Jetzt zu wenigen aktuellen Zahlen, die dies belegen: Beim Bund wurden im Jahr 2007 insgesamt 1 265 Anträge und im Jahr 2008 1 548 Anträge gestellt.
Auch der Bund sagt – Auskunft Originalton –, dass das Informationsfreiheitsgesetz in Einzelfällen sehr viel Arbeit mache und der Aufwand sich über die beim Antragsteller erhobenen Gebühren nicht abdecken lasse.
Ich komme darauf noch. Es geht auch anders. – Beachtlich ist im Übrigen auch die Zahl der insgesamt 101 Widerspruchs- und 29 Klageverfahren im Jahr 2007 und 85 Widerspruchs- und 27 Klageverfahren im Jahr 2008. Das verursacht natürlich einen erheblichen Personal- und Kostenaufwand.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass nach den für NordrheinWestfalen erhobenen Zahlen für die Jahre 2002 und 2003 die Kommunen die Hauptbetroffenen sind. Das hat Kollege Wolf sehr treffend ausgeführt.
Mit über 70 % der jährlich etwa 1 000 Anträge sind die Kommunen die Hauptbetroffenen. Gerade auf der kommunalen Ebene hatten wir schon immer mit einer sehr modernen Gemeindeordnung eine breite Informations- und Beteiligungsmöglichkeit der Bürger. Ich komme nachher in wenigen Sätzen noch darauf zurück. Deswegen stellt sich für mich die Frage: Wollen wir wirklich ein solches Gesetz, das die Kommunen am Ende noch mehr belastet?
Ich will auch darauf hinweisen, dass wir durch den hier eingebrachten Gesetzentwurf den Gemeinden und Gemeindeverbänden ja auch eine neue Aufgabe übertragen und damit die Anwendbarkeit des Konnexitätsprinzips auslösen würden. Davon bin ich überzeugt. Dies wäre so, wenn wir diese neue Aufgabe übertragen würden.
Der Datenschutz und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erfordern – egal, wie ein solches Gesetz dann letztlich aussieht – zahlreiche Ausnahmen vom Recht auf Informationszugang.
Zahlreiche Ausnahmen! Bei den Bürgerinnen und Bürgern würden somit Erwartungen geweckt – so fürchte ich –, die sich in den Verwaltungsverfahren überhaupt nicht erfüllen las
sen. Die Bürgerinnen und Bürger würden damit in vielen Fällen Steine statt Brot erhalten. Ein Informationsfreiheitsgesetz – egal, welcher Spielart –, das wie der jetzt zur Debatte stehende Entwurf den Anspruch auf Schaffung von Transparenz erhebt, wäre vielfach eine Mogelpackung.
Letzter Aspekt, den ich hierzu ansprechen möchte: Die Erfahrungen beim Bund und bei anderen Bundesländern, beispielsweise NRW, Hamburg und Brandenburg, zeigen, dass halt doch sehr wohl die Gefahr besteht, dass bestimmte Kreise, beispielsweise auch die Scientology-Organisation, versuchen, sich Informationsfreiheitsgesetze für ihre eigenen Zwecke zunutze zu machen. Diese Sorge ist keinesfalls unberechtigt und ein weiterer Grund, der gegen dieses Gesetz spricht.
Der Kollege Sckerl hat in seiner – – Es ist übrigens erstaunlich, dass ich in jeder Rede irgendwann auf den Kollegen Sckerl zu sprechen komme.
Jedenfalls hatte Kollege Sckerl in seiner Erwiderung auf meine Rede bei der Ersten Beratung noch einen Aspekt angesprochen, auf den ich in aller Ernsthaftigkeit kurz eingehen will. Herr Kollege Sckerl, Sie haben seinerzeit kritisiert, dass sich Bürger auch auf kommunaler Ebene organisieren und Bürgerbegehren oder Volksabstimmungen initiieren müssten, um Verwaltungsinformationen oder Antworten auf Fragen zu erhalten, wenn sie nicht Mitglied des Gemeinderats sind. Diesen Einwand habe ich sehr ernst genommen; das muss ich als Kommunalminister auch, denn das muss in der Tat gewährleistet sein. Deswegen habe ich das einmal sehr genau prüfen lassen und komme zu dem Ergebnis: Ich muss Ihnen da widersprechen.
Auch für die kommunale Ebene – das hat Kollege Wolf schon zutreffend gesagt – gewährt das geltende Recht, weil wir schon immer eine moderne, fortschrittliche Kommunalverfassung hatten und nach wie vor haben – das war und ist das Markenzeichen von Baden-Württemberg –, den Bürgern bereits weitreichende Informations- und Beteiligungsrechte. Insbesondere die Gemeindeordnung enthält ja einige wichtige Informationsvorschriften.
Einige Beispiele: Der Gemeinderat unterrichtet die Einwohner der Gemeinde durch den Bürgermeister über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der Gemeinde, und bei wichtigen Planungen und Vorhaben der Gemeinde, die beispielsweise raum- oder entwicklungsbedeutsam sind oder das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl der Einwohner nachhaltig berühren, sollen die Einwohner der Gemeinde frühzeitig über die Grundlagen, Ziele und Auswirkungen unterrichtet werden.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber da wissen Sie, dass es vor Ort häufig Streit darüber gibt, was als wichtig gilt!)
Okay. Aber da haben die Bürger ihrerseits und vor allem auch die Gemeinderäte sehr wohl eine so starke Stellung, dass sie den Bürgermeister und die Verwaltung dazu zwingen können, alle Informationen offenzulegen, und zwar recht frühzeitig offenzulegen.
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das können nicht einmal die Abgeordneten bei der Landesregierung! Wenn Sie uns immer alles sagen würden, was wir wissen wollen!)
Die Gemeindeordnung sieht auch das Instrument der Bürgerversammlung vor. Auch dies ist ein Gremium, in dem Gemeindeangelegenheiten zu erörtern sind.
Außerdem können die Bürger direkt beantragen, dass der Gemeinderat eine bestimmte Angelegenheit behandelt.
Im Übrigen ist die Einwohnerschaft auch zur Teilnahme an den öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse eingeladen und kann sich dort auch im Rahmen der Fragestunden direkt an den Bürgermeister wenden, der zur Auskunft und Stellungnahme verpflichtet ist. Die Einwohner haben darüber hinaus auch das Recht – das muss man nur einmal nach außen hin deutlich machen –, Einsicht in die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats zu nehmen, und zwar auch dann, wenn sie an der Sitzung selbst nicht teilgenommen haben.
Wenn ich vorhin gesagt habe – damit ich nicht vergesse, das anzusprechen –, man brauche eigentlich keine gesetzlichen Vorgaben, wenn man Demokratie, Transparenz und Mitwirkung der Bürger ernst nehmen will und dies tut: Fragen Sie einmal die Bürgerinitiativen, die aktiv sind und sich sehr kompetent und sachbezogen in die Diskussion über das dritte und vierte Gleis der Rheintalbahn einbringen. Dort gibt es mittlerweile über 90 000 Widersprüche. Die Bürgerinitiativen bringen sich Seit an Seit mit den kommunalen Vertretern, mit den verfassungsrechtlich legitimierten Vertretern mit hoher Kompetenz in dieses Verfahren ein.
Da sage ich Ihnen, was die Bürgerinitiativen Ihnen auch bestätigen würden: Es geht nicht eine einzige Information über meinen Schreibtisch, die nicht auch den Bürgerinitiativen zugänglich wäre und kommuniziert würde. Das ist Transparenz. Dazu brauche ich kein Gesetz, das mich dazu zwingt, sondern es ist eine pure Selbstverständlichkeit, in Fragen von solch großer Bedeutung für eine ganze Raumschaft, für das ganze Land, alle, die daran mitwirken wollen, auch sachgerecht einzubeziehen. Das tun wir. Die Landesregierung nimmt dies sehr ernst. Dazu müssen wir nicht durch ein Gesetz gezwungen werden.
Sie sehen also, die Kritik ist unberechtigt und kein überzeugendes Argument für ein Informationsgesetz. All dies zeigt, dass wir in Baden-Württemberg kein Informationsfreiheitsgesetz brauchen. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf der Grünen ab.
Frau Kollegin Vogt, ich will das aufgreifen, was Sie gesagt haben, allerdings ein wenig umgewandelt. Der Tag hat aus meiner Sicht eigentlich nicht schlecht begonnen, wie Sie gemeint haben.
(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Aber aus gelber Sicht! – Abg. Ute Vogt SPD: Ich habe mehr die FDP/ DVP gemeint!)
Ich weiß. Darum sage ich: aus meiner Sicht. Deswegen machen wir kein Gesetz, das wir nicht brauchen, damit der Tag auch gut endet.
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Es kommt noch das Bestattungsgesetz, Herr Innenminister! – Heiter- keit)
Sie haben mit einem Zitat von Bloch erwidert, der das Prinzip Hoffnung hervorhebt. Herrmann Hesse ist für eine Erwiderung eigentlich zu ernsthaft und auch innerlich zu sehr zerrissen, als dass man ihn jetzt zitieren müsste. Ich tue es trotzdem, etwas abgewandelt und nicht ganz ernst gemeint. Sie bringen diesen Antrag ja immer wieder ein und geben die Hoffnung offensichtlich nicht auf, dass diese ständig wiederholten alten Argumente irgendwann zur Erlahmung führen und wir dem Drängen nachgeben. Aber um das endgültig klarzustellen, zitiere ich jetzt doch Hermann Hesse – wie gesagt, leicht abgewandelt –:
Erst wenn du jeder Hoffnung entsagst, nicht Ziel und nicht Begierde kennst, das Glück nicht mehr beim Namen nennst, dann reicht dir des Geschehens Flut nicht bis ans Herz, und deine Seele ruht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der vorläufigen neuen Geschäftsordnung hätte jetzt, nachdem der Minister mehr als zehn Minuten gesprochen hat, jede Fraktion weitere Redezeit.
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Oh ja! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sollen wir jetzt auch Hermann Hesse zitieren? – Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)
Ich müsste, wenn dies gewünscht wird, den Fraktionen zusätzliche Redezeiten zuteilen. Aber ich frage Sie: Wollen Sie dies überhaupt?
Ich wollte die Regierung nur darauf aufmerksam machen: Wenn wir eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion haben, sollen nach der neuen Geschäftsordnung die Fraktionen zusätzliche Redezeiten bekommen, wenn die Regierung länger als zehn Minuten redet.
(Zuruf von der CDU: Das wäre vielleicht kurzweilig! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die Hälfte der Rede des Ministers war ja Lyrik!)