Protocol of the Session on June 28, 2006

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Es gibt im Moment im Land Baden-Württemberg viele Möglichkeiten, um auch schon mit solchen Modellen, wie Sie, Herr Kretschmann, sie genannt haben, zu beginnen. Ich bin der Meinung, dass auch da Best Practice, das Vorbild, sicherlich Wirkung erzielen wird. Das Ganze können wir ideal verwirklichen, wenn wir das machen, was wir klar vereinbart haben: Die Ressourcen im Bildungssystem bleiben erhalten, weil Bildung unsere oberste Priorität für die Menschen in diesem Land genießt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das bedeutet aber nicht gleich Stellen. Die Ressourcen, die Mittel bleiben erhalten. Schon in der letzten Legislaturperiode hat noch Frau Schavan als Kultusministerin hier an diesem Pult gesagt: „Wir können uns auch Mittel statt Stellen vorstellen.“ Nur: Die Mittel müssen in diesem Bereich bleiben. Genau nach diesem Motto werden wir verfahren. Dann liegt es in der Verantwortung von Schulkonferenz, Schul

träger, Lehrerschaft und Elternschaft, wie sie mit diesem Budget umgehen. Da muss die Schule nicht immer zwingend Lehrer einstellen – sie kann, aber sie muss es nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich werde die ewige Leier vom Jugendbegleiter, sage ich einmal, nicht zum Verstummen bringen. Aber es ist nun einmal so: Das Thema Jugendbegleiter scheint für Sie ein absolutes Reizwort zu sein. Aber die Idee, die dahinter steckt, lautet doch nicht: „Billiger Jakob, wir machen das ohne irgendwelche Bezahlung.“ Vielmehr können Sie, wenn Sie es sich vielleicht einmal ansehen, ja sehen, dass wir auch beim Typ der offenen Ganztagsschule, von denen wir einen Anteil von ca. 40 % im Land anstreben – – Auch da werden wir zusätzliche Lehrerdeputate geben – nicht so viele wie für die Schulen mit besonderem pädagogischem und sozialem Hintergrund; jetzt heißen sie ja nicht mehr Brennpunktschulen. Aber es ist einfach ein Gerücht, man wolle ausschließlich über das Ehrenamt ganztagsschulische Angebote finanzieren. Das ist überhaupt nie angedacht worden.

(Minister Ernst Pfister: Das wissen die doch ganz genau!)

Das ist ein wichtiges Element, und zwar nicht einmal so sehr aus Gründen des Sparens. Die wollen auch und die kriegen auch etwas. Wir haben für die Jugendbegleiter auch Geld in den Haushalt eingestellt. Das ist gemeinsam mit den Kommunen besprochen.

Der Ansatz ist doch gerade im Bereich der Hauptschule das, was wir beklagt haben: Kinder und Jugendliche früh mit dem Arbeitsleben in Verbindung zu bringen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Diese Chance wird ja schon aufgegriffen. Sie müssen einmal im Land herumreisen. Natürlich gibt es immer ein paar Mäkler und Meckerer. Aber die IHKs springen auf diesen Zug Gott sei Dank auf.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist doch lächerlich! Das funktioniert doch nur vereinzelt!)

Das ist nicht lächerlich und das funktioniert nicht vereinzelt. Das machen die Vereine. Wenn nicht überall alles gleich funktioniert, kann man doch deswegen nicht sagen:

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist doch keine neue Form von Unterricht!)

„Es ist alles Mist“, sondern dann muss man fragen: „Warum funktioniert es da gut? Vielleicht machen wir etwas falsch.“ Oder: „Es passt uns nicht. Dann stellt halt mit dem Geld zusätzliche Lehrer ein.“

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber es wird keiner gezwungen. Das ist ein Angebot, das über eine finanzielle Dimension der Öffnung der Schule mehr für Eltern, für die Lehrerschaft, für die Wirtschaft, für Vereine und für das bürgerschaftliche Engagement bringt.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist doch nicht der Punkt!)

Da stehen wir dahinter und lassen uns dies nicht ständig mit dem Verweis, das sei ein billiger Jakob, mies machen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Das hat nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen ideellen Mehrwert, den wir mit diesem Weg zu mehr Flexibilität, zu mehr Öffnung der Schule hinbekommen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Lassen Sie mich zum Thema Betreuung kommen, das natürlich immer mit den Bildungsfragen verbunden ist. Es ist kein Geheimnis, dass dies zwischen den Koalitionären mit unterschiedlichem Gewicht gesehen wird. Ich bin in der Tat der Meinung, dass – dazu hat übrigens Frau von der Leyen kürzlich bei der BW-Bank einen wunderbaren Vortrag gehalten, in dem sie das noch einmal ganz klar dargestellt hat – ein neues Denken in der Familienpolitik stattfindet. Das Elterngeld ist Lohnersatzleistung, nicht Sozialtransfer. Wir müssen auf jeden Fall ganz praktisch reagieren – Kollege Kretschmann hat es schon gesagt, und das ist auch kein Geheimnis –: Elterngeld gibt es ein Jahr respektive möglicherweise plus zwei Vätermonate oder Partnermonate, und was ist dann? Wir müssen also das Landeserziehungsgeld ändern.

Man kann immer Argumente pro und kontra bringen, und da gibt es natürlich manchmal auch althergebrachte Vorstellungen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ist das Ihre persönliche Meinung oder die der Regierung?)

Meine persönliche Meinung ist, dass wir als Kernaufgabe des Landes nicht Sozialtransfer an Familien haben, sondern Bildung und Betreuung anzubieten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich zu machen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Und die FDP/DVP-Fraktion steht da dahinter!)

Dies wird nach der Elternzeit verstärkt nachgefragt werden. Deshalb wird der Druck auf die Kommunen, diese Angebote auszubauen, massiv ansteigen. Deswegen bin ich ja schon dankbar, dass wir an dieser Stelle – –

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Sie ziehen das wie- der vom Erziehungsgeld ab! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Was ist jetzt die Meinung des Fraktionsvorsitzenden?)

Herr Kretschmann, das ist die Meinung der FDP. Wir haben versucht, darüber zu reden, inwieweit man schrittweise umschichten kann. Den ersten Schritt haben wir gemacht,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: 10 %!)

indem wir gesagt haben – lesen Sie es –: Mindestens 10 % des Landeserziehungsgelds werden künftig zusammen mit den Kommunen für Betreuung und Bildung eingesetzt werden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Mindestens!)

Das sind so um die 10 Millionen €. Jetzt kann man sagen: Nasenwasser. Nein, das ist nicht gerade wenig, was man zusammen mit den Kommunen damit machen kann. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man wie an anderer Stelle bei Förderprogrammen immer wieder ein Controlling macht: Wie steht es mit dem Erreichen des Ziels, wie sind der Aufwand, Bürokratie usw.? Wir müssen ja Stellschrauben verändern, damit das eine Dynamik bekommt. Darüber muss man irgendwann Kompromisse schließen, und so haben wir jetzt den Kompromiss geschlossen, mit einer Umschichtung des Landeserziehungsgelds zu beginnen, um gemeinsam mit den Kommunen mehr Betreuung von Kindern unter drei Jahren möglich zu machen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist völlig unsin- nig!)

Das ist der Bereich, in dem wir tatsächlich schon jetzt zusätzliche Angebote brauchen und noch sehr viel mehr brauchen werden, wenn diejenigen, die Elterngeld bezogen haben, hinterher selbstverständlich wieder in ihren Beruf zurückgehen.

Ich glaube, ich brauche gar nicht mehr zu betonen, dass das alte Gegeneinander-Ausspielen – hier Betreuung in der Familie, dort Betreuung außerhalb der Familie – völlig obsolet geworden ist. Das hat nichts mit Verantwortung zu tun. Wer sein Kind betreuen lässt und in dieser Zeit einem Beruf nachgeht, ist nicht eine verantwortungslose Rabenmutter, sondern ist eine sehr verantwortungsvolle Mutter. Manchmal ist es ja auch so, dass allein die Situation, dass ein Kind in einer Gruppe betreut wird, für Einzelkinder schon ein Gewinn an sich ist, weil es mal mit anderen Kindern zusammenkommt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Diese alten ideologischen Debatten brauchen wir nicht mehr, sondern wir brauchen die Möglichkeit, Familie und Beruf tatsächlich vereinbar zu machen – das sollen Frauen und Männer in Anspruch nehmen können –, und das Ganze in Wahlfreiheit. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir, wenn wir umschichten – das haben wir auch schon festgeschrieben –, uns nicht ausschließlich auf die Krippenförderung konzentrieren, sondern auch die Betreuung durch Tagesmütter fördern. Denn wir wollen auch da einen Wettbewerb und die Wahlfreiheit der Eltern; wir wollen nicht gegeneinander, sondern miteinander Lösungen überlegen. Mein Oberbürgermeister Klenk in Leinfelden-Echterdingen hat dafür ein Modell entwickelt – heute steht es in der Zeitung –, das Vorbild für das ganze Land werden könnte. Möglicherweise steigt man da sogar in ein Gutscheinsystem ein. Da gibt es viele Möglichkeiten. Der Grundsatzbeschluss ist da. Wir müssen das jetzt umsetzen.

Das wird übrigens eine nicht ganz einfache Frage werden, weil das gesetzestechnisch mit den überschneidenden Zeiten geregelt werden muss. Da gibt es ja immer einen Vorlauf. Schon bei der Geburt kann ich ja die Auszahlung für das dritte Lebensjahr beantragen. Es gibt also Eltern, bei denen schon jetzt feststeht, dass sie das in zwei Jahren bekommen werden. Der Bezug des Elterngelds fängt aber schon jetzt an. Ich will damit nur andeuten: Darüber wird man ganz konkret noch sehr viel miteinander diskutieren

müssen. Aber ich denke, wir werden da zu einer guten Lösung kommen, die genau in die Richtung führt, dass wir als Land unsere Kernaufgabe zusammen mit den Kommunen angehen, den Menschen mehr Bildung und Betreuung vor allem im vorschulischen Bereich und bei den unter Dreijährigen zur Verfügung zu stellen und damit echte Wahlfreiheit zu schaffen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich will zunächst noch beim Thema Arbeitsplätze bleiben. Wir wissen alle, dass sich Gott sei Dank sowohl unser Wirtschaftsminister als auch der neue Staatssekretär eigentlich originär als Minister bzw. Staatssekretär für Mittelstand, Handwerk und freie Berufe verstehen. Denn wenn wir eines sicher wissen – da brauchen Sie nicht einmal die täglichen Meldungen über Stellenabbau bei großen Firmen zu lesen –, dann ist es dies, dass wir nur in den Bereichen des Mittelstands, des Handwerks und der freien Berufe überhaupt noch mit Zuwachs rechnen können. Diese brauchen aber die berühmten Rahmenbedingungen, Frau Vogt. Mir scheint jedoch manchmal, Sie wollen Rahmen zimmern, die so breit sind, dass sich überhaupt kein Bild mehr entwickeln kann. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Ute Vogt SPD: Wir malen halt große Bilder!)

Es geht darum, die Möglichkeiten weiter zu gestalten und mehr zu ermöglichen, anstatt immer Neues vorzuschreiben. Bei diesem Punkt erscheint mir auch der Vorschlag, irgendeine Meldepflicht für Ausbildungsplätze einzuführen, als kritisch. Das muss ich auch noch einmal vertiefen, und ich muss prüfen, ob das zusätzliche Stellen schafft.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist nicht unbedingt zielführend!)

Wir können es aber auf jeden Fall nicht brauchen, der Wirtschaft auf die Füße zu treten, womöglich noch mit einer Ausbildungsplatzabgabe.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Norbert Zeller SPD: Wie kommen Sie dann zu mehr Ausbildungs- plätzen?)

Zur Hauptschule: Die Ansätze, die wir gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dem Kultusminister besprochen haben, gehen dahin, dass wir zu diesem unseligen Thema, Kinder mit Hauptschulabschluss in Warteschleifen zu stecken, Alternativkonzepte entwickeln. Aber auch das braucht eben ein bisschen Zeit. Da muss man mit allen reden. Da muss man mit den Kammern darüber reden, ob es eine Teilqualifizierung geben kann.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Vor allem mit den Schulen! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Gewerkschaften! Die blockieren das!)