Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Grünen begrüßen es sehr, dass die Landesregierung 17 Monate nach Abschluss der Vereinbarung zwischen dem Ministerpräsidenten und den kommunalen Landesverbänden ihre Hausaufgaben, die sie damals mitgenommen hat, nun endlich vorlegt.
Herr Innenminister, es hat natürlich ganz besondere Gründe, warum es so lange gedauert hat. Über die muss man aber heute noch ein bisschen reden, um die Historie dieses erweiterten Konnexitätsprinzips zu verstehen.
Zunächst einmal von unserer Seite die klare Ansage: Als Partei und Fraktion, die ihre Wurzeln in der Kommunalpolitik hat und auch in Zukunft haben wird, der das Wohlergehen der Kommunen außerordentlich wichtig ist, begrüßen wir diese Vereinbarung. Wir begrüßen auch, dass es ein gemeinsames Paket zwischen Landesregierung, Landtag und kommunalen Landesverbänden geben wird. Das ist ein großer Fortschritt für das Land Baden-Württemberg, und ich darf für meine Fraktion bereits jetzt signalisieren, dass es an uns nicht scheitern wird und dass es auch hier im Landtag ein großes Einvernehmen
Allerdings, meine Damen und Herren – und das muss in einer solchen Diskussion auch gesagt werden –, muss der Weg, der zu dieser Vereinbarung geführt hat und der das Ganze zum Teil auch hat mühsam werden lassen, schon noch einmal kritisch beleuchtet werden. Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir sagen, Herr Innenminister, dass die jetzt vorliegende Neufassung des Artikels 71 der Landesverfassung schon ein großes Stück weit den Geist des Misstrauens der letzten Jahre atmet.
(Minister Heribert Rech schüttelt den Kopf. – Abg. Reinhold Gall SPD: Natürlich! – Abg. Hans Georg Junginger SPD: Das ist doch klar!)
Nur damit kann man sich doch eigentlich erklären, dass wir jetzt einen Verfassungstext haben, der sehr ungewöhnlich ist. Statt schlank, klar und präzise und für jedermann auf Anhieb verständlich ist er sehr umständlich und eigentlich letztendlich nur den Expertinnen und Experten zugänglich. Das hat natürlich eine Geschichte. Wer es nicht glaubt, schaue sich bitte die vorgeschlagene Neufassung von Artikel 71 an. Eine solche Formulierung ist für eine Verfassung außerordentlich ungewöhnlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Unsere Interpretation dafür ist: Offenbar hatten es die Kommunen satt, ständig über neue Versuche des Landes zu diskutieren, das Konnexitätsprinzip doch noch auszuhebeln oder zu umgehen. Das war ja die leidvolle Praxis der letzten Jahre. Der Staatsgerichtshof war in vielen Fragen für die Kommunen auch keine besondere Stütze, um das an dieser Stelle einmal ganz deutlich zu sagen.
(Abg. Hans Georg Junginger SPD: Im Gegenteil! – Abg. Reinhold Gall SPD: Um es ganz zurückhaltend auszudrücken! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das war bisheriges Verfassungsrecht!)
Wer könnte also nach dieser Historie mit vielen berühmten Beispielen, wo im Bundestag und im Landtag in Sonntagsreden neue Aufgaben gefeiert und ausgelobt wurden, die allerdings unten bitter und teuer bezahlt werden mussten, weil keine Finanzmittel gefolgt sind, das Bemühen der Kommunen nicht verstehen, endlich einmal Klarheit zu erreichen, und zwar auch deshalb, um nach vielen Jahren auf Augenhöhe mit der Landesregierung und dem Landtag verhandeln zu können? Das war, denke ich, das Ziel. Das müssen wir verstehen und akzeptieren. Meine Fraktion jedenfalls tut es, und deshalb kommen wir heute zu einem Fortschritt, auch wenn wir einen Verfassungstext haben, der uns – daraus mache ich keinen Hehl – nicht besonders gefällt. Aber aus den erwähnten Gründen sehen wir darüber hinweg.
Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass meine Fraktion – ich sage das mit gewissem Stolz und schaue auf meinen Vormann, meinen Vorsitzenden – im Jahr 2005, was die künftige, praxisnahe Anwendung des Konnexitätsprinzips betrifft, eine gute Vorlage geliefert hat, und zwar mit unserem damaligen Antrag zur Einführung eines Konsultationsverfahrens. Bemerkenswert ist für uns, dass in den Verhandlungen und im vorliegenden Gesetzentwurf viele Elemente unserer damaligen Vorschläge übernommen worden sind. Darüber freuen wir uns ausdrücklich.
Klarheit in der Anwendung des Konnexitätsprinzips war also ein wichtiges Ziel der Kommunen. Dieses Ziel wird erreicht. Machen wir uns aber deutlich: Sie haben es teuer erkauft: mit der Finanzierungsvereinbarung über vier Jahre in der Größenordnung von 1,2 Milliarden €, mit dem Verzicht auf die Spitzabrechnung über einige Jahre, also mit einem Gesamtpaket an Gegenleistungen der Kommunen in Höhe von 2 Milliarden €. Daran sehen wir, wie wichtig es der kommunalen Seite offensichtlich war, in der Frage der Konnexität endlich Klarheit zu erreichen.
Zum Schluss eine Prognose: Vielleicht – das wäre aus unserer Sicht durchaus wünschenswert – ist das wichtigste Ergebnis der Änderung der Landesverfassung und des neuen Konnexitätsausführungsgesetzes, dass die Begeisterung des Landtags oder auch des Bundestags, den Kommunen von oben immer neue Aufgaben aufzubürden, schlagartig nachlässt,
vielleicht sogar gegen null geht. Damit wäre die kommunale Selbstverwaltung auch gestärkt, und die Verhältnisse wären wieder geradegezurrt.
(Beifall bei den Grünen und des Abg. Reinhold Gall SPD – Abg. Hans Georg Junginger SPD: Das wird wohl nicht möglich sein!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! So einfach das Konnexitätsprinzip im Grundsatz ist – es ist ja nichts anderes als das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ –, so schwierig, so diffizil ist die Materie in den Details.
Schon lange drängen die kommunalen Landesverbände auf eine Präzisierung und Erweiterung der Regelungen in Artikel 71 Abs. 3 unserer Landesverfassung. Denn für die Gestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen ist dieses Prinzip der Konnexität von entscheidender Bedeutung. Die FDP/DVP hat sich hierzu immer klar positioniert. In unserem Regierungsprogramm zur Landtagswahl heißt es:
Wir wollen … das in der baden-württembergischen Landesverfassung enthaltene Konnexitätsprinzip (Artikel 71 Abs. 3) nach bayerischem Vorbild verschärfen: „Überträgt der Staat den Gemeinden Aufgaben, verpflichtet er sie zur Erfüllung von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis oder stellt er besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben, hat er gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu stellen. Führt die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.“
Nach der erfolgreichen Landtagswahl konnten wir das Thema bei den Koalitionsverhandlungen einbringen. Allerdings war unser Erfolg dabei noch begrenzt. Mehr als einen Prüf auftrag ließ sich unser in dieser Frage eher sperrig verhaltender Koalitionspartner nicht abhandeln; das möchte ich an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen.
Umso erfreuter sind wir, dass es uns dann in den weiteren Verhandlungen im Herbst 2006 gelungen ist, das Konnexitätsprinzip voranzubringen. Ich glaube, dass unser Ministerpräsident Günther Oettinger damals in einer sehr schwierigen Haushaltslage froh war, dass wir den Prüfauftrag bereits in der Koalitionsvereinbarung verankert hatten. Denn dann konnten wir in den Verhandlungen mit den kommunalen Landesverbänden eine Verstetigung der Ausgaben im Finanzausgleich für die Kommunen – allerdings damals verbunden mit einer konsolidierungsbedingten Kürzung – mit der Umsetzung des Konnexitätsprinzips, das auf Dauer Eingriffe zulasten der Kommunen verhindern soll, verbinden.
Ich bin als Kommunal- und Landespolitiker der Auffassung, dass es im Interesse der Kommunen liegt, dass das Land einen ausgeglichenen Haushalt vorweist, wie wir ihn nun erreicht haben. Das ist auch immer ein zentrales Anliegen der FDP/DVP gewesen und konnte gemeinsam mit unserem Koalitionspartner CDU jetzt umgesetzt werden. Gleichzeitig haben wir mit dem Konnexitätsprinzip dauerhaft eine Sicherung in die Verfassung eingebaut,
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammen mit einer Verständigung über diesen Solidarbeitrag der Kommunen zur Konsolidierung des Landeshaushalts wurde also vereinbart, die Landesverfassung zu verändern. Natürlich musste die Regelung so abgestimmt werden, dass eine breite, verfassungsändernde Mehrheit hier im Haus möglich ist. Hier ist eine grundsätzliche Übereinstimmung der Fraktionen vorhanden; der Kollege Junginger hat das ja auch ausgeführt.
Die Regelungen beinhalten auch eine Stärkung der Stellung der kommunalen Landesverbände. Auch das – das halte ich für unsere Fraktion noch einmal fest – ist für uns von entscheidender Bedeutung. Das bedeutet, dass in Konsultationsverfahren die Vertreter der Kommunen eine starke Position haben.
Die Erfahrungen in Österreich – wir haben uns das ja vor Ort angeschaut – haben gezeigt, dass das Konnexitätsprinzip dazu führt, dass dann doch noch einmal überlegt wird, ob überhaupt eine zusätzliche gesetzliche Regelung geschaffen wird, ob der Staat überhaupt in neue und zusätzliche Aufgaben einsteigt. Das Konnexitätsprinzip hat sich dort in der Praxis als Gesetzesbremse, als Bürokratiebremse erwiesen. Ich glaube, es ist auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, dass wir sie nicht immer weiter mit neuen Gesetzen und mit neuer Bürokratie belasten.
Die weitere Beratung wird ja noch in den Ausschüssen erfolgen. Der vorgelegte Text ist komplizierter und sperriger zu lesen als der heute noch geltende Absatz der Verfassung; aber die Präzisierung und Verschärfung des Konnexitätsprinzips ist erforderlich, um den Kommunen eine deutlich größere Absicherung bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen zu garantieren.
Die FDP/DVP hat sich mit aller Entschiedenheit für die Belange der kommunalen Selbstverwaltung eingesetzt. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir uns gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden durchsetzen konnten. Aber wir haben ein weiteres Mal unter Beweis stellen können, dass es sich lohnt, dicke Bretter zu bohren. Wir haben Wort gehalten.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 14/2442 zur weiteren Beratung an den Innenausschuss und – federführend – an den Ständigen Ausschuss und den Gesetzentwurf Drucksache 14/2443 an den Finanzausschuss und – federführend – an den Innenausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums – Gutachtliche Äußerung des Rechnungshofs zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Finanzierungsbeteiligung des Landes an der Realisierung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm – Drucksache 14/1741