Heute sagt die Landesregierung, dass sie den Gesetzentwürfen, die in Berlin in den Bundestag eingebracht werden sollen, im Bundesrat nicht zustimmen will. Gerade der Ministerpräsident profiliert sich heute damit, dass er gegen Mindestlöhne ist und dass er der Bundeskanzlerin recht gibt, die sagt, es gebe z. B. in der Zeitarbeitsbranche überhaupt keine Dumpinglöhne.
Da fragen wir uns schon: Was hat sich seit der Erkenntnis des Ministerpräsidenten im April 2005 getan? Wenn wir uns die Bedingungen anschauen, dann sehen wir, dass sich die ökonomische Diagnose zwischen 2005, also der Zeit, aus der dieses Zitat des Ministerpräsidenten stammt, und heute nicht verbessert hat. Wir haben nach wie vor große Lohn- und Einkommensunterschiede in den einzelnen Ländern.
Wir haben viel Mobilität, was Arbeitskräfte betrifft, und wir haben das Problem, dass eben damit auch das Lohngefüge in vielen Ländern durcheinandergeraten ist.
Geändert hat sich einzig und allein die Rolle, die der Minis terpräsident gern einnehmen möchte. Er möchte sich bundespolitisch als Wirtschaftspolitiker profilieren.
Aber an den Grundlagen hat sich nichts geändert. Deswegen kann ich Ihre Haltung nicht akzeptieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer wieder vom Jubiläum der sozialen Marktwirtschaft gehört. Wenn Sie wirklich an den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die auf sozialen Ausgleich setzt, festhalten, dann heißt das, dass Sie sich für Lohnuntergrenzen und gegen Dumpinglöhne einsetzen müssen, meine Damen und Herren.
Es ist ja bezeichnend: Es gibt diesen vagen Kompromiss zwischen Bundeswirtschaftsminister Glos und Arbeitsminister Scholz. Trotz großer Mehrheit und sogenannter Großer Koalition war es ein verkorkster Formelkompromiss auf kleinstem gemeinsamen Nenner. Der Kompromiss war noch gar nicht verkündet, als schon ein vielstimmiger Chor losgebrochen ist, und zwar auch innerhalb Ihrer eigenen Reihen, weil dieser Kompromiss so viele Interpretationsspielräume lässt: Nach welchen Regeln werden denn künftig Tarifverträge für allgemein verbindlich erklärt? Diese Frage ist ungeklärt. Was passiert, wenn es mehrere Tarifverträge gibt? Auch diese Frage haben Sie nicht beantwortet.
Deshalb ist es auch gleich zu einem Hickhack innerhalb der Union gekommen. Der Präsident des Wirtschaftsrats sagte noch an dem Tag, an dem die Einigung verkündet worden ist, gegenüber der „Berliner Morgenpost“, dass er das Gesetz im Bundestag noch stoppen werde. Gerald Weiß, Vorsitzender der CDA, sagt: Der Kompromiss ist vernünftig; wir sollten ihn jetzt gemeinsam tragen.
Das zeigt: In der Großen Koalition gibt es nicht nur Streit zwischen Union einerseits und SPD andererseits, sondern Sie haben diesen Streit auch in Ihren eigenen Reihen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Es gibt auch bei denen ein paar Normale!)
Das ist das Problem. Ohne einen Mindestlohn, der nach unserer Ansicht nach Regionen und Branchen differenziert sein muss und bei dem tarifliche Lösungen Vorrang haben, werden wir gegen Dumpinglöhne nicht ankommen. Deswegen erwarten wir von Ihnen im Interesse der Beschäftigten eine verantwortungsvolle soziale Politik.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Guter Verdienst für gute Arbeit! Wer möchte dies nicht? Ich kenne viele Unternehmen und Handwerksbetriebe bei uns im Land, die dies genauso bejahen wie wir. Sie möchten ihre Mitarbeiter gut verdienen lassen. Wir alle wissen, dass gerade die mittelständischen Unternehmer mit ihren einzelnen Mitarbeitern mehr verbunden sind als Großunternehmer.
Viele Unternehmer sind schon in Konkurs gegangen, weil sie sagten: Ich muss die Leute halten; ich muss denen auch ordentliche Löhne zahlen, damit sie überleben können.
Meine Damen und Herren, Frau Sitzmann hat es schon richtig angeführt: Wir haben eine EU-Osterweiterung. Beim Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht im Jahr 1993 waren es 15 Länder. Heute sind 27 Mitgliedsstaaten in der EU. Diese EU agiert wie kommunizierende Röhren.
Wir haben nicht Norwegen und die Schweiz aufgenommen, sondern wir haben sehr viele arme Länder aufgenommen, die durch die Planwirtschaft, den Sozialismus ruiniert sind, deren Arbeitnehmern es heute schlecht geht und die wirklich bereit sind, zu allen Bedingungen zu arbeiten.
Darüber hinaus haben wir von 1980 bis 1998 ungefähr 15 Millionen Leute mit zum Teil relativ geringem Bildungsstand zuwandern lassen. Diese Leute müssen wir alle in Lohn und Brot bringen.
Meine Damen und Herren, dies können wir nur machen, wenn wir eine gewisse Produktivität haben, wenn wir langsam, aber
sicher die Armutsgrenzen anheben, in den anderen Ländern mehr Reichtum und mehr Einkommen schaffen und dann auch unsere Länder schützen können.
Die Überlegung von den Grünen und von der SPD ist gut gemeint. Aber es ist ein absolut löchriger Damm, meine Damen und Herren. Sie werden dies nicht schaffen. Es soll mir einmal jemand erzählen, wie er irgendeine Arbeitsagentur bzw. ein Unternehmen aus Lettland, aus Rumänien oder Bulgarien überprüfen will.
Da werden wir wieder eine Bürokratie aufbauen müssen, die auf den Firmen lastet. Wir installieren – da muss ich Herrn Wolf wirklich recht geben – eine Bürokratie nach der anderen.
Da müssen wir endlich einmal ansetzen. Ich nehme an, dass Herr Schmiedel das alles ernst nimmt, was er sagt.
Meine Damen und Herren, der momentane Wirtschaftsaufschwung ist rein exportgetrieben. Es ist beim Mittelstand wenig angekommen, es ist beim Handwerk wenig angekommen, es ist bei den viel gelobten Dienstleistungsanbietern wenig angekommen. Wir sind demnächst – so sagen manche Theoretiker – sozusagen eine Dienstleistungsnation. Ich freue mich, dass Professor Dr. Westkämper vom Fraunhofer-Institut sagt: Sie werden 80 Millionen Leute durch Dienstleistungen nicht ernähren können. Dafür brauchen wir Innovation, dafür brauchen wir gute Produkte. Die müssen hier produziert werden.
(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)
Bei Ihnen kann man wirklich sagen: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Sie waren nie draußen in der weiten Welt, haben nie etwas gearbeitet,
(Lebhafter Widerspruch bei der SPD – Abg. Rainer Stickelberger SPD: He, he, he! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Da wäre ich an Ihrer Stelle vorsich- tig!)
Es ist ein Witz, die Tarifautonomie anzugreifen. Da kann man sich nur wundern. Sie werden nur eines unterstützen, und das ist die Schwarzarbeit.