Protocol of the Session on February 18, 2009

Ihre Partei im Land ist schon lange – auch im Jahr 2004 – diejenige mit den beschämendsten Ergebnissen in diesem Bereich. Sie hätten allen Grund, sich zu überlegen,

(Abg. Ute Vogt SPD: Wohl wahr!)

wie das nachhaltig geändert werden kann.

Wie bestellt liegt heute in den Fächern der Landtagsabgeordneten eine Broschüre des Statistischen Landesamts. Diese Broschüre heißt „Präsenz von Frauen in den Kommunalparlamenten“.

(Der Redner hält eine Broschüre hoch.)

Darin stehen ernüchternde Ergebnisse.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das ist doch Car- mina, oder? – Zurufe: Carmina!)

Aktuell liegt der Anteil von Frauen in den Kommunalparlamenten bei 21 %.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Und wie hoch ist die Wahlbeteiligung der Frauen?)

Die Wahlbeteiligung der Frauen ist nicht geringer als die der Männer; sie ist gut.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Höher! – Gegenruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Was hat das damit zu tun?)

Der Anteil der Frauen an den Wahlberechtigten ist deutlich höher. Er liegt bei 52 %. Der Anteil der Kandidatinnen – da fängt es schon an – ist mit 28 % bei der CDU absolut im Keller.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Da haben Sie den letzten Platz, die ganz schwarze Laterne in diesem Bundesland. Es gibt also Handlungsbedarf. Durch all die Appelle, die gut gemeinten Kampagnen der letzten Jahre hat sich überhaupt nichts verändert.

Es gibt – das ist allerdings bemerkenswert – keinen durchgängigen Beleg dafür – darauf reiten Sie ja immer wieder einmal gern herum –, dass Frauen seltener als Männer gewählt würden, dass Frauen also selbst daran schuld seien, weil sie nicht die nötige Durchschlags- oder Argumentationskraft mitbrächten. Das ist falsch; das stimmt einfach nicht.

Es liegt vielmehr an unterschiedlichen Chancen. Das fängt schon da an, dass die Parteien und Wählervereinigungen den Frauen nicht die gleichen Chancen einräumen zu kandidieren wie den Männern. Das ist ganz offensichtlich. Das ist eindeutig statistisch belegt und setzt sich natürlich im Wahlverhalten fort.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Waren Sie schon einmal Frau in der CDU?)

Meine Damen und Herren, wenn wir so weitermachen wie in den letzten Jahren, dann bleibt der Fortschritt wirklich eine Schnecke, und wir sind irgendwann, vielleicht im Jahr 2100, so weit, dass wir in den Kommunalparlamenten – im Landtag dann noch immer nicht, aber vielleicht auch da ein bisschen mehr als bisher – annährungsweise eine paritätische Besetzung haben. Der weibliche Anteil der Wählerschaft ist dann vielleicht noch höher.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch und Franz Unterstel- ler GRÜNE)

Werfen wir einmal einen Blick ins europäische Ausland. Ich nehme Frankreich als Beispiel. Dort hat man 1995 das sogenannte Paritätsgesetz gemacht. Man ist damals mit einem Frauenanteil in den Kommunalparlamenten von 26 % gestartet und ist heute, 14 Jahre später, bei 45 bis 46 % gelandet. Eine ganz bemerkenswerte Veränderung hat sich dort noch ergeben: Offensichtlich war die Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten, die Annäherung an die Parität eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass in Frankreich mehr Frauen in kommunale Spitzenämter gelangt sind. In Baden-Württemberg liegt der Frauenanteil bei Oberbürgermeistern und Oberbürgermeisterinnen, bei Landräten und Landrätinnen bei 5 % – 5 % Frauenanteil bei 52 % weiblicher Wählerschaft! Wer da keinen Handlungsbedarf sieht

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der spinnt!)

und nicht der Meinung ist, auch strukturell einmal etwas tun zu müssen, den verstehe ich nicht. Da komme ich nicht mehr mit. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf und fordern Sie heute noch einmal auf, hier eine Änderung mit uns zu vollziehen. Sie steht auf der Tagesordnung, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Ute Vogt SPD)

Das Gleiche gilt für das Wahlalter von 16 Jahren. Dazu hat der Kollege Bayer völlig treffende Bemerkungen gemacht, die ich an dieser Stelle nicht vertiefen muss. Alle guten Argumente sind aufgeführt. Wir haben die Erfahrungen aus den Jugendgemeinderäten. Dort herrscht, Herr Kollege Herrmann, eine ziemliche Verdrossenheit über diese Spielwiese der Demokratie, dass man zwar ein bisschen mitreden darf,

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Völliger Blödsinn! Das stimmt doch gar nicht!)

dass es aber schon bei dem Budgetrecht aufhört und dass die meisten Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg bis zum heutigen Tag nicht einmal das Recht haben, ihre Anliegen auch im Gemeinderat vorzutragen;

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Pure Theorie! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das liegt aber dann an dem Gemeinderat! Das kann jeder Gemeinderat für sich regeln!)

vielmehr dürfen sie nur eine Meinung äußern, und dann gehen sie nach Hause.

Wir sind der tiefen Überzeugung, dass auch 16-Jährige, die unsere Entscheidungen lebensmäßig länger zu ertragen haben als wir selbst, das Recht haben müssen, sich aktiv zu beteiligen. Wir stützen uns auf die Erfahrungen anderer Bundesländer, wo das mindestens so gut läuft, dass die Wahlbeteiligung der 16- bis 18-Jährigen nicht geringer ist als die der Erwachsenen. Daher gibt es auch keinen Grund, ihnen das Wahlrecht vorzuenthalten.

Zum Schluss das Thema „Änderung des Auszählverfahrens“. Herr Kollege Herrmann, es geht nicht darum, ob wir ein Verfahren haben, das sich bewährt hat, sondern es geht darum, dass wir die Pflicht haben, ein Verfahren zu wählen, das der abgegebenen Stimme und dem Willen einer Wählerin und eines Wählers am meisten entspricht, also den höchsten Er

folgswert einer Stimme garantiert. Das ist nun einmal nicht das Verfahren nach d’Hondt, sondern das ist – es gab auch im Landtag gute Gründe, das zu ändern – ein anderes Verfahren, das wir vorschlagen. Es ist auch eine Frage der verfassungsmäßigen Pflicht, das zu tun, was den Wählerinnen und Wählern den höchsten Erfolgswert ihrer Wahlbeteiligung garantiert. Da sehe ich uns in der Pflicht, etwas zu ändern. Wenn wir das nicht tun, bin ich mir sehr sicher, dass wir nach den Kommunalwahlen in diesem Jahr mehr Widersprüche haben werden als bei vergangenen Wahlen.

Ein weiteres Stichwort ist die Kappungsgrenze bei Kreis tagswahlen. Es gibt also berechtigten Anlass, die Ungerech tigkeiten bei der Auszählung und bei der Sitzverteilung ge genüber kleineren Wählervereinigungen endlich zu beenden. Auch hier sollten Sie mitgehen.

Schlussendlich bitten wir Sie, unseren drei Gesetzentwürfen aus den genannten Gründen zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Kluck das Wort.

(Abg. Walter Heiler SPD: Schon wieder?)

Aller guten Dinge sind drei.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fange einmal mit der Frauenquote an.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Liebe Kolleginnen und Kollegen!)

Von drei Oberbürgermeisterämtern in Baden-Württemberg, die von Freien Demokraten besetzt werden, sind zwei Drittel, also 66,6 %, in Frauenhand. Daran sehen Sie schon, dass wir hier auch ohne Quote vorbildlich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Sie wissen ja, dass unsere Landesliste für die Bundestagswahl von unserer Landesvorsitzenden angeführt wird. Sie kennen unsere parlamentarische Geschäftsführerin. Das ist auch eine Frau. Sie wissen, dass Frau Vogt die Landesliste der SPD anführt. Sie wissen, dass eine gewisse Frau Andreae die Landesliste der Grünen anführt, und selbst die CDU steht nicht hintan: Sie hat immerhin eine Frau zur Bundeskanzlerin gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja! So ist es!)

Ich weiß nicht, wo da ein Nachholbedarf sein soll.

Zum Auszählverfahren hat Herr Kollege Herrmann schon das Notwendige gesagt. Wir hätten natürlich lieber das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers. Aber wir müssen uns darüber mit unserem Koalitionspartner einigen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Schon wieder?)

Das werden wir dann in unserem Sinne nach der nächsten Landtagswahl tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wir freuen uns immer über das Interesse junger Menschen an der Politik. Ich weiß nicht, wer von Ihnen bei der Europaver anstaltung hier im Landtag war. Da haben Sie sehen können: Da war ein großer Ansturm von vielen jungen Menschen, die sich dafür interessiert haben. Sie sind bestimmt nicht wegen der Leberkäswecken so früh aus dem Bett gefallen, sondern aus echtem Interesse hierhergekommen.

Ein solches Interesse kann man aber doch nicht gleich mit Wahlmündigkeit gleichsetzen. Wer wählen darf, muss die damit verbundene Verantwortung sehen, verstehen und übernehmen können. Auch wenn die FDP im Moment vielleicht von einer Herabsetzung des Wahlalters profitieren könnte, bleiben wir bei unseren Bedenken gegen den Vorschlag, das Wahlalter in der Landesverfassung von 18 Jahren auf 16 Jahre zu senken. Lassen wir es lieber bei den 18 Jahren.