Vorhin hat der Kollege Bachmann von einer wunderbar ausgestatteten Autobahn mit vielen Tunnels und einer 1-a-Qualität gesprochen. Ich glaube, Herr Kollege Bachmann, Sie haben die A 71 zwischen Schweinfurt und Erfurt gemeint. Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur einladen: Fahren Sie im Urlaub einmal diese Straße auf und ab – so ein Gefühl von Einsamkeit und Freiheit wie auf dieser Straße können Sie allenfalls in Alaska und vielleicht auch noch in Kanada erleben.
Jetzt sage ich Ihnen: Jeder Bundestagsabgeordnete müsste eigentlich seine Hauptpflicht darin sehen, in jeder Sitzungswoche in Berlin mindestens einmal zu fordern, dass diese Ungerechtigkeit gegenüber Baden-Württemberg aufhört.
Kollege Bachmann hat ein „Straßenbauprogramm West“ gefordert. Ich habe dem Kollegen Tiefensee und dessen Vorgänger, Herrn Stolpe, der sich ja als reiner „Aufbauminister Ost“ gesehen hat, acht Tage nach meinem Amtsantritt gesagt: Nach dem Programm „Aufbau Ost“ muss jetzt zwingend das Programm „Ausbau West“ folgen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ernst Behringer CDU: So ist es! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja!)
Noch etwas will ich sagen – das trifft auf alle Fraktionen zu, die CDU und die FDP/DVP einmal ausgenommen –: Ich war im ersten gesamtdeutschen Wahlkampf 1991/92 an Podiumsdiskussionen beteiligt, in denen die Zuhörer die Frage gestellt haben: „Wo wollt ihr, da wir ja sparen müssen, denn Einsparungen vornehmen?“ Vier von sechs Teilnehmern haben gesagt: „Natürlich beim Straßenbau!“
Die Grünen – Herr Wölfle, Ihre Rede ist erfrischend klar, nüchtern und analytisch gewesen; darüber freue ich mich – haben mir damals in jeder Diskussion – das muss man sagen – die Forderung an den Kopf geworfen: „Kein Straßenbau! Jede neue Straße zieht zusätzlichen Verkehr nach sich, und den wollen wir nicht.“
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau!)
Meine Damen und Herren, deswegen kann ich nur an Sie appellieren: Lassen Sie uns alle an diesem Thema arbeiten und dabei möglichst an einem Strang ziehen, damit die Neiddiskussion gegen Baden-Württemberg, die jetzt in Berlin geführt wird – übrigens auf vielen Feldern –, aufhört. Kollege Tiefensee hat vor zwei Jahren im Hinblick auf Stuttgart 21 und die Schienenstrecke Ulm–Wendlingen gegenüber der Dekra einmal gesagt: „Wenn hier immer der Bund angesprochen wird,“ – in Klammern: wer denn sonst, nachdem das ein Bundesprojekt ist? – „dann muss ich doch darauf hinweisen, dass wir hier in Baden-Württemberg sind. Ihr habt doch Geld!“ – Das ist ein Beispiel für das, was sich in Berlin abspielt.
Da täten wir gut daran, hier in Baden-Württemberg, in diesem Haus, den Schulterschluss zu suchen und die Berliner Kollegen aufzufordern, das ihrige zu tun, damit die chronische Unterfinanzierung und die damit verbundene Benachteiligung Baden-Württembergs aufhören.
Dort, wo das Geld verdient wird, sollte auch eine gescheite Verkehrsinfrastruktur vorhanden sein, die wiederum das Geldverdienen erst ermöglicht. „Dort“, das ist im Südwesten dieser Republik.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ni- cole Razavi CDU: Sehr richtig! – Abg. Norbert Zel- ler SPD: Kommen Sie einmal zur Sache!)
Deswegen komme ich jetzt zu den Planungsmitteln. Um einmal auf die Fakten zu sprechen zu kommen: Das Land plant alle Maßnahmen an Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes. Es führt Baurechtsverfahren durch, und es überwacht den Bau. Die hierfür entstehenden Kosten, die sogenannten Planungsmittel – das sind die Kosten für das eigene Personal, Kosten für externe Ingenieurleistungen und für Gutachten für die Bauüberwachung –, trägt zum größten Teil das Land. Der Bund zahlt den Ländern für diese Leistungen lediglich eine pauschale Entschädigung in Höhe von 3 % der jährlich ausgegebenen Investitionsmittel – 3 %! Der tatsächliche Aufwand, und zwar ohne Personalkosten, liegt bei ca. 10 % der Investitionskosten, und er steigt kontinuierlich an.
Nun gehen jedes Jahr über 30 Millionen € an Landesmitteln – ich betone: an Landesmitteln; die fehlen uns dann nämlich beim Landesstraßenbau – in die Planung von Straßenbauvorhaben. Je mehr wir bei Bundesfernstraßen planen, desto weniger können wir natürlich für den Landesstraßenbau ausgeben.
Jetzt stellt der Bund den Ländern frei, Projekte aus dem Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans bis zur Baureife zu planen. Aber was nützen uns die Planungen, wenn wir sie nicht umsetzen können? Schon jetzt ist klar absehbar,
dass bei Weitem nicht alle Projekte des Vordringlichen Bedarfs innerhalb der Laufzeit des Verkehrswegeplans – er läuft bis 2015 – realisiert werden können.
Jetzt komme ich zu den avisierten jährlichen Mittelzuweisungen des Bundes. Die bleiben natürlich weit hinter dem zurück, was der Verfügungsrahmen eigentlich erfordern würde. Das Innenministerium muss die zukünftige Planungstätigkeit im Bundesfernstraßenbau
an den Realitäten, und das heißt nichts anderes als an den zu erwartenden Finanzmitteln, ausrichten. Sonst binden wir unnötig Finanzmittel, die wir dann im Landesstraßenbau nicht haben. Wir können nicht weiterhin Planungen für die Schublade produzieren,
(Abg. Norbert Zeller SPD: Das verlangt doch nie- mand! – Abg. Hans-Martin Haller SPD: Das ist schon falsch!)
die dann, wenn der Bund endlich das Geld für den Bau zur Verfügung stellt, veraltet sind oder überarbeitet werden müssen.
Jetzt komme ich zum Vorschlag des Landesrechnungshofs: Dem sind wir gefolgt. Das Innenministerium hat die Planungspriorisierung als internes Steuerungsinstrument erarbeitet. Wir setzen sie auch zum wirtschaftlichen Einsatz der Planungsmittel und damit der Landesbaumittel ein, die damit sichergestellt werden sollen.
Das Land kann es sich angesichts beschränkter Haushaltsmittel und des Ziels der Haushaltskonsolidierung natürlich nicht leisten, Planungen für Bundesstraßenprojekte zu erstellen, wenn diese Maßnahmen vom Bund nicht in absehbarer Zeit finanziert werden.
Das tun wir. Das zeige ich Ihnen einmal. Wir müssen uns einmal ganz gemütlich in eine Ecke setzen. Dann lasse ich die 20 Aktenordner kommen, und dann schauen Sie einmal, wie viele Anträge und massive Beschwerden und Forderungen gerade auch aus Ihren Reihen kommen. Ich drehe da die Hand nicht um, sie kommen aus allen Fraktionen, aber auffallend häufig auch von SPD-Kollegen, die natürlich nicht haben wollen, dass nur die CDU-Abgeordneten behaupten können, sie hätten irgendwelche Straßenbauvorhaben durchgesetzt.
Meine Damen und Herren, als das Innenministerium diese Lis te vorgelegt hat, hat es von verschiedenen Seiten harsche Kritik gegeben.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist der Sinn! – Abg. Norbert Zeller SPD: So muss es sein! – Abg. Ingo Rust SPD: Das ist doch der Sinn!)
Mit der Planungspriorisierung hat das Innenministerium den Regierungspräsidien, die – wie Sie wissen – Planungsbehörden sind, ein Instrument an die Hand gegeben,