Protocol of the Session on February 12, 2009

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Herr Cle- ment war ganz anderer Meinung!)

Tariftreue, übrigens auch Mindestlöhne. Soziale Gerechtigkeit ist ein Wachstumsfaktor.

(Beifall bei der SPD)

Das sind genau die klassischen Staatsaufgaben, und es sind die modernen Staatsaufgaben.

Herr Minister, Ihr neuer bayerischer Kollege verlangte von der CSU: „Als Wirtschaftsminister brauche ich die Zuständigkeit für die Infrastruktur, sonst bin ich als Wirtschaftsminister abgeschnitten von Gestaltung.“

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! – Abg. Ingo Rust SPD: Recht hat er!)

Es bleibt nur die Verteilungskleckerei. So ist es bei uns.

(Abg. Ingo Rust SPD: Recht hat er!)

Wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht Ihrem Kollegen Zeil in München. Er ist nämlich Infrastrukturminister geworden.

Unsere ausgehöhlte Wirtschaftspolitik ist in großen Teilen ineffektiv und verschwendet Ressourcen. Der Haushalt ist für die Maßstäbe unseres Landes zu schlecht.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg steht vor einer harten Belastungsprobe. Die Nachfrage ist bereits im letzten Quartal des letzten Jahres massiv eingebrochen, sodass wir für das ganze Jahr 2008 lediglich auf ein Wachstum von 0,7 % kommen. Die Aussichten für das Jahr 2009 sind nicht rosig. Für das erste Quartal wird vom Statistischen Landesamt ein Wachstum von minus 4 % vorausgesagt.

Wir können täglich in der Zeitung lesen, wie der Dominoeffekt – angefangen bei der Automobilindustrie – immer weiter auf andere Branchen übergreift. Wir lesen Nachrichten über Entlassungen und über Insolvenzen – von Märklin über Micronas bis hin zu Schiesser. Auch im Konjunkturbericht des Handwerks, der uns dieser Tage zugegangen ist, können wir lesen, dass der Trend für das Handwerk klar nach unten zeigt.

Wir hatten schon bei der gestrigen Debatte häufig die Einlassung, dass im Maschinenbau im vierten Quartal 2008 ein Rückgang an Aufträgen in Höhe von 36 % zu verzeichnen war. Stuttgart gilt mittlerweile als Hauptstadt der Kurzarbeit, weil binnen drei Monaten die Zahl der Kurzarbeiter von 10 000 auf 100 000 angestiegen ist.

Das sind alles dramatische Nachrichten, die wir derzeit hören können. Dennoch hören wir auch zuversichtliche Töne. Viele der Unternehmen sind davon überzeugt, dass sie heute besser aufgestellt sind als bei der letzten Krise. Sie sagen klar, dass sie auch diese Krise, so schwer sie im Moment auch sein mag, gut überstehen werden.

(Beifall der Abg. Dr. Ulrich Noll und Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Für uns Grünen ist klar, dass wir aus dieser Krise nur dann gestärkt hervorgehen, wenn wir Ökologie und Ökonomie zusammen denken. Es kann nicht sein, dass weiterhin steigende Ener giepreise, sinkende Ressourcenvorkommen und der zunehmende Klimawandel ignoriert werden. Wir müssen in Zukunft ökologisch handeln, um weiterhin ökonomisch erfolgreich zu sein.

Baden-Württemberg hat von der Aufschwungphase der letzten Jahre stärker als andere profitiert. Wir werden aber aufgrund unserer weltweiten Vernetzung, aufgrund der Tatsache, dass die baden-württembergischen Unternehmen Exportweltmeister sind, von dieser weltweiten Krise massiver gebeutelt als andere. Die Frage lautet: Welche Lehren ziehen wir aus dieser Krise, die absehbar war, die aber durch die Finanzmarktkrise natürlich massiv beschleunigt und verstärkt wurde? Es ist ganz klar: Die Botschaft lautet, dass kurzfristiges Denken, das nur auf schnelle und möglichst hohe Renditen zielt, für die es keinerlei Substanz gibt, dass eine solche Politik und ein solches Agieren auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn wir aus dieser Krise etwas lernen wollen, dann heißt das: Wir brauchen längerfristiges Denken und Handeln und eine Neuausrichtung der Wirtschaft. Wie ich gerade schon gesagt habe: Knapper werdende Ressourcen, steigende Energiepreise – das wird langfristig so sein, auch wenn es im Moment eine Preisdelle gibt – und der zunehmende Klimawandel müssen in Zukunft zusammen mit Wirtschaft gedacht werden. Der Klimawandel wartet nämlich nicht darauf, wann die Konjunktur gut ist. Wir wissen auch, dass dann, wenn wir nicht handeln, der Klimawandel gigantische volkswirtschaftliche Folgekosten haben wird.

Andererseits bieten sich aber genau in diesem Bereich mit energie- und ressourcensparenden Produkten und Produktions verfahren und klimafreundlichen Ansätzen weltweit neue Absatzmärkte. Es ist eine wirtschaftliche Chance, die sich hier – gerade für Baden-Württemberg – den innovativen Unternehmen, die wir im Land haben, bietet.

Meine Damen und Herren, der Weg aus der Krise heißt also nicht „Weiter so!“, sondern wir brauchen eine konsequente Neuausrichtung, und zwar hin zu einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn wir heute den Einzelplan des Wirtschaftsministeriums diskutieren, dann sollte man erwarten, dass darin eine Antwort auf die derzeitige Situation zu finden ist. Immerhin hat gestern Ihr Kollege Mappus gesagt, es gebe ein kraftvolles Krisenmanagement der Landesregierung. Wenn wir uns diesen Haushalt des Wirtschaftsministeriums ansehen, dann finden wir von kraftvollem Krisenmanagement oder von neuen Impulsen für eine Neuausrichtung der Wirtschaft leider keine Spur, Herr Minister Pfister.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das war aber lieb- los!)

Aber vielleicht müssen wir ja auch schon froh und dankbar sein, wenn wir in Baden-Württemberg nicht das Schicksal des Bundes teilen und der Wirtschaftsminister nicht mitten in der Krise „den Lafontaine macht“ und das Handtuch wirft, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber das reicht uns natürlich nicht.

Wenn es schon im Einzelplan keine Impulse gibt, dann können wir uns fragen: Gibt es denn Impulse bei den Anträgen der Regierungsfraktionen? Es ist sicher einiges dabei, was wir gut und richtig finden. Die bessere Ausstattung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Handwerks und auch die bessere Ausstattung der Kontaktstellen „Frau und Beruf“ waren längst überfällig. Aber insgesamt sehen wir, dass z. B. Anträge wie die auf Erhöhung der Zuschüsse für Leistungsschauen – Kollege Prewo hat es ausführlich dargestellt – keine neuen Impulse geben, um die wirtschaftliche Krise, in der wir uns derzeit befinden, tatsächlich zu überwinden.

Man sieht es auch, wenn man die Zahlen betrachtet. 633 Millionen € beträgt das Volumen dieses Haushalts. Die Regierungsfraktionen haben mit ihren Haushaltsanträgen von dem „Spielgeld“ 2,1 Millionen € ausgegeben. Das nimmt sich doch recht bescheiden aus, wenn wir uns im Vergleich dazu die globale Minderausgabe ansehen. Sie betrug im Jahr 2008 noch 7,3 Millionen €. 2009 hat sich ihr Umfang mit 15,5 Millionen € mehr als verdoppelt.

Herr Minister Pfister, wie wollen Sie bei dem Haushaltsvolumen, das Sie zur Verfügung haben, einen solchen Betrag einsparen? Entweder Sie nehmen den Rasenmäher und kürzen über alles hinweg, oder Sie müssen Förderprogramme vielleicht so gestalten, dass die betreffenden Mittel nicht abgerufen werden, da die Programme zu kompliziert sind oder am Bedarf vorbeigehen. Mit dieser globalen Minderausgabe von 15,5 Millionen € für ein Jahr wird die Handlungsfähigkeit des Wirtschaftsministeriums weiter deutlich eingeschränkt.

Wenn wir jetzt über den Einzelplan 07 abstimmen sollen, dann haben wir natürlich auch das Problem, dass die Mittel für das Konjunkturprogramm, das noch zu beraten und zu verabschieden ist, darin gar nicht enthalten sind. Die Abstimmung ist also mehr oder weniger Makulatur, weil sich noch einiges verändern wird. Damit heißt es für uns Grüne, dass wir mit diesem Haushaltsentwurf alles in allem nicht zufrieden sind.

(Beifall bei den Grünen)

Gestern hat der Ministerpräsident gesagt, dass die Landesregierung beabsichtige, sich nach der Umsetzung des Konjunkturpakets II intensiv mit beruflicher Bildung zu beschäftigen, weil es einen Fachkräftemangel gibt. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Warum beschäftigen Sie sich erst danach damit, und warum beschäftigen Sie sich nicht in diesem Haushalt mit dem Thema Fachkräftemangel? Auch das Wirtschaftsministerium sagt, es sei kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem. Insofern lieber früher anfangen als zu spät. Wir haben hier schon seit vielen Jahren Versäumnisse.

Wir haben einen Antrag eingebracht, in dem es um eine Weiterbildungsoffensive für Migrantinnen und Migranten geht. Sie wissen, dass nach Schätzungen ungefähr 500 000 Akademikerinnen und Akademiker ausländischer Herkunft in Deutschland leben, die weit unter ihrer Qualifikation arbeiten, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden. Wenn wir sagen, dass wir Potenziale nutzen wollen, die im Land vorhanden sind, wenn wir sagen, dass hoch qualifizierte Arbeitskräfte in Zukunft mehr und mehr gefragt sind, dann ist es doch ganz entscheidend, zu einer erleichterten Anerkennung dieser Abschlüsse zu kommen und durch Anerkennungsqualifizierung Unterstützung zu leisten. Das haben nicht nur wir erkannt, sondern auch die Bundesagentur für Arbeit sagt mittlerweile, dass hier dringender Handlungsbedarf bestehe. Daher fragen wir uns: Warum sperren Sie sich gegen diese Erkenntnis, und warum stimmen Sie unserem Antrag nicht zu, wenn auch Sie gegen den Fachkräftemangel etwas unternehmen wollen?

(Beifall bei den Grünen)

Der zweite Punkt, den ich noch herausgreifen möchte, ist das Thema Innovation. Klar ist, dass wir nur dann gestärkt aus der Krise hervorgehen können, wenn unsere Unternehmen und auch das Handwerk innovativ sind und neue Produkte, neue Verfahren entwerfen, mit denen sie auf dem Markt erfolgreich agieren können.

Jetzt haben wir ein Programm „Innovationsgutscheine“, das Herr Minister Pfister zusammen mit den Regierungsfraktionen aufgelegt hat. Dieses Programm kommt gut an, und es kann gerade den 129 000 Handwerksbetrieben im Land helfen, denn sie können nachfrageorientiert zusammen mit Wissenschaft und Forschung ihre Produkte weiterentwickeln. Wenn Sie der Ansicht sind, dass wir mehr Innovation brauchen, dann ist das ein richtiger Schritt, und wir fordern Sie auf, unserem Antrag, die Mittel für die Innovationsgutscheine aufzustocken, zuzustimmen.

(Beifall bei den Grünen)

Schließlich, meine Damen und Herren, ein allerletzter Punkt: das Thema Wohnungsbau. Kollege Löffler hat positiv hervorgehoben, dass es jetzt neu eine Mietwohnraumförderung an Hochschulstandorten gibt. Wir finden es gut, dass es diese Mietwohnraumförderung gibt. Wir haben sie seit Jahr und Tag gefordert, und zwar insbesondere für die Hochschulstandorte.

Problematisch daran ist aber, dass es bis jetzt eine einmalige Aktion ist. Sie ist nämlich aus Resten, also aus nicht abgerufenen Mitteln, zur Verfügung gestellt worden. Deswegen ist für uns ganz entscheidend, dass dieses Programm der Miet

wohnraumförderung nicht nur 2009 stattfindet, sondern in den Folgejahren fortgesetzt wird. Das wäre entscheidend, um zu erreichen, dass Kontinuität hineinkommt, damit wir dem Wohnungsmangel an Hochschulstandorten und in Groß- und Universitätsstädten wirklich begegnen können.

Zu den energiepolitischen Fragen wird in der zweiten Runde mein Kollege Untersteller reden.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Zum Schluss war es wirklich besser!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine Frage: Die wirtschaftliche Situation ist im Moment dramatisch. Diese Dramatik trifft die baden-württembergische Wirtschaft mit besonderer Härte. Die baden-württembergische Wirtschaft ist stärker als die Wirtschaften anderer Bundesländer

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

von der Automobilindustrie und vom Export abhängig. Deshalb – Frau Kollegin Sitzmann hat das angesprochen – ist für dieses Jahr ein Einbruch in der Größenordnung von 4 % des Bruttoinlandsprodukts, wie wir ihn zuletzt im Jahr 1993 erleben mussten, durchaus zu erwarten.

Allerdings ist auch deutlich: Die baden-württembergische Wirtschaft ist gut aufgestellt. Die baden-württembergische Wirtschaft hat sich in den Krisen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte insgesamt so restrukturiert, dass wir davon ausgehen können, dass wir aus diesem konjunkturellen Tränental relativ rasch wieder herauskommen.