Protocol of the Session on April 30, 2008

mit nachhaltig bewirtschaftbaren Flächen einsetzt, hätte man schon früher kommen können. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Christine Rudolf SPD: Sie aber auch, oder? – Abg. Franz Un- tersteller GRÜNE: 5 Millionen t in der EU jedes Jahr eingeführt!)

Nein, nein. Wir sind ja dabei. Entschuldigung!

(Zurufe von der SPD – Zuruf des Abg. Franz Unter- steller GRÜNE)

Wir sind doch gerade dabei, Herr Kollege Untersteller. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen. Sie haben doch mit Fischer und Trittin jahrelang regiert. Das alles wäre doch machbar gewesen. Die Agrarreform, über deren Zwischenbilanz wir uns jetzt gerade unterhalten, ist doch unter der Ägide von Künast entstanden. Ich weiß gar nicht, worüber Sie sich aufregen. Das ist noch gar nicht lange her.

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sie scheinen ein Trauma zu haben mit Künast! Anders kann es gar nicht sein! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Halten Sie doch einmal ei- ne Rede, ohne Künast zu erwähnen! – Unruhe)

Nein. Wir reden im Augenblick über die Zwischenbilanz der Agrarreform und über die Neuausrichtung. Jetzt sagen Sie, die Grundfesten seien auch nichts. Aber gerade, als es um die Grundfesten ging, waren Sie mit an der Regierung beteiligt.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Künast ist für Sie ein Trauma, oder?)

Das ist schon interessant, aber sei’s drum.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um die Frage der zukünftigen Ausrichtung der Betriebe. Deshalb müssen wir alles tun, damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg gestärkt wird. Dabei weisen unsere Betriebe ein paar Unterschiede gegenüber anderen auf: Sie sind kleinteiliger strukturiert. Wir haben aber auch mehr Möglichkeiten der Diversifizierung. Das ist anders als in anderen Bereichen Deutschlands und Europas.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und die Kaufkraft!)

Insofern werden wir, wenn es Mittel aus der sogenannten zweiten Säule gibt, diese sicherlich nicht primär dafür verwenden, um die Förderung beim Thema Agrarumwelt noch deutlich weiter aufzustocken, sondern wir werden sie primär dafür verwenden, um damit die Investitionsförderung auszubauen, weil die Betriebe in den nächsten Jahren investieren müssen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Genau!)

Sie müssen sich wettbewerbsfähig aufstellen. Das ist jetzt das Gebot der Stunde. Je benachteiligter Regionen sind, desto wettbewerbsfähiger müssen sie letztendlich sein und umso mehr bedürfen sie für diese Umstellungsphase auch der Hilfe des Staates.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der erste Bereich.

Der zweite Bereich ist: Was macht die EU in diesem Sektor überhaupt? Sie wird gar nicht so sehr viel ändern. Da gibt es ein paar eher technische Fragen. Aber dem Grunde nach, Herr Kollege Winkler – das haben Sie jetzt gerade beklagt –, war doch der Weg richtig, dass die Europäische Union abkommt von Interventionen, dass sie keine produktbezogenen Subventionen oder produktbezogenen Ausgleichsleistungen gibt,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Kühlhal- len!)

sondern dass sie nur noch betriebsbezogen und flächenbezogen Ausgleichsleistungen gibt. Wir sind uns doch einig,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Kein Dissens!)

dass der Weg in Richtung Markt damals richtig war, der dann 2013 vollendet sein wird. Dann gibt es keine Interventionen mehr. Was Frau Künast und andere in den letzten Tagen von sich gegeben haben – die deutsche und die europäische Landwirtschaft seien schuld an allem Elend der Welt –, das stimmt nicht. Das hat noch nie gestimmt, und es stimmt in Zukunft erst recht nicht mehr, weil wir genau diesen Pfad derzeit verlassen. Das ist das eine.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Warum muss man den dann verlassen?)

Das Zweite ist: Wenn aber diese Entkopplung der Direktzahlungen richtig ist, hat es keinen Sinn, Herr Kollege Winkler, wenn Sie dann sagen: Jetzt müssen wir aber gleich wieder für ein paar Bereiche versuchen, sofort Restriktionen einzuführen.

Dem Landwirt in einem Markt, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann es völlig wurscht sein, wofür er produziert, ob er Nahrungsmittel produziert, ob er Landschaft produziert oder ob er Bioenergie produziert. Entscheidend ist, dass er davon sein Auskommen hat. Das ist letztendlich der entscheidende Punkt: Er muss wirtschaftlich überleben können. Da mache ich überhaupt keinen Unterschied.

(Beifall des Abg. Karl Rombach CDU – Abg. Karl Rombach CDU: Richtig!)

Und er muss sich an anerkannte Regeln des Rechts halten. Das ist das, was wir unter Fachrecht verstehen: Er muss sich an unsere Umweltbestimmungen, an die Bestimmungen des Wasserschutzes, des Bodenschutzes, der Luftreinhaltung etc. halten. Wenn er sich daran hält, soll, kann und darf er produzieren, was er will.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Aber, aber!)

Das ist dann letztendlich Sache der Märkte. – Aber natürlich, Herr Kollege Winkler. Sie schreiben dem Maschinenbauer doch auch nicht vor, ob er Ventilatoren produziert

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

oder ob er Kanonenrohre produziert; er muss letztendlich einen Absatzmarkt dafür haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür brauchen wir allerdings auch schlanke und praxistauglich gestaltete Fachrechtsregelungen. Wir müssen uns außerdem überlegen, wie wir die Mittel ein Stück weit neu justieren. Das ist der Kernpunkt der gesamten Debatte. Die Europäische Union schlägt ja eine Modulation vor. Das heißt, von den Betriebsprämien, die pauschal pro Hektar bezahlt werden, sollen Mittel in die sogenannte zweite Säule umgeschichtet werden, also für Agrar umweltprogramme, für Investitionsförderungen oder für die Förderung der ländlichen Räume. Das sind die drei Bereiche der zweiten Säule.

Wir haben gesagt: Das Wichtigste für unsere Landwirte ist zunächst einmal die Planungssicherheit bis zum Jahr 2013. Wenn es sich dann auf dem Verhandlungsweg als notwendig erweisen sollte – bei dem, was man aus Brüssel bisher hört, könnte das ja sein –, Kompromisse zu finden, dann ist ein Kompromissweg sicherlich der der sogenannten progressiven Modulation. Das heißt, mit steigender Betriebsgröße werden mehr Mittel von Säule 1 – Betriebsprämie – nach Säule 2 umgeschichtet. Das ist meines Erachtens auch der Königsweg, denn er belastet die großen Betriebe deutlich stärker. Das sind diejenigen Betriebe, deren Fixkostenanteile ohnehin deutlich sinken. Sie haben schon Größenvorteile, und sie werden dann stärker belastet. Ich glaube, man muss versuchen, diesen Kompromissweg letztlich auch tatsächlich zu gehen.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Die spannende Frage wird sein: Wie stellt sich ein Spezialsektor, nämlich die Milchwirtschaft, bei uns im Land auf? 30 bis 40 % der Kühe bei uns hängen noch an den Stricken – in der Anbindehaltung. Man wird aus arbeitswirtschaftlichen Gründen einiges dafür tun müssen – Stichwort Wettbewerbsfähigkeit –, dass sich dies verändert. Das heißt, auch diese Betriebe brauchen Investitionshilfen und Investitionsförderung, damit sie sich möglichst schnell dem Wettbewerb stellen können.

Unser umweltpolitisches Interesse besteht natürlich darin, so viel wie möglich an Grünland zu erhalten, denn Grünland ist der Nährboden für Biodiversität. Wir haben nirgendwo so viel Artenvielfalt wie auf dem Grünland. Neben dem Wald ist Grünland auch die einzige nennenswerte CO2-Senke, die wir haben. Denn Grünland speichert gleich viel CO2 wie der Wald. Auch aus Klimaschutzgründen ist die Grünlanderhaltung und damit die Grünlandbewirtschaftung zwingend notwendig.

Wenn es uns dabei gelingt, die notwendigen Rahmenbedingungen für diese Bereiche richtig zu gestalten, dann sind wir, glaube ich, für die nächsten Jahre aufgestellt. Dann sind wir vor allem in der Richtung aufgestellt, dass sich die Landwirte auch auf das Marktgeschehen voll konzentrieren können. Dazu wird es noch Hilfestellungen im Bereich der Ernährungswirtschaft bedürfen. Das fängt bei der Milchwirtschaft an und reicht bis hin zu anderen verarbeitenden Firmen. Aber die Einstellung auf den Markt wird volle Konzentration erfordern. Sie wird von allen, die am Marktgeschehen beteiligt sind, eingefordert werden. Da wird letztlich auch keiner außen vor bleiben können.

Das gilt aber auch am Ende der Kette für den Lebensmittel einzelhandel. Denn machen wir uns nichts vor: Auch dort besteht die Gefahr des Oligopols. Diese Gefahr ist vorhanden.

Oligopole haben in einer sozialen Marktwirtschaft nichts verloren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Deshalb muss der Staat auch kartellrechtlich rechtzeitig einschreiten, wenn es Gefahren für den Wettbewerb gibt. Wir brauchen Wettbewerb, aber nicht nur unter den Landwirten, nicht nur in der Ernährungswirtschaft. Wir brauchen Wettbewerb auch am Ende der Kette im Lebensmitteleinzelhandel.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist aber bitte Berlin!)

Ja, da ist natürlich auch Berlin gefordert; das ist gar keine Frage. Aber man darf dies nicht aus dem Blick verlieren. Andernfalls stehen wir am Ende dort, wo wir in der Energiewirtschaft heute stehen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Es kann nicht unsere Zielsetzung sein, dass letztlich drei, vier Große, die sich womöglich zum Teil sogar noch Gebietsmonopole verschaffen, den Markt gänzlich unter sich aufteilen. Aus diesem Grund bedarf es auch dort von vornherein und vorausschauend entsprechender Regulierungsmechanismen, damit man erst gar nicht in eine solche Situation gerät. Aber auch dies muss man politisch wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und man muss es auch aktiv vorantreiben. Dann wird – davon bin ich überzeugt – der Lebensmitteleinzelhandel in der Lage sein, die Menschen nicht nur europa-, sondern auch weltweit zu versorgen. Unsere Landwirte werden in der Lage sein, auch weltweit genügend Innovations- und Wettbewerbskraft aufzubringen, um die Menschen weltweit mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgen zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Nachdem die Regierung im Vergleich zur Redezeit der Fraktionen unverhältnismäßig lange gesprochen hat,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wie so oft!)

werde ich jetzt die Redezeiten für alle Fraktionen verlängern.

(Unruhe – Zurufe von der CDU)

Man sollte das schon einhalten. Es geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Minister 25 Minuten lang spricht, wenn alle Fraktionen zusammen nur 20 Minuten Redezeit haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf von der SPD: So ist es! – Lachen des Abg. Hans Heinz CDU)