(Anhaltender Beifall bei der FDP/DVP – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Lauter Leichtmatrosen!)
Meine Damen und Herren, inzwischen hat auf der Zuhörertribüne der Präsident des Südtiroler Landtags, Herr Dr. Dieter Steger, mit seiner Delegation Platz genommen. Herr Präsident Dr. Steger, der seit dem 18. November 2008 im Amt ist, stattet heute dem Landtag von Baden-Württemberg seinen ersten offiziellen Besuch ab.
Ich darf daran erinnern, dass unsere beiden Parlamente seit Jahrzehnten enge und freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Herr Dr. Steger, ich darf Sie und Ihre Delegation im Landtag von Baden-Württemberg herzlich willkommen heißen und Ihnen einen informativen und angenehmen Aufenthalt in Stuttgart wünschen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs will ich dem Finanzausschuss für die intensive und sachbezogene Beratung des Regierungsentwurfs und für seine Empfehlungen danken. Ich nenne namentlich die Herren Rust, Dr. Schmid, Herrmann und Groh, die den Haushalt des Staatministeriums sachkundig begleiteten.
Mein Dank gilt weiter dem Finanzminister, dem Kollegen Stächele, und zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzministerium und in anderen Ressorts für eine kompetente Vorbereitung. Ich glaube, dass der Haushalt des Landes Baden-Württemberg für 2009 in die Zeit passt und den Aufgaben gerecht wird.
Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, um Ihnen heute die Position der Regierung zu den Schwerpunkten der Politik für 2009 vorzutragen. Dies gilt für wesentliche Aufgaben der Landespolitik sowie für wichtige Aufgaben der deutschen Innenpolitik.
Zunächst ein Blick zurück: Vor einem Jahr haben wir versprochen, dass wir im Jahr 2008 keine neue Schulden machen wollten. Heute können wir sagen: Wir haben dieses Versprechen gehalten.
Dies betrifft nicht allein Baden-Württemberg. Aber für unser Land gilt: Nachdem auch Baden-Württemberg – wenn auch maßvoller und weniger als andere Länder – über 36 Jahre hinweg jährlich neue Schulden gemacht hat, haben wir im letzten Jahr erstmals nach 36 Jahren einen Haushalt ohne neue Schulden geplant, beschlossen und vollzogen und im Kassenabschluss jetzt den Nachweis erbringen können, dass BadenWürttemberg im letzten Jahr mit den Steuern, Abgaben, Beiträgen und Gebühren seiner Bürgerinnen und Bürger ausgekommen ist, alle Aufgaben und Ausgaben finanziert hat und das Versprechen einer Nullneuverschuldung im Jahr 2008 auch eingehalten hat. Ich finde, das ist eine beachtliche Zwischenbilanz.
Wenn der Kollege Kretschmann dazu sagt, dass wir nur sprudelnde Steuereinnahmen mitgenommen hätten, ist dies nur ein Teil der Wahrheit. Und wer die Wahrheit nicht ganz sagt, sagt im Grunde genommen fast die Unwahrheit.
Natürlich stimmt es, dass Baden-Württemberg durch steigende Steuereinnahmen und Steuerschätzungen mit steigenden Prognosen besondere Chancen für die Haushaltssanierung bekommen hat. Nur: Zum einen haben wir sie genutzt. Wir haben Steuermehreinnahmen nicht verbraucht.
(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Im Gegensatz zu anderen! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ob- wohl die Opposition darüber gemeckert hat!)
Wir haben damit nicht verschiedene Wünsche aus allen möglichen Bereichen realisiert, sondern wir haben steigende Steuereinnahmen zuallererst zur Bildung von Rücklagen genutzt.
Deswegen haben wir für viele Schwerpunkte der Landespolitik nicht nur das Jahr 2009 finanziert, sondern wir haben eine Vollfinanzierung vorgenommen: der Umbau des Landeserziehungsgelds, der Ausbau der Kleinkindbetreuung, die Vollfinanzierung des Impulsprogramms Baden-Württemberg oder die Rücklage für Baden-Württemberg 21. Wir haben eine große Summe von Steuermitteln nicht verbraucht, nicht einfach für sinnvolle oder weniger sinnvolle Zwecke eingesetzt, sondern thesauriert. Durch diese Struktur erreichen wir, dass für die künftigen Haushalte – dort, wo es neue Aufgaben und Ausgaben gibt – nicht das Risiko der nächsten Jahre, sondern die Sicherheit der Steuereinnahmen 2008 die Finanzierungsgrundlage ist.
Hinzu kommt, dass ein stolzer Betrag von 717 Millionen € als Rücklage für Steuermindereinnahmen und für weitere Haushaltsrisiken aufgebaut worden ist – „Aktion Eichhörnchen“ also. Dieser Betrag wird nicht versteckt. Dieses Geld steht dann bereit, wenn – was wir befürchten müssen – die Rezession zu sinkenden Steuermehreinnahmen oder gar zu Steuermindereinnahmen führt. Dann kann Baden-Württemberg in nennenswertem Umfang Rücklagen aus dem guten Haushaltsjahr 2008 für Zeiten mit einer schlechten Konjunktur, mit Rezession und mit schlechter werdenden Steuereinnahmen in den Jahren 2009 oder 2010 vorweisen.
Hinzu kommt: Unser Grundstock ist besser als jemals zuvor gefüllt. Wir haben, wie langjährig üblich, aus dem Grundstock nichts entnommen, obwohl es im Landeshaushalt veranschlagt war. Deshalb stehen rund 245 Millionen € aus nicht entnommenen Mitteln des Grundstocks zum Ausgleich für gegebenenfalls schlechter werdende Steuereinnahmen bereit.
Konkrete strukturelle Maßnahmen kommen hinzu. Der Landeshaushalt 2009 baut wie der von 2008 auf einer Vielzahl von solidarischen Pakten mit unseren Partnern in der Fläche auf. Wir haben einen Pakt mit den Kommunen, der im nächs ten Jahr – Ende 2010 – auslaufen wird. Wir haben entsprechende Vereinbarungen mit den Kirchen, mit den Verbänden des Sports, mit allen Hochschulen in Baden-Württemberg. Das heißt, wir haben in vielen Bereichen die Mittel gedeckelt. Wenn dann die Wirtschaft wächst und die Steuereinahmen wachsen, kommt dies dem Landeshaushalt zugute – ich behaupte: bis hin zu einer maßvollen Lohnentwicklung bei unseren Beschäftigten. Wir haben auch durch strukturelle Maßnahmen in den letzten beiden Jahren und in diesem Jahr einen wichtigen Sparbeitrag für einen guten Haushalt erreicht. Nicht nur die sprudelnden Einnahmen, auch die entsprechende Strukturarbeit der Landesregierung und von CDU und FDP/ DVP sind dafür verantwortlich, dass Baden-Württemberg einen guten Kurs einschlagen konnte.
2009 wird ein Jahr der Gratwanderung, der Gratwanderung auf Landesebene und über den Bundesrat auch in der Bundespolitik. Bei dieser Gratwanderung ist zu sehen, dass einerseits Beschäftigungssicherung, dass Arbeitsplätze und dass eine
Abmilderung und Verkürzung der Rezession der Wirtschaft überragende zentrale Aufgaben sind und man andererseits die Haushaltskonsolidierung trotzdem nicht aufgeben darf. Dies haben wir vor.
Schauen wir einmal die Entwicklung der öffentlichen Kassen bundesweit an. Ich gehe – Stand heute – davon aus, dass die öffentliche Hand in Deutschland in diesem Jahr eine neue Rekordverschuldung eingehen wird. 80 Milliarden € neue Schulden werden es wohl in diesem Jahr sein, und in der Tendenz eher mehr als 80 Milliarden € im Jahr 2010. Die Risiken des Finanzmarktfonds kommen dann später hinzu.
Wir hatten 2003 und 2004 bundesweit eine Rekordverschuldung. Damals hat man etwas über 70 Milliarden € an neuen Schulden durch die öffentlichen Hände gemacht. BadenWürttemberg hat selbst mit 2 Milliarden € neuen Schulden in den Jahren 2003 und 2004 daran mitgewirkt. Wenn es uns in diesem Jahr gelingen sollte, dass Baden-Württemberg bei einer Rekordverschuldung der öffentlichen Hände den zweiten Haushalt ohne neue Schulden planen und vollziehen kann, wären wir weit vor den anderen, wären wir auf einem denkbar guten Weg für die nächste Generation.
Schauen wir im Vergleich einmal ein anderes, das größte Bundesland an – ich nenne bewusst kein sozialdemokratisch regiertes Land. Nordrhein-Westfalen hat im Haushaltsentwurf 2009 neue Schulden in Höhe von 3,1 Milliarden € vor und wird seine Kofinanzierungsbeiträge für das zweite Konjunkturpaket in vollem Umfang aus weiteren Schulden finanzieren. Man kann davon ausgehen, dass dieses Land etwa 4 Milliarden € neue Schulden machen wird. Das wäre, wie wenn Baden-Württemberg in diesem Jahr 2,3 Milliarden € neue Schulden machen würde – und wir planen null.
Ich glaube daher schon, dass sich unser Haushalt 2009, auf dem Haushaltsabschluss 2008 aufbauend, von Rücklagen begleitet, bundesweit im Ländervergleich und gegenüber dem Bundeshaushalt als einmalig gut darstellen kann, und dies nicht zulasten der Kommunen. Vielmehr geht es auch den Kommunen in Baden-Württemberg besser als jemals zuvor.
Wir haben unsere Haushaltspolitik nicht zulasten Dritter aufgebaut, sondern wir stehen in fairer Beziehung zum Ehrenamt, zu kommunaler Selbstverwaltung. Die Kommunen haben in den letzten Jahren in Baden-Württemberg nennenswert Schulden getilgt, Rücklagen aufgebaut, die Kreisumlagen gesenkt und mehr denn je investiert. Dieser faire Pakt der Landespolitik mit den Bürgern, den Kommunen, den Vereinen, den Kirchen wird auch in Zukunft unsere Linie für die Gratwanderung zwischen Beschäftigung und Haushaltskonsolidierung sein.
Heute lesen wir in der Zeitung, dass der Maschinenbau in Baden-Württemberg bei den Auftragseingängen einen Rückgang um 36 % verkraften muss. Machen wir uns nichts vor: Wir sind noch nicht an der Talsohle der Rezession und der Krise der Wirtschaft und der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt angelangt. Die Wirtschaft ist schon mitten in der Krise, aber der Arbeitsmarkt folgt erst noch.
Die Zahl der Kurzarbeiter hat sich in Baden-Württemberg verzehnfacht. Die Entwicklung ist überall klar. Wir haben moderne Tarifverträge. Wir haben Lohnkonten; dort stehen Überstunden, die jetzt als Erstes abgebaut werden. Dies wird im Frühjahr abgebaut sein. Parallel dazu baut sich Kurzarbeit auf und geht die Zahl der offenen Stellen nennenswert zurück. Dann droht auch die Gefahr der Insolvenz, die Gefahr, dass Arbeitsplätze wegfallen, Sozialplan oder Kündigung notwendig werden. Deswegen muss unsere gemeinsame Sorge darin bestehen, zu erreichen, dass die Wirtschaft in Baden-Würt temberg diese Zeit der Krise übersteht und überlebt. Das ist eine Zeit, die mit Sicherheit bis zum Sommer 2010 reichen wird.
Unsere Wirtschaft hängt wie in keinem anderen Land in besonderem Maße vom Export in andere Märkte ab. Eine Entwicklung, dass man weltweit in Rezession liegt, dass Autos, Maschinen und Pressen, die bei uns hergestellt werden, derzeit nirgendwo abgenommen werden – weder in Amerika noch in Asien, weder in Russland noch in Westeuropa –, ist eine einmalige Situation.
Das Gute daran ist, dass wir nicht von der Konsumgüterindus trie, sondern von der Investitionsgüterindustrie leben. Wer nicht konsumiert, hat später keinen Nachholbedarf. Wer nicht investiert, hat einen Nachholbedarf. Das heißt, wer derzeit von Schuler oder Müller Weingarten keine Presse für Stahl- und Blechbearbeitung kauft, wer derzeit seinen Lkw länger fährt und keinen neuen Lkw bei Mercedes-Benz in Mannheim oder Wörth bestellt, hat in zwei Jahren einen doppelten Investi tionsbedarf.
Deswegen geht es darum, dass unsere Wirtschaft bis zur Realisierung dieser absehbar steigenden, nachzuholenden weltweiten Investitionen überlebt, innovativ bleibt, forscht und entwickelt und dann mit noch besseren Produkten einen noch größeren Anteil am Weltmarkt einnehmen kann. Kurzum: Ich baue darauf, dass die Wirtschaft Baden-Württembergs zwar die Rezession durchleiden und den Weg durch ein tiefes Tal gehen muss, aber dann Ende nächsten Jahres für den Arbeitsmarkt, für die Ausbildung und auch für die Steuereinnahmen gestärkt in die Zukunft geht.
Wir haben eine Chance, weil das Konjunkturpaket des Bundes die Möglichkeit der Kurzarbeit deutlich ausgebaut hat.
Das ist eine zielgenaue, richtige Investition. Sie wurde von sechs Monaten auf 18 Monate verlängert. Die Chance der beruflichen Weiterbildung kommt hinzu. Sobald dieses Programm verabschiedet ist, werden wir uns dem Thema „Berufliche Weiterbildung“ in Baden-Württemberg in besonderem Maße
gemeinsam mit der Agentur für Arbeit, gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften, die bei diesem Thema in besonderem Maße sachkundig und interessiert sind, widmen. Wir sollten alles tun, damit unsere Facharbeiter, Ingenieure und Techniker in zwei Jahren zwar zwei Jah
Eine besondere Sorge spreche ich mit dem Thema „Hochschulabsolventen und junge Meister“ an. Wir laufen Gefahr, dass diejenigen, die als Ingenieure, Naturwissenschaftler, Techniker und Meister jetzt fertig werden, die ihr Studium oder die duale Ausbildung abgeschlossen haben, wegen eines Stellenabbaus in der Wirtschaft auf Zeit nicht gebraucht werden. Das heißt, wir müssen jetzt Wege finden, damit derjenige, der fertig ist, trotz eines rezessiven Markts in Beschäftigung kommt. Denn wenn der junge Ingenieur jetzt keine Anstellung bekommt, entscheiden sich Abiturienten gegen ein Ingenieurstudium. Die Fehler, die in den Jahren 1993 bis 1995 von der Wirtschaft und auch in der Studienberatung gemacht worden sind, dürfen sich nicht wiederholen.
Wir brauchen in drei Jahren mehr Ingenieure, weswegen hier eine besondere Betrachtung des Arbeitsmarkts notwendig wird.
Dann brauchen wir handlungsfähige Banken. Wir erinnern uns: Wie haben wir in Brüssel und Straßburg, aber auch dem deutschen Bankenverband gegenüber, für unsere drei Säulen in der Finanzwirtschaft kämpfen müssen! Heute zeigt sich mehr denn je, dass die Volksbank, die Raiffeisenbank, die Genossenschaftsbank vor Ort und in der Region, daneben die Sparkasse als Kreissparkasse, Bezirkssparkasse oder Stadtsparkasse eigentlich die ideale Grundlage für Arbeitnehmer und für das Handwerk, für freie Berufe, für Handel und Mittelstand sind. Die Einlagen dort werden noch immer vom Bürger mit Vertrauen ausgereicht und münden direkt in die Finanzierung von Arbeitsplätzen im Handwerk ein.
Deswegen werden wir alles dafür tun, dass die Sparkassen und das Genossenschaftswesen strukturell europatauglich bleiben. Mehr denn je bin ich von diesen beiden starken Säulen neben den Geschäfts- und Privatbanken als dritter Säule für BadenWürttemberg als der richtigen Grundlage unseres mittelstandgeprägten Landes überzeugt.