell kann man das bei den Milchpreisen beobachten.

Während es in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts noch 155 000 Verkaufsstellen für Lebensmittel gab, ist diese Zahl inzwischen auf etwa ein Drittel zusammengeschrumpft. Auch das Verbraucherverhalten hat sich verändert, jedenfalls bei den mobilen jungen Familien. Der Wocheneinkauf im Einkaufszentrum steht hoch im Kurs – mit Auto natürlich! Es gibt auch viele Verbraucher, die auf die vermeintlich billigen Angebote der Discounter angewiesen sind. Was jedoch vermeintlich billig ist, erweist sich bei näherem Hinsehen als – ich nenne das immer so – mit Sekundärkosten belastet. Die heimischen Erzeuger, sprich unsere Landwirtschaft, haben von dieser Entwicklung überhaupt nichts, weil sich die Handelsunternehmen am Weltmarkt orientieren.

Wenn es eine gute Nachricht gibt, dann die, dass die Landesregierung diese Entwicklung – zumindest verbal – mit der gleichen Sorge verfolgt wie wir. Schon in der Stellungnahme zu dem ersten Antrag der SPD-Fraktion zu diesem Thema im Jahr 2004 – Drucksache 13/3779 – schrieb die Landesregierung:

Die Sicherung einer möglichst wohnortnahen Versorgung muss für alle Beteiligten eine zentrale Aufgabe bilden.

Nun interessiert uns die Frage: Was ist inzwischen passiert, um dieser zentralen Aufgabe gerecht zu werden? Als Erstes – das sollte man annehmen – wird eine Bestandsaufnahme gemacht, denn schließlich beginnt Politik mit dem Erkennen der Wirklichkeit. Aber ich stelle fest: Fehlanzeige. Die Landesregierung erklärt diese Aufgabe schlicht zur kommunalen Aufgabe. Harte Daten liegen nicht vor. Nach meinen Recherchen

wurde die letzte globale Studie 2003 vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels bzw. 2005 vom Verband Region Stuttgart vorgelegt. Fehlanzeige also!

Die Landesregierung verweist auf ihren Kabinettsausschuss Ländlicher Raum – eine löbliche Einrichtung, möchte ich hinzufügen. Dieser hat kürzlich eine Halbzeitbilanz vorgelegt. Die flächendeckende medizinische Versorgung wird als eines der Hauptproblemfelder hervorgehoben. Offenbar sind die Dinge in Arbeit.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ausdrücklich loben will ich auch die Anstrengungen im Bereich der Breitbandversorgung; sie gehört auch zur Grundversorgung. Aber das Wort „Nahversorgung“ kommt jedenfalls in der Pressemitteilung zur Halbzeitbilanz dieses Ausschusses nicht vor.

Der Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2002 hat auch als eines der zentralen Ziele die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung hervorgehoben. Die Vorgaben im Landesplanungsgesetz und der berühmte Einzelhandelserlass sollen die Steuerung des großflächigen Einzelhandels bewirken. Hat man schon einmal differenziert untersucht, welche Wirkungen diese Rahmenbedingungen gezeigt haben?

Dann gibt es noch das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum. Dort ist neben Wohnen, Arbeiten, Gemeinschaftseinrichtungen auch die Grundversorgung mit Waren und Dienstleistungen als Förderschwerpunkt ausgewiesen. Die Ziele sind klar. Hat aber einmal jemand untersucht, ob die Sicherung der Grundversorgung hier zum Durchbruch gekommen ist? In den vergangenen 14 Jahren sind immerhin mehr als 800 Gemeinden mit Fördermitteln in Höhe von rund 700 Millionen € bedacht worden. Dabei seien, so heißt es, 18 000 Arbeitsplätze neu geschaffen worden. Wurde das Ziel, die Nahversorgung zu sichern, inzwischen erreicht? Offenbar doch eher nicht! Wie sonst nämlich ist zu erklären, dass die Landesregierung die Sicherung der Nahversorgung wortreich bis heute zum Problem erklärt? Ich zitiere aus der Stellungnahme der Landesregierung zu unserem Antrag:

In kleineren Gemeinden, aber auch in Orts- bzw. Stadtteilen größerer Kommunen, bestehen zunehmend

ich betone: zunehmend –

Probleme bei der Nahversorgung.

Das steht in der Stellungnahme zu unserem jetzt vorliegenden Antrag.

Auch Minister Hauk hat bereits im Jahr 2005 die Situation beklagt, nämlich bei der Eröffnung einer Tagung der Akademie Ländlicher Raum zum Thema „Wenn der letzte Laden schließt“. Da heißt es in einer Pressemitteilung vom 27. Oktober 2005:

Nach Prognosen von Experten müssen wir davon ausgehen, dass die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in mehr als der Hälfte der Gemeinden in Baden-Württemberg gefährdet ist.

Drei Jahre später kann man in einer Tischvorlage der CDU bei einer Vorsitzenden- und Mandatsträgerkonferenz vom 25. Januar 2008 lesen – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wo haben Sie das her?)

So etwas findet man Gott sei Dank im Internet. – Diese Tischvorlage behandelt die Zukunft des ländlichen Raums. Nach einem wortreichen Lob der Politik der Landesregierung heißt es da: