und mussten bereits aufgeben. Insofern, liebe Frau Sitzmann: Wir haben eine neue Diagnose. Wir haben mit dem Postmindestlohn eine Erfahrung gewonnen. Sie sollte uns nicht dazu verleiten, auf diesem Weg fortzufahren.
Die Reaktion von Minister Scholz war ja eigentlich konsequent. In diesem neuen Gesetzentwurf hat er das Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gestrichen. Er hat also sehr wohl auch wahrgenommen, welche Folgen diese Gesetze haben. Das Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat er schlicht gestrichen und nur noch vom fairen Wettbewerb geredet. Aber wenn fairer Wettbewerb dazu führt, dass Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, dann stimmt irgendwo die Gewichtung nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: So ist es! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist für die Arbeitslosen unfair!)
Ich finde, der beabsichtigte Weg führt die Menschen in die Irre. Denn was bringt einem Arbeitnehmer in einer der unteren Lohngruppen ein staatlich verordneter Mindestlohn, wenn er keine Arbeitsstelle bekommt und ausschließlich von sozialen Transferleistungen leben muss?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau das ist es!)
Das will im Prinzip niemand. Da ist es besser, der Arbeitnehmer hat eine geregelte Tätigkeit und die Chance, sich zu beweisen und weiterzukommen, auch wenn der Staat ihm vorübergehend mit aufstockenden Leistungen helfen muss.
Um beim Thema der aufstockenden Leistungen zu bleiben, will ich nochmals betonen, dass nur die wenigsten Arbeitnehmer trotz Vollzeitarbeit dauerhaft auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Meist sind diese sogenannten Aufstocker solche Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer familiären Situation nur teilzeitbeschäftigt sind
und deshalb auch bei der Einführung eines Mindestlohns weiter auf staatliche Leistungen angewiesen wären.
Das Problem setzt sich auch in den Details der Gesetzentwürfe fort. Wie soll es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schaffen, aus den dort registrierten 70 000 Tarifverträgen die für die jeweilige Branche richtigen Bestimmungen herauszufiltern und Konkurrenzen der Tarifverträge zu lösen?
Warum sollen die Länder zur Kontrolle der Einhaltung der Mindestarbeitsbedingungen nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz einen riesigen Kontrollapparat aufbauen, wo doch die Zollverwaltung des Bundes bereits die Umsetzung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes kontrolliert? Warum sollen vor allem die Länder, wenn sie schon zuständig sein sollen, nicht auch über die entsprechenden Rechtsverordnungen im Bundesrat mit entscheiden können?
Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Deutschland vor allem den Menschen, die Arbeit suchen, mit diesen alten und umgestrickten Gesetzen keinen Gefallen tun.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Olle Kamellen!)
Die Befürchtungen, die die Landesregierung seit dem grundlegenden Kompromiss der Bundesregierung im letzten Jahr hatte, haben sich bestätigt. Es ist nicht gelungen, aus den vagen Formulierungen aus dem Jahr 2007 ein sinnvolles Gesetzespaket zu machen, das das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt nicht gefährdet. Deswegen wird das Land das Mindestlohngesetz so, wie es im Moment vorliegt, im Bundesrat auf jeden Fall nicht unterstützen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Prima! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Bravo!)
Jetzt sollten Sie ein bisschen den Mund halten. – Das Mindestarbeitsbedingungengesetz stammt aus dem Jahr 1952, als Ludwig Erhard Wirtschaftsminister war. Sie haben darauf hingewiesen, dass es nie angewandt wurde, weil in den ersten Jahrzehnten der Republik klar war, dass die unteren Tariflöhne Mindestlöhne sind, und zwar für alle. Es waren Tariflöhne. Es geht nicht um staatlich verordnete Löhne, sondern um Tariflöhne. Der Unterschied zwischen der Zeit Ludwig Erhards und heute ist, dass sich im Westen der Republik 30 % und im Osten 45 % der Arbeitsplätze Tariflöhnen entzogen haben.
Jetzt sagen Sie: Lasst es laufen. Da kommen Leute in Lohn und Arbeit. Die brauchen am Anfang ergänzende Sozialhilfe, und dann wird es irgendwie automatisch mehr.
Empirisch können Sie diese Theorie nicht belegen. Denn im Westen der Republik ist der durchschnittliche Niedriglohn von 7,25 € im Jahr 2004 auf 6,89 € im Jahr 2006 gesunken. Wenn man die Zahlen für 2008, die noch nicht amtlich vorliegen, aber erwartbar sind, zugrunde legt, dann geht es weiter nach unten.
Das, was Sie vorschlagen, ist: Lasst die Dinge laufen. Die Löhne entwickeln sich nach unten. Dann kommt der großherzige Staat und ersetzt den Menschen das, was sie brauchen, was ihnen der Arbeitgeber vorenthält. Das ist alles andere als eine christliche Politik, Frau Ministerin.
Ihr Beispiel mit der Post ist wenig plausibel. Denn wenn man die Dinge hätte laufen lassen, dann hätten zwar natürlich die se 6 000 Menschen, von denen Sie reden, für andauernd niedrigen Lohn oder immer weniger Lohn weiter gearbeitet, aber die guten, tarifgestützten Arbeitsplätze bei der Post wären unter Druck gekommen.
Dann hätte es auch in diesem Bereich niedrigere Löhne gegeben. Deshalb müssen Sie sich bei dieser Frage entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen wollen.
Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie auf der Seite derer stehen, die für gute Arbeit auch einen Lohn bekommen sollen, von dem sie leben können, oder wollen Sie es zulassen, dass durch eine Lohnspirale nach unten immer mehr Menschen unter das Existenzminimum gedrückt werden? Tun Sie doch nicht so, als wäre das etwas grundsätzlich Neues. Wir haben doch durch das Entsendegesetz schon Regelungen für Branchen getroffen. Wir haben sie in weiten Teilen im Baugewerbe, und wir haben sie im Reinigungsgewerbe.
Es ist für viele Menschen, die im Reinigungsgewerbe darauf angewiesen sind, mit niedriger Qualifikation eine Beschäftigung zu bekommen, ein Segen, dass sie nicht zu einem Lohn von 3 oder 4 € pro Stunde ausgenützt werden können, so wie Ihnen das vorschwebt.
Es ist sowieso ein merkwürdiger Vorgang. Es ist ein Gesetzentwurf, der durch das Bundeskabinett verabschiedet wurde, dem die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, vorsitzt. Manchmal hat man den Eindruck, dass Ihnen die Realitäten in der Republik völlig entgleiten.
Man kann über Einzelheiten in den Ausführungsbestimmun gen und anderes immer reden, aber es geht jetzt um den Grund satz. Wenn das Entsendegesetz zugrunde legt, dass gemeinsam von Arbeitgebern und Gewerkschaften beantragt werden muss – – Frau Sitzmann, es wird auch geregelt, wie das bei unterschiedlichen Tarifverträgen ist. Da gilt nämlich der Grund satz der Repräsentativität. Wer repräsentiert mit seinem Tarifvertrag eigentlich die Mehrheit der Beschäftigten mit über 50 %?
Und wer kommt mit einer ganz kleinen Zahl von Beschäftigten und Organisierten daher, um im Interesse eines unsauberen Wettbewerbs die Löhne zu drücken? Das ist alles geregelt. Deshalb macht man ja die Weiterentwicklung.