Protocol of the Session on June 26, 2008

Alternativ bräuchte man beinahe einen Lehrstuhl für ein Förderprogramm-Management.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: Aber wo?)

Wir alle kennen die Problematik von Förderprogrammen. Es sind einmal die definierten Füllmengen für unterschiedliche Mengen, die herausgenommen werden – entweder sie sind überzeichnet oder unterzeichnet –; es ist der Grundsatz, dass der Teufel eh immer auf den größten Haufen macht. Das bedeutet, reiche Gemeinden können sich – –

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Welchen Teufel mei- nen Sie?)

Ich habe mich anständig ausgedrückt.

(Zurufe der Abg. Hagen Kluck und Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Das bedeutet, reiche Gemeinden leisten sich Förderprogramme, weil sie für die Komplementärfinanzierung aufkommen können, arme Gemeinden jedoch nicht.

Damit komme ich zur wichtigsten Feststellung, meine Damen und Herren: Die Zielvorgaben eines Programms müssen überprüft, sie müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Es kann nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen werden.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Machen wir doch gar nicht!)

Wir sollten uns also die Ziele anschauen. Hierzu darf ich aus den Förderrichtlinien des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum zitieren:

Ziel des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum ist es, in Gemeinden vor allem des ländlichen Raums die Lebens- und Arbeitsbedingungen durch strukturverbessernde Maßnahmen zu erhalten und fortzuentwickeln, der Abwanderung entgegenzuwirken, den landwirtschaftlichen Strukturwandel abzufedern und dabei sorgsam mit den natürlichen Grundlagen umzugehen.

Schauen wir uns einmal an, ob wir dieses Ziel erreicht haben.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Genau!)

Ich sage es einmal so: Das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum ist laut Aussage der Landesregierung ein Entwicklungskonzept zur Strukturverbesserung. Ich frage hierzu: Warum wird es dann im ländlichen Raum eigentlich schlimmer? Warum fühlen sich die Menschen abgehängt?

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Wer ist denn abge- hängt?)

Warum schließen die Schulen, die Geschäfte und Filialen? Die Post geht weg. Das nächste Krankenhaus ist immer weiter entfernt. Die Banken sind im Internet, aber das Internet hat auf dem Land den technischen Standard von Buschtrommeln.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Mach doch kein Horrorszenario!)

Die Ärzte und Apotheker sind nach Freiburg oder Stuttgart gezogen. Was ist denn mit diesen Förderprogrammen für den ländlichen Raum in den ländlichen Raum zurückgeholt worden?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Gundolf Fleischer CDU: In welcher Stadt leben wir denn? – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Du sprichst vom Kongo, aber nicht von Baden-Württemberg! – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Unglaublich! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das stimmt doch gar nicht!)

Ich weiß, man kann nicht alles umdrehen. Aber eine Überprüfung der Fördermittel auf ihre effektive Wirkung im ländlichen Raum muss erfolgen, wenn wir feststellen, dass es trotz dieser Förderkulisse im ländlichen Raum permanent schlechter wird.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was, was? Wo?)

Diese Feststellung dürfen wir generell treffen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 2,9 % Ar- beitslosenquote! Viertniedrigste bundesweit! – Wei- tere Zurufe)

Wir wissen, dass die Arbeitsplätze im ländlichen Raum verloren gehen, dass die jungen Menschen zum Studium in die Stadt gehen und nicht mehr zurückkommen, und dass Dienstleistung auf dem Land gar nicht entsteht.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist die Situation im ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU, u. a. des Abg. Gundolf Fleischer – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus!)

Die Antwort, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu Abschnitt II des Antrags gibt, lautet: „Die Landesregierung gestaltet die Förderprogramme zielorientiert und effektiv.“ Sie schreibt weiter: „Diese Vorgehensweise hat sich bewährt.“ Das ist wahrlich eine starke Behauptung.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP schüttelt den Kopf.)

Alle hierfür relevanten Einrichtungen sagen etwas ganz anderes. So äußert der Europäische Rechnungshof, die Programme seien den Beweis schuldig geblieben, dass diese Fördergelder ein wirksames Mittel hinsichtlich der Zielsetzung sind. Die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft stellt fest, es gebe Mitnahmeeffekte und die Förderung erreiche nicht oder nur zum Teil ihre Ziele. Der Landesrechnungshof sagt, der Verwaltungsaufwand sei zu hoch und die Programme des Landes seien viel zu klein. Von 43 Förderprogrammen des Landes beinhalten 26 Programme insgesamt nur 10 % der gesamten Fördersumme. Das sind also „Kinkerlesprogramme“ – wobei ich durchaus nicht alle davon kritisiere. Aber es wäre zu überprüfen, was man zusammenfassen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Der Landesrechnungshof sagt, es gebe viel zu kleine Programme und jede Menge Überschneidungen. Allein für die Errichtung von elektrischen Zäunen könnten Sie drei Programme anzapfen. Welch ein Witz!

Eine letzte Bemerkung zu Bagatellbeträgen: Jede Gemeinde weiß, dass Bagatellbeträge in Förderprogrammen das Läppischste sind, was man sich leisten kann, da sie viel zu teuer kommen. Das Land leistet sich Bagatellbeträge von 50 € in Förderprogrammen. Welch ein Unsinn! Niemand wird dadurch gerettet. Die Kosten für die Verwaltung sind höher als die Bagatellbeträge, die hinterher gezahlt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE und Beate Fauser FDP/ DVP – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Beispiele!)

Es gibt jede Menge Möglichkeiten, diese Programme auf ihre Zielwirkung und auf ihren Erfolg zu überprüfen. Das wird leider nicht gemacht. So etwas wie einen Nachweis der Wirksamkeit nach der Hälfte der Laufzeit eines Programms, damit die Mittel für die zweite Hälfte der Laufzeit nicht auch noch verschleudert werden, wäre eigentlich unverzichtbar. Es müsste gründlich darüber nachgedacht werden, bei Programmen eine Halbzeitbilanz einzuführen. Das ist jedenfalls unser Vorschlag.

Meine Damen und Herren, viele dieser Programme sind zweifellos gut gemeint. Das ist ein verschärftes Lob an die Landesregierung.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Oi!)

Gut gemeint heißt aber nicht immer auch: gut gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Diese Einschränkung muss ich machen. Damit meine ich, dass es nicht ausreicht, Seminare und Werbeveranstaltungen im ländlichen Raum durchzuführen, um deutlich zu machen, dass etwas getan wird, wenn im Ergebnis herauskommt, dass sich bezüglich der Nachteile des ländlichen Raums keine sichtbaren positiven Änderungen ergeben.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Das stimmt nicht! Fah ren Sie doch einmal durch das Land, dann sehen Sie es ja!)

Die wichtigsten Entwicklungsmerkmale wandern auf diesem Weg weiter.

Wir fordern Sie deshalb auf, die Kritik des Rechnungshofs zur Kenntnis zunehmen, sie ernst zu nehmen und nicht abzubügeln, die notwendigen Maßnahmen umzusetzen, die Programme übersichtlicher zu machen, sie zusammenzufassen und den Verwaltungsaufwand zu senken. Prüfen Sie die Programme auf Erfolge, auf messbare Erfolge, auf zählbare Erfolge, auf sichtbare Erfolge!

Sehr geehrter Herr Minister, das ist Ihr Job.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Gundolf Flei- scher CDU und Claus Schmiedel SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rombach für die Fraktion der CDU.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird wieder zur Sache gesprochen! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Gib’s ihm!)

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Winkler, in einem Punkt haben Sie recht: Die Anträge sind gut gemeint, aber nicht immer gut gemacht. Das trifft auf Ihren Antrag zu. Genau den Antrag, den Sie gestellt haben, haben Sie sicherlich gut gemeint. Aber so, wie Sie sich heute geäußert haben, haben Sie es im Ton und in der Sache, meine ich, nicht gut gemacht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Widerspruch bei der SPD – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sehr gut! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Beleidigte Leberwurst! Wo sind wir denn? – Abg. Reinhold Gall SPD: Sollen wir etwas aus dem Gesangbuch vorsingen? – Unruhe)

Es lässt sich deutlich feststellen, dass die Europäische Union – es bedarf schon eines Hinweises auf die Vorgeschichte – und das Land Baden-Württemberg in den letzten 30 Jahren eine Entwicklungsstrategie in unserem Bundesland verfolgt und umgesetzt haben, nach der die zuständige Landesregierung in Baden-Württemberg gleichwertige Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen schafft, und zwar sowohl innerhalb des ländlichen Raumes als auch im Verhältnis Stadt/Land.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das liegt gleich weit weg!)