Protocol of the Session on July 23, 2008

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes – Drucksache 14/2801

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport – Drucksache 14/2952

Berichterstatterin: Abg. Margot Queitsch

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat eine Allgemeine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Frau Abg. Lazarus für die Fraktion der CDU das Wort.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gute Frau!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Beratungen im Schulausschuss wurde der Gesetzentwurf nicht verändert, im Gegenteil. Der Schulausschuss empfahl dem Plenum ohne Gegenstimmen, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen. Alles andere wäre ja auch erstaunlich gewesen. Schließlich enthält der Gesetzentwurf eine erhebliche finanzielle Verbesserung für die Schulen in freier Trägerschaft: 4,2 Millionen € pro Jahr, vor allem für die Grund- und Hauptschulen und damit auch für die Waldorfschulen. Wer wollte da Nein sagen?

Die Begleitmusik zu dieser Gesetzesänderung war jedoch im Schulausschuss und schon bei der Ersten Beratung im Plenum laut und heftig. Die Opposition – das ist ihr gutes Recht –

möchte der Regierung konkrete Zusagen und Festlegungen über weitere Schritte entlocken. Wenn man nicht in der Finanzverantwortung steht, ist das ja auch ganz einfach

(Abg. Reinhold Gall SPD: Immer die gleiche Lei- er!)

und eben gängige Praxis der Opposition. Umgekehrt werden durch Regierung und Koalitionsfraktionen konkrete Finanzaussagen über den Haushalt gemacht, wie es schließlich auch bei der vorliegenden Verbesserung der Fall war.

Wer nun glaubt, der jetzige, erste Schritt sei zu wenig, soll einmal auf die Rahmenbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft Ende der Neunzigerjahre zurückblicken. Damals war die Unzufriedenheit wirklich groß, und dies zu Recht. Auch erfahrene Schulverwaltungsspezialisten im Privatschulwesen versicherten glaubhaft, dass sie die Berechnungsgrundlagen für die Zuschüsse nicht durchschauen könnten. Trotz eines höchstrichterlichen Urteils, das den Schulen in freier Trägerschaft je Schüler Zuschüsse in Höhe von 80 % der Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule zusprach, lag die reale Förderquote irgendwo zwischen 50 und höchstens 70 %.

In der CDU-Fraktion hat damals ein beherzter Schularbeitskreisvorsitzender mit Namen Helmut Rau das heiße Eisen angepackt und zusammen mit unserem Koalitionspartner eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Darin waren – das ist das Wichtigste – die Privatschulen selbst maßgeblich vertreten. Das Ergebnis ist im Konsens zwischen den Fraktionen und den Verbänden der Privatschulen zustande gekommen. Ich wiederhole dies, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist.

Über alle Schularten hinweg entstand eine neue Berechnungsstruktur – später Bruttokostenmodell genannt –, die Licht ins Dunkel – sprich für alle verständliche Transparenz – der Berechnungsgrundlagen brachte. Dies wurde auch im Gesetz verankert.

Finanziell war dies dann die Stunde der Wahrheit. Denn jetzt lagen die Zahlen, also die auf Schularten bezogenen Prozent anteile, offen und waren auch nicht mehr strittig. Es blieb – durchaus – die Aufgabe übrig, über Stufen einen Kostendeckungsgrad von 80 % anzusteuern. Schon 2004 wurden, was den Kostendeckungsgrad betrifft, ganz weit hinten liegende und ums Überleben kämpfende berufliche Schulen – davon viele in kirchlicher Trägerschaft – besser ausgestattet, dies allerdings durch eine Umschichtung zulasten von Schulen, deren Kostendeckungsgrad bereits über 80 % lag.

Mit der jetzt vorgesehenen Änderung werden wir für alle Kopfsatzschulen die Zuschüsse so bemessen, dass wir einen Kostendeckungsgrad von über 70 % erreichen, was zu Beginn des Wegs in den Neunzigerjahren noch sehr weit weg war. Nicht vergessen werden darf, dass die große Zahl an Gymnasien in freier Trägerschaft – dort ist immerhin fast ein Drittel aller Privatschüler – den Fördersatz von 80 % sogar schon so gut wie erreicht haben.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Fast!)

Was seit den Neunzigerjahren erreicht wurde, ist bemerkenswert. Die Ausgangslage für den nächsten Schritt ist also gut. Punktgenau wissen wir das mit der Vorlage des Privatschul

berichts 2009 – sicher der Zeitpunkt, um dann die exakten Zielvorgaben zusammen mit den Schulen zu besprechen und zu beschließen.

Aus den am Anfang genannten Gründen wird die CDU-Fraktion die Anträge von SPD und Grünen ablehnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gute Re- de!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Frank Mentrup für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tag wird sicher in die Bildungspolitik als Tag der nachgereichten Erkenntnisse, der großspurigen Ankündigungen und der halbgaren operativen Konzepte eingehen.

(Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Un- glaublich! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Als Tag der großspurigen Formulierungen der Oppositi- on!)

Dieses Schema trifft weitestgehend auch auf dieses Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes zu – mit einer Abweichung. Es handelt sich hier nicht um eine nachgereichte Erkenntnis, sondern – Frau Lazarus, Sie haben es dankenswerterweise dargestellt – es ist seit Jahren unstrittig, dass ein Fördersatz von 80 % zur Kostenkompensation im Privatschulgesetz angestrebt werden soll.

Aber das, was Sie heute hier vorlegen und was wir ein zweites Mal diskutieren, ist vor allem wieder eine etwas großspurige Ankündigung, dieses Ziel erreichen zu wollen. Im operativen Konzept ist zwar ein nächster Schritt dorthin festgelegt, aber es ist noch kein verbindlicher Fahrplan in Aussicht gestellt, wie man dieses Ziel wirklich erreichen kann.

(Zuruf der Abg. Ursula Lazarus CDU)

Es ist schade, Frau Lazarus, dass der beherzte Herr Rau es jetzt in seiner neuen Rolle als Minister nicht schafft, einen verbindlichen Fahrplan vorzulegen;

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

denn es geht nicht um Beträge, die man dem Haushalt sozusagen entlocken muss, sondern es geht um Verbindlichkeit gegenüber einem wichtigen Partner in unserem Bildungssystem. Wann, wenn nicht heute, sind die finanziellen Voraussetzungen denn so, dass es möglich wäre, einen verbindlichen Fahrplan aufzustellen?

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

So bleibt unsere Vermutung, dass man doch nur einen weiteren Pflichtpunkt der Koalitionsvereinbarungen zwischen FDP/DVP und CDU abarbeiten wollte; denn man hat leider eben nicht beherzt dieses Thema ganz abgearbeitet, sondern

begibt sich zwar weiter in Kleckerlesschritten auf den richtigen Weg, kommt aber nicht ganz bis zum Ziel.

Warum ist das so schade? Ich habe es schon angedeutet: Die Schulen in freier Trägerschaft sind wichtige Partner in unserem Bildungswesen. Sie übernehmen für den Staat Aufgaben der Bildungspolitik, Aufgaben der Erziehung, Aufgaben der Betreuung. Wir haben uns ja in einem großen Konsens darauf geeinigt, dass dies mit mindestens 80 % kompensiert gehört. Darüber hinaus werden doch noch sehr viele weitere Anteile von Eltern, von Sponsoren und anderen wohlhabenden Menschen oder in Form von Stiftungen aller Art erbracht. Da gehört es sich einfach, dass wir die nächstbeste Gelegenheit nutzen, die uns finanztechnisch möglich ist, um auf den Fördersatz von 80 % zu kommen.

Liebe Frau Lazarus, wir haben heute Morgen verbindliche Planungen bis ins Jahr 2015 wahrgenommen, die am Ende auch mit viel Geld zu unterlegen sind.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Lazarus CDU: Davon werden auch die Privatschulen profitieren!)

Es wäre ein Leichtes, innerhalb der nächsten zwei oder drei Jahre auf diese 80 % zu gehen.

Es ist ja nicht so, dass den Privatschulen damit das Geld in den Schoß flöge. Wenn Sie sich anschauen, dass es derzeit doch eine ganze Reihe von Privatschulgründungen gibt, vor allem auch von Elternvereinen – denen es oft noch schwerer fällt, die Finanzmittel zusammenzubringen, die ergänzend nötig sind –, und dass in den ersten drei Jahren nach einer solchen Gründung zunächst 100 % der Kosten selbst getragen werden müssen, dann ist es überhaupt kein ungerechtfertigter Anspruch, heute schon Sicherheit in der Frage zu haben, wann wenigstens die 80 % absolut sichergestellt sind und Planungssicherheit gegeben ist.

Die Privatschulen haben darüber hinaus aber noch eine andere Funktion, die uns sehr wichtig ist. Die große Nachfrage, der sich Schulen in freier Trägerschaft derzeit erfreuen, ist für uns auch ein wichtiger Seismograf in der Bildungsdiskussion, um Elternwillen zu erkennen, um Elternwillen zum Ausdruck zu verhelfen und auf Defizite im staatlichen Schulsys tem hinzuweisen. Wir betrachten die aufstrebende Privatschullandschaft auch als Herausforderung zu einem konstruktiven Wettbewerb, in dem wir uns immer wieder Fragen bezüglich unseres öffentlichen allgemeinbildenden Schulsystems stellen müssen, damit dies für viele Eltern wettbewerbsfähig bleibt. Denn es kann natürlich nicht unser Ziel sein, dass es einen immer größeren Anteil an privaten Schulen gibt. Wenn dieser Trend dann schon den Ganztagsgrundschulbereich erreicht, wie wir es jetzt in Heidelberg erleben, dann wird ja noch einmal sehr deutlich, dass es nicht um Elite geht und auch nicht um Weltanschauung, sondern um die Versorgung mit Ganztagsbeschulung, um die Versorgung mit individueller Förderung und um die Versorgung mit Mittagessen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was haben Sie dage- gen?)

Überhaupt nichts, Herr Kluck.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Gerade haben Sie das so dargestellt!)

Ich habe gesagt, ich finde das als Seismograf wichtig. Es ist für uns eine Herausforderung an das staatliche Schulsystem. Dieser Herausforderung sollten wir gerecht werden.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Unruhe)

Wir sollten aber auf der anderen Seite auch den freien Schulen, die sich da entwickeln, eine Planungssicherheit und eine entsprechende finanzielle Unterstützung garantieren und nicht einerseits übers Land ziehen und sagen, das sei die „Hefe“ im „Bildungsteig“, ihnen andererseits aber nicht das Geld zubilligen, das wir ihnen eigentlich versprochen haben.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen lade ich Sie – vor allem auch die Damen und Herren der FDP/DVP, die an dieser Stelle ja immer ganz besonders laut tönen, Herr Kluck – ganz herzlich ein: Nehmen Sie einen der beiden vorliegenden Entschließungsanträge an! Wenn Sie uns jetzt hier wie schon im Schulausschuss erzählen, dass es ja sowieso Ihr Ziel sei, das in den nächsten zwei oder drei Jahren zu erreichen, dann können Sie doch leichten Herzens und mit der Beherztheit, die Ihr Minister eben nicht auf die Reihe bekommen hat, heute einem der Entschließungsanträge zustimmen. Der eine umfasst einen Zeitraum von drei Jahren, der andere von zwei; beides ist gut. Wichtig ist, dass es Planungssicherheit gibt. Wir sollten zu unserem Wort stehen und zu einem partnerschaftlichen Umgang mit den Schulen in freier Trägerschaft kommen. Das können Sie heute beweisen. Dazu lade ich Sie ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)