Liebe Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Haushaltsplanberatungen in der letzten Woche hat die Sozialministerin darauf hingewiesen, dass Baden-Württemberg eine Kleinkindbetreuungsquote von 13,7 % hat, und sie war sehr stolz darauf.
Nun wissen wir alle, dass Baden-Württemberg aufgrund ideo logischer Vorbehalte den Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren lange verschlafen hatte,
wäre da nicht Bundesfamilienministerin von der Leyen gewesen, die das Tagesbetreuungsausbaugesetz der rot-grünen Bundesregierung weiterbetrieben hat und sozusagen als Initialzünder auch in Baden-Württemberg gewirkt hat.
Deshalb sagen wir Grünen hierzu: Auch wenn die Quote im Land bei 13,7 % liegt, ist sie doch zu niedrig. Im Ländervergleich weisen die Zahlen des Statistischen Bundesamts aus, dass Baden-Württemberg mit seiner aktuellen Quote von 13,7 % eher im hinteren Drittel zu finden ist. Ganz vorn liegt Sachsen-Anhalt mit einer Quote von bis zu 52 %. In Westdeutschland liegen nur noch Nordrhein-Westfalen, Niedersach sen und Schleswig-Holstein mit Quoten um 11 % hinter Baden-Württemberg.
Auch der für 2009 angestrebte Ausbau auf 14,5 % zeigt nicht, dass die Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg auf einem guten Weg ist.
Der Bedarf an Kleinkindbetreuung, Kollege Zimmermann, steigt auch in Kirchheim/Teck, steigt auch im Landkreis Esslingen schneller als erwartet.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Man könnte gerade meinen, dass die Betreuung durch die Eltern oder Großeltern nicht gut wäre!)
Am Bedarf gemessen halten wir eine durchschnittliche Quote von 20 % für dieses Jahr für realistischer als eine Quote von 14,5 %. Registrieren Sie einmal, welche Quoten die Kommunen anstreben:
In Tübingen sind es 42 %, in Stuttgart, Ulm und Karlsruhe 32 %, und selbst in ländlichen Landkreisen wie dem Ostalbkreis, z. B. in Oberkochen,
sind es 50 %. Insofern ist doch klar, dass die Kommunen einen deutlicheren Ausbau ihres Angebots planen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie immer wieder auf die gemeinsame Vereinbarung zwischen Land und Kommunen aus dem Jahr 2007 verweisen, heißt das doch nicht, dass man sich nicht auf einen gestiegenen Bedarf einlassen kann. Die Eltern nehmen eben keine Rücksicht auf ein von der Politik vorgegebenes Zeitfenster, sondern drängen auf einen schnelleren Ausbau der Betreuungsangebote.
Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem wir fordern, für 2009 56 Millionen € mehr für die Kleinkindbetreuung einzustellen. Das würde einer Betreuungsquote von 20 % und einer Beteiligung an den Betriebskosten von einem Drittel entsprechen, und zwar nicht erst 2013/2014, sondern schon ab diesem Jahr. Auch wenn der Rechtsanspruch erst 2013 eingeführt wird, gibt es keinen Grund, weshalb sich das Land mit einem geringeren Anteil an der Kleinkindbetreuung beteiligt als an der Kinderbetreuung, was übrigens auch Auswirkungen auf die Elternbeiträge hat.
Ein zweiter Punkt, bei dem der Gesetzentwurf weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, ist die fehlende Sicherstellung der Qualität sowohl in der Kleinkindbetreuung als auch im Kindergartenbereich.
Wenn die Betriebskostenförderung für die Kleinkindbetreuung endlich gesetzlich verankert ist – das begrüßen wir –, dann wäre es doch folgerichtig und logisch, den Anwendungsbereich des Orientierungsplans ebenfalls auf die Kleinkindbetreuung auszuweiten.
Denn auch die Kleinkindbetreuungseinrichtungen sind keine Aufbewahrungsanstalten, sondern im Gegenteil ebenfalls früh kindliche Bildungseinrichtungen. Deshalb teilen wir überhaupt nicht die Auffassung der Landesregierung, die den Trägern nicht vorschreiben will, dass der Orientierungsplan auch für Kinder unter drei Jahren gelten soll. „Für die Kleinsten das Feinste“ müsste eigentlich der Leitspruch für die frühkindliche Pädagogik sein.
Auch wurde mit dem Gesetzentwurf weiterhin versäumt, für Klarstellung bei der Frage zu sorgen, wie der Anspruch auf Qualität umgesetzt wird. Wie wird denn der Orientierungsplan, der 2009/2010 – also in diesem Jahr – flächendeckend implementiert werden soll, umgesetzt? Wer bewertet und kontrolliert diese Umsetzung?
Wenn wir über die Umsetzung des Orientierungsplans reden – Thema Sprachförderung –, kommen wir zu den Rahmenbedingungen für die Kindergartenbetreuung. Da muss man einfach Folgendes feststellen: Seit mindestens 20 Jahren haben sich die Standards für die Arbeit im Kindergarten nicht verändert. Jahr für Jahr kommen neue Anforderungen an die Kindergärten hinzu.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist doch gar nicht wahr! Ich glaube, Sie waren schon lange nicht mehr in Kindergärten!)
Die Standards bleiben aber die gleichen, Kollege Zimmermann. Wie sollen denn 1,5 Fachkräfte bei einer Gruppengröße von 28 Kindern – –
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Verhältnis 1 : 2! Kom men Sie doch einmal zu mir in den Wahlkreis in ei- nen Kindergarten!)
Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Ende Ihrer Rede. Ihre Redezeit ist bereits weit überschritten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können diesem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes nicht zustimmen, weil er weit hinter den Bedürfnissen eines „Kinderlands“ Baden-Württemberg zurückbleibt und sich auch hier wieder ein großes Glaubwürdigkeitsdefizit herausstellt zwischen dem, was Sie in Ihren Sonntagsreden zum Thema „Kinderland Baden-Württemberg“ erklären, und dem, was Sie dann in Gesetzen regeln.
(Zuruf: Schon wieder? – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Showtime! – Abg. Ute Vogt SPD: Es hätte für heute doch gereicht!)
(Beifall des Abg. Reinhold Gall SPD – Abg. Rein- hold Gall SPD: Sehr gut! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Er ist auch sozialpolitischer Sprecher!)
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man neigt natürlich dazu, die Haushaltsberatung hier nahtlos fortzusetzen. Wir beraten heute aber nicht über den Haushalt, sondern über ein Gesetz, bei dem es primär zunächst einmal nicht um die Zahlen geht, sondern das Auswirkungen auf die Verteilung der Gelder hat.
Wenn Sie übrigens den Stufenplan zum Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren kritisieren, den man gemeinsam mit den Kommunen verabredet hat, dann müssten Sie auch noch einmal mit dem Bund reden. Dieser Stufenplan ist eine Trias aus Bund, Land und Kommunen gewesen, bei der der Bund dankenswerterweise mit 99 Millionen € pro Jahr im Endausbau dabei ist.
Es gibt die Fragen, ob es zu wenig ist und ob es zu schnell gemacht wird; zu schnell geht es gewiss nicht, da sind wir uns alle einig.