Protocol of the Session on February 11, 2009

(Abg. Ute Vogt SPD: Nee, jetzt, Leute! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Korrektur angesagt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will noch einmal zwei Punkte aufgreifen, weil das, was die Kollegen von der SPD und den Grünen gesagt haben, so nicht stehen bleiben kann.

Mir geht es um das Thema Steuererleichterung, Herr Schmiedel. Was mich in der Diskussion immer stört, ist: In dieser Republik, vor allem in Berlin, können ja die Milliarden überhaupt nicht schnell genug ausgegeben werden. Das stört keinen Menschen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Aber immer, wenn es um die Entlastung des Mittelstands geht – bei dem Thema „Kalte Progression“ geht es um nichts anderes –, entdeckt man plötzlich die Seriosität von Finanzpolitik

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

und sagt, dass man so etwas nur tun dürfe, wenn die dadurch entstehenden Ausfälle quasi als Überschuss vorher erwirtschaftet werden. Das ist der erste Punkt, der mich wahrhaft stört, um es einmal klipp und klar zu sagen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bravo!)

Ich meine jetzt nicht nur das Konjunkturpaket – denn es geht gar nicht anders, als das fremdzufinanzieren –, sondern ich meine all das, was bis zum letzten Jahr lief. Für den Umweltschutz wurde 1 Milliarde € mehr ausgegeben, was ich für richtig halte.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, also!)

Aber da gab es über die Fremdfinanzierung keine Diskussion. Bei voll sprudelnden Steuerquellen hat es die Bundesregierung nicht geschafft, auch nur in die Nähe der Nullneuverschuldung zu kommen. Trotzdem waren all diese Ausgaben kein Problem.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wer stellt denn die Bundesregierung?)

Ich könnte viele andere Beispiele nennen, bei denen die Fremdfinanzierung nicht als Problem angesehen wurde. Nur bei dem Thema „Entlastung von unteren und mittleren Einkommen“ entdeckt man jetzt plötzlich die Seriosität von Finanzpolitik.

Übrigens – gehen Sie es einmal durch, Herr Kretschmann und Herr Drexler; Sie waren ja dabei, Sie haben ja zugestimmt –, mit Verlaub: Wie wird denn eigentlich die Schuldenbremse finanziert? Kein Land außer Baden-Württemberg wird in den Jahren 2010 und 2011 einen ausgeglichenen Haushalt haben – keines, auch Bayern nicht. Die Zahlungen, um die Schuldenbremse zu ermöglichen, also Zahlungen in Höhe von 50 % des Betrags von 800 bis 900 Millionen €, setzen aber exakt in dieser Phase ein, und zwar durch einen Vorwegabzug bei der Umsatzsteuer.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Das ist nichts anderes, als die Schuldenbremse mit Schulden zu finanzieren. Ich habe kein Problem damit. Aber Sie, die Sie zugestimmt haben, stellen sich jetzt hierhin und sagen, Steuererleichterungen dürfe man nur machen, wenn man sie vorher finanziert habe. Da sehen Sie die Widersprüchlichkeit Ihrer eigenen Aussagen.

Mir geht es nicht um die Entlastung von Reichen, Herr Schmiedel – damit wir uns da richtig verstehen. Von mir werden Sie nichts von Absenkung des Spitzensteuersatzes hören, um das einmal klipp und klar zu sagen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Von uns auch nicht! Vereinfachung!)

Ich halte allerdings auch nichts davon, zu sagen: Wir machen jetzt eine Reichensteuer. Allein schon der Begriff zeigt, worum es hier geht.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Da bist du schnell dabei, schneller als du denkst!)

Mir geht es um die Bezieher von unteren und mittleren Einkommen, die durch diese Bundesregierung – da sind wir zwei ja unverdächtig, wenn wir darüber diskutieren – in den letzten Jahren nicht nur nicht entlastet, sondern belastet wurden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte macht 25 Milliarden € im Jahr aus. Andere Steuern, für die wir teilweise nichts können, und auch die Kostenentwicklung im Energiesektor und anderes mehr haben die unteren und die mittleren Einkommen nun einmal überdurchschnittlich belas tet. Wenn Sie heute, wie es der Kollege Noll gesagt hat, beim 1,4-Fachen des Durchschnittseinkommens in Baden-Würt temberg den Spitzensteuersatz erreichen, dann ist doch klar, dass an diesem System etwas nicht mehr stimmt. Dann ist es, glaube ich, meine Damen und Herren, mehr als seriös, zu sa

gen: Die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen müssen jetzt entlastet werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Bundesregierung macht das in zwei Schritten: Kosten 25 Milliarden €, 6 Milliarden € jetzt über das Konjunkturpaket II, der Rest soll in der neuen Legislaturperiode kommen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Geht doch gar nicht!)

Ich kann nur sagen: Ich halte das für richtig, und ich glaube, es ist ein entscheidendes Signal. Denn Sie werden es nicht schaffen, jemandem auf der Straße zu erklären, dass in fünf Tagen 500 Milliarden € kein Problem sind, drei Wochen später in einer Woche 50 Milliarden € kein Problem sind, dass aber zusätzlich eine Steuerentlastung im Umfang von 19 bzw. 25 Milliarden € – wobei ja ein Teil, nebenbei bemerkt, über Multiplikatoreffekte wieder zurückkommt, denn diejenigen, die untere und mittlere Einkommen haben, legen das Geld nicht bei der Bank an, weil sie gar nicht das Geld dazu haben, sondern die geben den größten Teil in den Konsum – nicht möglich ist. Den Leuten zu erklären, das alles sei möglich, nur für sie gehe nichts,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist Volksver- dummung!)

das schaffen Sie nicht, das schaffen wir nicht, und deshalb ist es falsch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Jetzt noch kurz zur Landesbank Baden-Württemberg, Herr Kollege Kretschmann. Denn das, was Sie gesagt haben, ist – mit Verlaub – schlicht falsch.

Es gibt exakt drei Gründe,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Jetzt bin ich aber gespannt!)

die jetzt wirklich eindeutig gegen die Inanspruchnahme des SoFFin sprechen.

Ich fange mit dem eingängigsten Grund an, bei dem eigentlich schon die Kenntnis der vier Grundrechenarten ausreicht. Der SoFFin – der Ministerpräsident hat es gesagt – ist für drei Jahre angelegt. Er hat auch darauf hingewiesen: Das reicht ersichtlich eigentlich schon jetzt nicht. Wenn wir Glück haben, bekommen wir von der EU fünf Jahre genehmigt. Aber dann ist Schicht. Das heißt, in fünf Jahren haben wir genau das Problem, das wir heute haben, es sei denn, wir schaffen es bis dahin, genügend Eigenkapital zu thesaurieren. Das ist der Knackpunkt. Das bedeutet aber: Das, was ich erwirtschafte, abzüglich dessen, was ich für die Finanzierung aufwenden muss, die ich jetzt brauche, ist das, was für die Thesaurierung übrig bleibt.

Jetzt sind wir beim Punkt. Bisher war für die Inanspruchnahme des SoFFin eine Verzinsung von 9,5 % vorgesehen.

(Zuruf von der CDU: Da müssen wir schon wieder spekulieren!)

9,5 % bei 5 Milliarden € heißt, sie liefern knapp 500 Millionen € pro Jahr an den SoFFin ab nur für das Kapital, das Sie bekommen. Da ist noch kein Cent Gebühr für die Garantien

dabei. Bei 20 Milliarden € Garantien, die etwa veranschlagt waren, und 1 % Zins sind es noch einmal 200 Millionen €. Das heißt, wir müssten 700 Millionen € erwirtschaften und an den SoFFin abführen, und dann hätten wir noch keinen Cent Eigenkapital thesauriert. Das geht doch schlicht und ergreifend schon rein rechnerisch nicht.

Das Ganze ginge allenfalls dann – seit dem Thema Commerzbank habe ich Hoffnung, dass es in diese Richtung läuft –, wenn die Sätze des SoFFin wirklich deutlich nach unten gingen. Ich glaube ein Stück weit daran, denn wenn die Commerzbank, die 18 Milliarden € bekommen hat, 9,5 % abliefern muss, dann kann ich sagen: Die sind eigentlich schon pleite, bevor sie das Geld auf dem Konto haben. Denn das heißt, sie würden 1,8 Milliarden € pro Jahr an den SoFFin abliefern nur für die Bürgschaft, ohne auch nur einen Cent Garantie in Anspruch genommen zu haben. Das ist eher unwahrscheinlich. Aber ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass sie auf den Zinssatz kommen, den wir am Ende zahlen, wenn wir es so machen, wie wir es in Baden-Württemberg machen wollen.

Das ist der eigentliche Grund. Da geht es gar nicht um Ideologie. Da geht es um die vier Grundrechenarten und um die einfache Frage: Was kostet die Finanzierung des Eigenkapitals? Jeder Häuslebauer schaut darauf – vielleicht nicht bei den Grünen, aber jedenfalls beim Rest der Republik –, dass er das Geld zu den günstigsten Konditionen bekommt. Das macht er nicht aus Spaß an der Freud, sondern weil er das andere Geld, das übrig bleiben soll, braucht.

Zweiter Punkt: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass dann, wenn Bundespolitiker in der Bank sitzen, die mitbestimmen können, eine Entscheidung über den zukünftigen Bankenplatz, wo der Vorstand der LBBW sitzt, genauso abläuft, wie wenn der Bund nicht drin ist. Spätestens bei der von Ihnen genannten dritten Stufe, also bei e i n e r Landesbank in Deutschland – –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sind wir weg!)

Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass die Bank dann noch in Stuttgart stünde, wenn der Bund drin wäre. Schon bei Ihrer zweiten Stufe würde sie nicht mehr in Stuttgart stehen, weil die CSU jetzt bundespolitisch eben einen anderen Einfluss hat, vor allem dann, wenn er über entsprechende Mandate im Verwaltungsrat transportiert wird.

Deshalb kann ich nur sagen – ich drücke es einmal so aus –: Wir sind noch nie schlecht gefahren, wenn wir ohne Berlin entscheiden konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Deshalb, glaube ich, wäre es gut, wenn es dabei auch bleiben würde.

Deshalb denke ich: Ihre Argumente in Ehren, aber wenn Sie die vier Grundrechenarten bemühen und das letztgenannte Argument betrachten, dann sollten auch Sie für den Kurs sein, den wir in der Koalition gehen – gemeinsam übrigens mit der SPD.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.