hat sich um eine differenzierte Bewertung des Gesetzentwurfs bemüht. Das will ich, Herr Kollege Gall, ausdrücklich anerkennen.
Aber deutlich geworden ist eben auch, in welchen Regelungsbereichen wir unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Videoüberwachung: Da sagen Sie, die gehe zu weit. Es wird gesagt, es sei eine große Zahl von Personen betroffen, die keinen konkreten Anlass für eine Überwachung gegeben hätten. Lassen Sie mich deswegen ganz klar sagen: Auch wir wollen keine uferlose Ausweitung der Videoüberwachung. Deshalb begrenzen wir die Möglichkeit der Videoüberwachung auf Veranstaltungen und Ansammlungen mit besonderem Gefährdungsrisiko.
Für uns steht der Schutzgedanke im Vordergrund. Wir reden doch hier nicht über ein unbegründetes Anliegen der Polizei.
(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist Angstmacherei! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Quatsch! Grundrechtsbeschneidung, Herr Kollege!)
Es geht darum, wie die Polizei den Schutz der Bevölkerung bei bestimmten Veranstaltungen gerade auch vor dem Hintergrund der veränderten Bedrohungslage sicherstellen kann.
Das ist das zentrale Ziel der Polizei. Herr Kollege Blenke hat ja bereits darauf hingewiesen – ich will das hier nicht vertiefen –, wie sich die Sicherheitslage verändert hat. Das ist doch allen klar. Herr Kollege Sckerl, Sie sind doch auch dabei, wenn wir den Verfassungsschutzbericht im Innenausschuss miteinander besprechen. Die Polizei muss auf Bundes- und auf Länderebene nahezu wöchentlich von neuen Bedrohungsszenarien berichten.
Ich will deshalb deutlich machen, weshalb sich die derzeitige Regelung als nicht ausreichend erwiesen hat. Die Videoüberwachung, meine Damen und Herren, soll die Polizei in die Lage versetzen, im Entstehen begriffene Gefahren frühzeitig zu erkennen und nicht erst hinterher. Wenn die Polizei die Video kamera erst dann einschalten darf, wenn sie bereits erkannt hat, dass eine Person im Begriff ist, eine Straftat zu begehen, dann ist es zu spät. Dann ist der Nutzen einer solchen Videokamera mehr als begrenzt. Deswegen ist es folgerichtig, bei der Festlegung von Eingriffsschwellen eben nicht an den betroffenen Personen, sondern an dem besonderen Gefahrenpotenzial anzuknüpfen.
Herr Minister, noch einmal zur Videoüberwachung: Sie sagen, Sie wollten diese einsetzen, um ein Verbrechen möglichst gar nicht erst geschehen zu lassen.
Kennen Sie die Situation in London? London ist die mittels Videoüberwachung am besten überwachte Stadt der westlichen Welt. Kein einziger terroristischer Anschlag – die alle sehr bedauerlich und verdammenswert sind; da sind wir uns einig – wurde jedoch durch die Videoüberwachung verhindert. Was sagen Sie dazu?
(Abg. Thomas Blenke CDU: Wir wollen doch nicht Politik für London machen! – Abg. Hans Heinz CDU: Sie haben ja gar keine Ahnung! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)
Herr Kollege Sckerl, zunächst einmal will ich auf Folgendes hinweisen: Kommen Sie mir nicht mit London. Wir haben uns das doch auf einer Ausschussreise angesehen. Londoner Verhältnisse auf BadenWürttemberg transportieren zu wollen oder unsere Situation damit vergleichen zu wollen ist völlig unangebracht.
Das hilft schon deswegen nicht, weil diese Tausende von Kameras dann von vier oder fünf Polizeibeamten beobachtet werden.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das wäre in Ba- den-Württemberg nicht anders! Wir haben das Per- sonal gar nicht!)
Deswegen machen wir es ja auch nicht, Herr Kollege Sckerl. – Nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass zumindest die vereitelten, nicht zu ihrem „Erfolg“ gekommenen Kofferbombenanschläge durch Videokameras aufgeklärt worden sind.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sie sind aber nicht verhindert worden!)
Herr Kollege Sckerl, ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wenn Sie zwei Attentäter festnehmen und festsetzen – –
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Dazu brauchen Sie hoch spezialisierte Polizei, so wie bisher! Das war unser Erfolg!)
Herr Kollege Sckerl, aber hier wurde der Erfolg der Festnahmen maßgeblich durch die Videokameras herbeigeführt.
Dann können Sie z. B. schon Vernetzungsstrukturen erkennen und aufdecken. Das können Sie aber nur, wenn Sie Täter festgenommen und vernommen haben und das Umfeld abgeklärt haben. Wenn Sie die erst gar nicht ermitteln und nicht festnehmen, dann können Sie auch nie und nimmer wissen, was sich da im Umfeld noch tut, wo vernetzte Strukturen sind, wo möglicherweise Folgeanschläge geplant sind.
Herr Minister, können Sie bestätigen, dass die Attentäter, die Anschläge auf Nahverkehrszüge vorhatten – sie sind zum Glück aus technischen Gründen gescheitert –, aufgrund einer anlassunabhängigen Videoüberwachung in einem Bahnhof identifiziert und festgenommen werden konnten
und dadurch verhindert werden konnte, dass sie noch weitere Anschläge hätten verwirklichen können? Können Sie weiter bestätigen, dass der Mörder eines kleinen Kindes – ich glaube, das war in Berlin – aufgrund einer anlassunabhängigen Videoaufnahme in einem Linienbus identifiziert und festgenommen werden konnte?
All dies, Herr Kollege Blenke, kann ich in vollem Umfang bestätigen. Ich wäre schon dankbar dafür, wenn Herr Kollege Sckerl bestätigen könnte, dass dann, wenn ein Täter festgenommen wurde, zumindest dieser Täter schon keine zweite Tat begehen kann.
Das ist ganz einfach. Herr Kollege Sckerl, beantworten Sie mir einmal die Frage, was hätte geschehen können, wären die beiden Attentäter von Köln nicht festgenommen worden, nicht durch die Videokameras identifiziert worden.
(Abg. Thomas Blenke CDU: Die hätten das nächste Mal die Bombe besser gebaut! So ist es! Die hätten die Fehler das nächste Mal nicht mehr gemacht!)
Zumindest diese potenziellen weiteren Gefahren und weiteren Taten wurden durch die Festnahme verhindert. Ende der Durchsage auf dem Bahnsteig, Herr Kollege Sckerl.
Zweiter Punkt: Berufsgeheimnisträger. Sie haben das angesprochen. Bestimmte Berufsgeheimnisträger wie Geistliche und Anwälte
ich komme auf diese Differenzierung zu sprechen – erbringen eine höchst persönliche Dienstleistung, und zwar in einem besonderen Vertrauensverhältnis. Sie benötigen deshalb einen besonderen Schutz. Ich war auch viele Jahre lang Anwalt. Eine ausdrückliche Regelung – die wir bislang nicht hatten – wurde ja von allen Seiten im Grundsatz begrüßt. Wir haben in diesem Zusammenhang über die Frage diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, den Schutz der einzelnen Berufsgeheimnisträger unterschiedlich auszugestalten – das ist der Punkt –, insbesondere ob innerhalb der rechtsberatenden Berufe zwischen Strafverteidigern und sonstigen Anwälten unterschieden werden sollte.
Dazu möchte ich zunächst Folgendes feststellen: Heute, meine Damen und Herren, sieht das Polizeigesetz – von punktuellen Regelungen abgesehen – keine besonderen Regelungen zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern vor. Auch bei den Berufsgruppen, denen kein absoluter Schutz gewährt wird, sind Eingriffe nach der Neuregelung nur – ich zitiere – zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig. Eine wirksame Gefahrenabwehr und die Verhinderung schwerer Straftaten sind ganz wesentliche, verfassungsrechtlich legitimierte Aufgaben der Polizei. Sie berühren nicht allein das öffentliche Interesse, sondern auch die Grundrechte der Opfer solcher Straftaten. Bei der Schaffung von Erhebungs- und Verwertungsverboten ist deswegen natürlich eine sorgfältige Abwägung geboten.