Jede offene Stalltür in unserem Land bedeutet Arbeitsplätze vor Ort in den Gemeinden und Wirtschaftskraft, und dies nicht nur im Primärsektor. Ich darf auch voller Stolz und Genugtuung sagen, dass z. B. die Region Oberschwaben erst kürzlich den Kulturlandschaftspreis dafür erhalten hat, dass gerade auch unsere Landwirtschaft so gut aufgestellt ist und die Region Arbeitsplätze sowie Landschaftspflege par excellence anbietet. Zu diesem Preis, den wir eben auch den Landwirten zu verdanken haben, darf ich herzlich gratulieren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Lassen Sie mich einen Appell an die Verbraucher anschließen. Wir müssen die Verbraucher mit ins Boot holen. Wenn wir etwas für unsere Landwirtschaft tun wollen, müssen wir vor allem dagegen ankämpfen, dass sich eine Geiz-ist-geil-Mentalität breitmacht und weiter an der Preisspirale gedreht wird. Landwirte dürfen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie einen fairen Preis für ehrliche Arbeit und für beste Qualität fordern. Wir brauchen faire Preise im Milch- genauso wie im Fleischsektor – übrigens bei gestiegenen Energie- und Futtermittelkosten.
Ich komme zur europäischen Agrarpolitik. Vieles, was unsere Bauern betrifft, wird in Brüssel und Straßburg entschieden. Wie kaum in einem anderen Bereich jagte in den vergangenen Jahren eine Reform die andere. Das bedeutete regelmäßig mehr Vorschriften und mehr Bürokratie.
Der Health Check der europäischen Agrarpolitik darf deshalb nicht zu einem neuen Reformwerk werden, sondern muss das Bestehende nachjustieren. Unsere Bauern brauchen endlich Verlässlichkeit und Planungssicherheit.
Das Ziel der GAP ist klar: die Anpassung der europäischen Landwirtschaft an den Weltmarkt. Der Weg dorthin ist mit Eckpfeilern vorgegeben: Entkopplung der Direktzahlungen, Vereinfachung der Cross-Compliance-Regelungen, Abschaffung der Flächenstilllegung, Auslaufen der Milchquote bis zum Jahr 2015 und Reagieren auf die Herausforderungen von Klimawandel und Bioenergieproduktion.
Für die Landwirte in Baden-Württemberg ist die europäische Agrarpolitik eine Herausforderung. Unsere Bauern sind größtenteils gut aufgestellt. Unser Nachteil liegt in der Struktur und – so paradox es klingt – in der Schönheit unserer Kulturlandschaft, meine Damen und Herren. Es ist hundertmal einfacher, in Mecklenburg-Vorpommern 100 ha Ackerland unter den Pflug zu nehmen, als 1 ha im Schwarzwald zu mähen. Das muss man auch einmal berücksichtigen, wenn es um gleiche Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland geht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Gustav-Adolf Haas SPD und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, so ist es!)
Die strukturellen Defizite beruhen weitgehend auf der Kleinteiligkeit unserer Landwirtschaft. Mit rund 24 ha pro Betrieb liegen wir unter dem Bundesdurchschnitt.
Meine Damen und Herren, unsere Kulturlandschaft – das sage ich mit großer Freude, auch als Vertreter des Allgäus und von Oberschwaben – ist ein Geschenk Gottes. Alles andere ist im Übrigen harte Arbeit.
Wir in Baden-Württemberg arbeiten bereits seit einigen Jahren daran, dass die Agrarwirtschaft mit massiven Anstrengungen auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet wird. Dazu zählen vielfältige Maßnahmen im Bereich der Investitionsförderung, der Wettbewerbsstärkung und der Strukturverbesserung. Ich lobe ganz ausdrücklich, dass wir unseren Landwirten gerade im Stallbau und bei der Stalltechnik helfen, um sich für den Wettbewerb entsprechend aufzustellen.
Wo müssen wir unseren Landwirten in Baden-Württemberg Chancen eröffnen? Baden-Württemberg hat eine klare Posi tion:
Erstens: Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Die Globalisierung hat längst schon hinter jeder Stalltür Einzug gehalten.
Das wissen wir nur allzu gut. Daher ist ein verlässliches politisches Umfeld auf allen Ebenen notwendig. Es ist wichtig, dass wir da nicht jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf treiben, sondern tatsächlich verlässliche Partner für unsere Landwirtschaft insgesamt sind.
Zweitens: Direktzahlungen und Modulation. Wir sagen Ja zur Entkopplung der Direktzahlungen, wie sie 2003 mit der Reform der GAP eingeleitet wurden. Das ist der richtige Weg hin zu mehr Marktorientierung. Wir in Deutschland sind diesen Weg weg von der Produktion und hin zur Fläche bereits gegangen. Andere EU-Länder müssen noch nachziehen, damit Gerechtigkeit herrscht. Masse ist nicht alles. Stimmen muss auch die Klasse der Produkte.
Wir sagen ein klares Nein zur Kürzung der Direktzahlungen, wie sie die EU-Kommission vorschlägt. Das ginge eindeutig zulasten Deutschlands.
Ein harter Kampf ist die Modulation. Wir wehren uns mit Händen und Füßen gegen eine pauschale Erhöhung, da sie vor allem unsere ausbaufähigen landwirtschaftlichen Familienbetriebe in ihrer Zukunftsentwicklung hemmt. Sollte es dennoch so weit kommen, dass eine Umschichtung in die zweite Säule erfolgt, dann muss das Geld im System der Landwirtschaft bleiben und darf nicht woanders hinkommen.
Drittens: Ende der Milchquote. Ein Softlanding muss jetzt beginnen, damit es nicht zu einem Absturz in freiem Fall kommt. Wir brauchen jetzt und nicht erst 2015 ein schlüssiges Gesamtkonzept: keine Flickschusterei, sondern ein Gesamtpaket, das das Rückgrat unserer Milchwirtschaft nachhaltig stärkt. Damit wollen wir die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe verbessern. Besonders in strukturell und naturräumlich benachteiligten Gebieten müssen Produktion und Wertschöpfung gehalten werden. Wir brauchen eine nachhaltige Investitionsförderung im Milchviehbereich mit entsprechender Mittelausstattung.
Viertens: Cross Compliance müssen wir einfacher gestalten. Das Lied des Bürokratieabbaus schwebt seit vielen Jahren über den landwirtschaftlichen Betrieben. Jetzt wird es Zeit, dass endlich Musik hineinkommt. Unsere Bauern sollen in ers ter Linie das tun, was sie am besten können, nämlich hoch qualitative Nahrungs- und Futtermittel sowie Energieträger produzieren.
Die Cross-Compliance-Regelungen als Festlegungen von Mindeststandards der Produktion sind notwendig. Als bürokratisches Monstrum sind sie jedoch eher hinderlich als dienlich. Wir brauchen keine weiteren Daumenschrauben. Hier muss endlich entschlackt und vereinfacht werden.
Ich sage es mit dem schönen Stichwort von Edmund Stoiber: Heugabel und Laptop – ja. Aber Nein zu noch mehr Aktenwälzen. Die Bauern gehören auf die Äcker und Felder und müssen sich um ihre Tiere kümmern, aber nicht um die Bürokratie. Das sage ich in dieser Runde ganz deutlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Alfred Winkler SPD: Heugabel mit eingebautem Laptop!)
Zweitens: Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch in prosperierende Märkte hinein, z. B. in Asien.
Drittens: Schutz von Natur und Landschaft sowie die Verbesserung der Lebensqualität und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft.
Die Marschrichtung ist vorgegeben. Blasen wir der EU den Marsch, damit den Absichten stärkende Taten für unsere Landwirtschaft in Baden-Württemberg und insgesamt für den ländlichen Raum folgen.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Gemeinsame Agrarpolitik“ ist alt und geht auf die Römischen Verträge von 1957 zurück. Die Gemeinsame Agrarpolitik wurde 1962 in Kraft gesetzt und hat seither eine Fülle von Reformen durchlaufen. Nur kurz erinnere ich an den Mansholt-Plan – jedem noch in Erinnerung – von 1968, die Strukturmaßnahmen von 1972, das Grünbuch von 1985, die McSharry-Reform von 1992, die Agenda 2000 von 1999 und die Mid-Term-Review, die Halbzeitbewertung, von 2003.
Die Landwirtschaft ist sprachlich längst im internationalen Wettbewerb angekommen. Health Check oder ebenso unpassend Gesundheitscheck, das bezeichnet weder die Gesundheitsreform von Ulla Schmidt
noch den Gesundheitszustand von Seehofer, sondern in der Terminologie der EU heißt das schlicht: Generalüberprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik.
Die grundsätzlichen Ziele der EU-Kommission im Rahmen der Überprüfung und Weiterentwicklung der GAP sind allesamt einsichtig, nachvollziehbar und sinnvoll; eine Zwischenbilanz der seit drei Jahren laufenden Reform ist vernünftig. Der Teufel steckt bei solchen Dingen bekanntlich im Detail und weniger im großen Ganzen.
Zweifellos ist die Bemühung zu unterstützen, Bürokratie zu verhindern, sei es bei der Auszahlung von Fördermitteln oder bei den Auflagen von Cross Compliance – ebenso ein Terminus technicus der EU. Nebenbei: Wir sind eigentlich froh, dass das Vorhaben des Landes, entlang des Rheins Französisch als erste Fremdsprache verpflichtend einzuführen, vor Gericht abgelehnt wurde; sonst würden ganze Generationen von Agrariern mit der neuen Sprache Englisch im Agrarsektor nicht mehr mithalten können.
Die Kritik an der reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik ist noch groß, und sie ist zum Teil berechtigt. Direktzahlungen sollen abgelöst, entkoppelt und durch Flächenprämien ersetzt werden. Die erste Säule soll zugunsten der zweiten Säule abgeschmolzen werden – alles mit bürokratischem Aufwand. Das bis 2004 angewandte komplexe System produktionsgebundener Direktzahlungen – das heißt Ackerprämie, Stärkekartoffelprämie, Saatgutbeihilfe, Schlachtprämie, Mutterkuhprämie, Sonderprämie für männliche Rinder, Trockenfutterbeihilfe, Tabakprämie etc. etc. – wird bis 2013 schrittweise entkoppelt, also umgestellt. Die regional einheitlichen Hektarprämien oder Betriebsprämien sollen zu Marktorientierung führen: Die Landwirte sollen ihre Produkte am Markt ausrichten, also an dem, was sie absetzen können. Das Ziel ist, mehr Transparenz herzustellen, eine Verbraucherakzeptanz für dieses System herbeizuführen, den Verwaltungsaufwand zu vermindern und Überproduktion zu vermeiden. Mittlerweile haben wir eher Unterproduktion.
Die produktionsgebundenen Zahlungen aus der ersten Säule sollen in Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung in der zweiten Säule umgeschichtet werden. Das ist schon jetzt in einem gewissen Rahmen durch freiwillige Modulation des Landes und des Bundes möglich. Die Verknüpfung mit Cross Compliance hat natürlich zu vielen neuen bürokratischen Hürden geführt, die berechtigterweise reklamiert werden. Aber man muss dazu auch sagen, dass wir beide bürokratischen Systeme im Moment parallel haben – nämlich die Einzelbeihilfe für die Produktion und die zukünftigen Flächenbeihilfen –, sodass wir mit Bürokratie zurzeit überbelastet sind.
Die Ziele sind – auch politisch gesehen – die Sicherung der Einkommen der Bauern, eine Stärkung der ländlichen Räume und die Sicherung – Kollege Locherer hat es gesagt – der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt.
Wir wissen: Die Kosten und die Preise waren hoch. Wir haben bisher viel Geld für Ankauf, Lagerung und Transport ausgegeben; wir haben viel Geld für Überproduktion und Bürokratie ausgegeben. Bürokratie ist immer noch im Boot; die anderen Bereiche sind verbessert worden.
Wie bekommen wir es hin, dass auf den verfügbaren Agrarflächen der EU auch Biomasse zur Energieerzeugung nachhaltig angebaut wird?
Wir hatten in der letzten Woche eine Anhörung zur Bioenergie. Das Ziel der zehnprozentigen Beimischung – längerfris tig sogar einer noch viel höheren Beimischung – ist offensichtlich ein falsches Instrument. Hier gilt es schnell zu korrigieren.
Wir brauchen hier ein Moratorium zumindest für Treibstoffe. Wir brauchen es weniger oder gar nicht für Biomasse und Bio gas, aber es muss gelingen, ein schnell funktionierendes Zertifizierungssystem aufzubauen. Klar ist, dass der mit ökologischen Erwägungen – die allerdings zu kurz gedacht sind – begründete Einsatz von Ethanol oder Biodiesel aus Palmöl als Kraftstoffe für unsere Autos nicht dazu führen darf, dass wir das Weltklima andernorts noch mehr schädigen.
Wichtig ist Folgendes – das möchte ich loswerden –: 1960 standen pro Kopf der Weltbevölkerung 0,45 ha landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung. Im Jahr 2020 werden es weniger als die Hälfte, nämlich 0,21 ha, sein. Dieses Verhältnis funktioniert so nicht weiter, schon gar nicht bei Bioproduktion. Zur weiteren Verdeutlichung: Mit 1 ha Kartoffelanbau lassen sich 22 Menschen ein Jahr lang ernähren, mit 1 ha Getreideanbau noch neun Menschen und mit 1 ha Weideland für die Rinderzucht 0,6 Menschen. Auf 1 ha Land lassen sich 1 400 Liter Diesel produzieren. Wenn man das Ganze umrechnet, heißt das: Von dem Land, das benötigt wird, um eine Tankfüllung von 80 Litern zu produzieren, kann ein Mensch in der Dritten Welt ein Jahr lang seinen Kalorienbedarf decken.
Unser Biodiesel- und Biokraftstoffsystem muss unter diesen Gesichtspunkten auf einen sehr strengen Prüfstand gestellt werden. Schon heute ist zu prüfen, ob der Anbau von Energiepflanzen überhaupt noch mit Prämien bedacht werden darf. Die Ziele dieser Prämien waren ganz andere als das, was sich heute an Auswirkungen zeigt.
Die EU hat eine Degression der Direktzahlungen vor. Sie will also die direkten Einkommen abschmelzen, und sie plant die Anhebung der obligatorischen Modulation, den Ausstieg aus der Milchquote und die Systemvereinfachung und -verlässlichkeit. Das ist richtig, notwendig und dringend. Für uns ist eine weitere Verlagerung von Zahlungen aus der ersten in die zweite Säule wichtig. Diese Verlagerung, der wir zustimmen, darf jedoch nicht übertrieben werden. Denn die Betriebe brauchen Verlässlichkeit in der Planung. Sie brauchen diese Einkommen, und die Balance ist herzustellen.