Protocol of the Session on April 3, 2008

(Abg. Alfred Winkler SPD: Jetzt kommt etwas Neues! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird wieder zur Sache gesprochen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte mich schon über den Tenor Ihrer Rede, Herr Rivoir, gewundert. Denn Sie haben immer vom Ingenieurmangel gesprochen. Meiner Ansicht nach geht es mehr um einen Ingenieurinnenmangel als um einen Ingenieurmangel.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig! – Abg. Martin Rivoir SPD: Dann wäre meine Rede doppelt so lang gewe- sen!)

Das wäre ein Wort gewesen. Doppelt so lang wäre sie also nicht gewesen.

In der Tat haben wir vor allem in Baden-Württemberg einen Ingenieurmangel, aber insbesondere deshalb, weil wir so viele Arbeitsplätze in diesem Bereich haben, weil wir der Produktionsstandort Nummer 1 in Europa sind und ein derzeit so prosperierender Produktionsstandort mit Wachstumsraten sind, wie es sie gegenwärtig nirgendwo sonst in der Europäischen Union gibt. Die Wachstumsraten in der Entwicklung unserer Wirtschaft hängen sehr stark von der Qualität unserer Ingenieurinnen und Ingenieure ab.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Dem Ingenieur ist nichts zu schwör!)

In der Tat geht es hier in erster Linie um die Erstausbildung. Denn weiterbilden kann ich eigentlich nur die, die schon Ingenieure sind. Ich löse also das Problem nicht durch Weiterbildung, sondern vor allem dadurch, dass ich mehr junge Leute für das Studium der Ingenieurwissenschaften gewinne und in der Tat auch mehr Absolventen zum Abschluss bringe.

Deshalb haben wir im Programm „Hochschule 2012“ einen deutlichen Schwerpunkt der insgesamt 16 000 zusätzlichen Studienanfängerplätze auf den Bereich Naturwissenschaften/ Ingenieurwissenschaften gelegt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist auch richtig!)

Wir wurden von der Opposition übrigens zum Teil mit der Aussage kritisiert, wir hätten zu wenig auf Geistes- und Sozialwissenschaften Rücksicht genommen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Man kann aber einen Studienplatz immer nur einmal schaffen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Insofern glaube ich, dass es für die Zukunft des Landes richtig und wichtig gewesen ist, dass wir diesen Schwerpunkt gelegt haben.

In der ersten Phase sind es 3 000 neue Studienanfängerplätze, vornehmlich im Bereich der Ingenieurwissenschaften, und sie werden angenommen. Wir haben im Bereich der Berufs akademien – etwa im Maschinenbau – ein Plus von 20 %, wir haben in den Fachhochschulen insgesamt ein Plus von 8 %.

Frau Bauer, ich sehe immer, dass Sie ungeheuer universitätsbezogen sind. Sie nehmen immer nur die Zahlen der Universitäten. Diese Landesregierung betrachtet alle Hochschulen – nämlich die Universitäten, die Fachhochschulen und die Berufsakademien – als gleichwertig, und insgesamt haben wir dort ein deutliches Plus an Anfängern im Ingenieurbereich.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: In der Summe bleibt es trotzdem im Minus! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Nein! Das hat er doch schon längst klargemacht! – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Doch!)

In der Summe haben wir mehr. – Die Umstellung des Studiensystems auf Bachelor und Master gibt uns allerdings neue Chancen. Zum einen verkürzt sich das Studium möglicher Absolventen aus dem Universitätsbereich, und zum anderen führt, glaube ich, die Stufung dazu, dass es weniger Abbrecher gibt, weil man ein erstes Ziel rascher erreicht und damit sozusagen einen ersten sicheren Hafen erreicht. Zum Zweiten kann das Masterstudium – das geht dann in Richtung Weiterbildung – auch berufsbegleitend und nicht nur konsekutiv absolviert werden.

Insofern haben wir ein Maßnahmenbündel ergriffen, mit dem wir, glaube ich, von unserer Seite dem Ingenieurmangel abhelfen. Was wir in der Tat schaffen müssen, ist, mehr Interesse für den Ingenieurberuf zu wecken. Aber die Wahrnehmung der neuen Studienplätze, die mit dem Programm „Hochschule 2012“ geschaffen worden ist, zeigt mir, dass das Interesse der jungen Menschen vorhanden ist.

Wenn wir uns fragen, wie wir die Abbrecherquoten senken können, so ist sicherlich die Frage der Eingangsüberprüfung wichtig. Denn die Eingangsüberprüfung gibt schon einen Hinweis auf die mögliche Berufsqualifikation und auf die Studienqualifikation. Wir werden dadurch – das zeigen auch die ers ten Ergebnisse – die Abbrecherquoten senken.

Es ist übrigens eine Theorie, dass die Fachhochschulen immer theorielastiger würden. Sie sind – wenn Sie die Umstellung der bisherigen Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master sehen – bei ihren Leisten eines anwendungsorientierten Studiums geblieben. Vor allem haben wir im Berufs akademiebereich kaum Abbrecher. Dort haben wir eine Erfolgsquote von etwa 90 % und eine entsprechend hohe Quote beim Übergang in die Betriebe.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aus Südba- den!)

Aber bitte, Herr Winkler.

Bitte, Herr Abg. Winkler.

Herr Minister, Sie haben eingangs gesagt und jetzt wiederholt – und da stimme ich Ihnen zu –, wir müssten mehr junge Leute dazu animieren, Ingenieurstudiengänge aufzunehmen. Wie gehen wir dann damit um, Herr Minister, dass es an Fachhochschulen und an Universitäten Ingenieurstudiengänge gibt, bei denen die Ausfallquoten bis zu 30 % eines Jahrgangs junger Leute, die interessiert daran wären, einen solchen Studiengang zu absolvieren, betragen?

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Gibt es kein besseres Instrument als das der Aussortierung, als 30 % eines Jahrgangs rauszuschmeißen, um am Ende das Qualitätsmerkmal möglichst hoch zu halten? Ist das interessant?

(Abg. Werner Raab CDU: Es darf kein Dumping ge- ben!)

Herr Winkler, zunächst einmal hatte ich gesagt, dass die Überprüfung der Eingangsqualifikation und das Aufnahmeverfahren sehr wichtig sind, um die tatsächliche Studierfähigkeit festzustellen, und dass dies nach aller Erfahrung zu einer Senkung der Abbrecherquoten führt.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Das Zweite ist: Es wird nie eine Abbrecherquote von null geben. Denn jedes Hochschulstudium ist nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Angelegenheit. Wir brauchen gute Ingenieure. Auch ich halte eine Abbrecherquote von einem Drittel für zu hoch.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sehen Sie!)

Aber wir tun alles – sowohl in den Curricula wie auch in zusätzlichen Tutorien, wie auch durch die Überprüfung der Eingangsqualifikation –, um diese Prozentsätze zu senken. Aber irgendwo bei 10, 15 % werden Sie eine normale Drop-outQuote haben und tolerieren müssen.

Nun zur Frage der Weiterbildung. Die Weiterbildung ist sicherlich wichtig, um die Ingenieurinnen und Ingenieure à jour zu halten. Herr Löffler hat zu den Programmen, die es im Land gibt, alles gesagt. Wir müssen allerdings sehen, dass ein großer Teil der Weiterbildung in den Betrieben stattfindet, dass es eine Daimler-University gibt, dass es eine SAP-University gibt

(Abg. Martin Rivoir SPD: Mittelstand!)

und dass dort unsere Hochschulprofessorinnen und -professoren an dieser Weiterbildung aktiv mitwirken.

Es gibt also zwei Märkte. Es gibt die Aktivität der Mitglieder der Hochschulen in der betrieblichen Weiterbildung, und es gibt die Weiterbildungsangebote der Hochschulen für die Unternehmen. Immer mehr Unternehmen tendieren übrigens zu diesen Inhouse-Angeboten, ganz einfach deshalb, weil sie auch ihre Unternehmensgeheimnisse und -spezialitäten gewahrt bzw. gedeckt wissen wollen. Deswegen wollen sie die Weiterbildung lieber im Unternehmen als außerhalb des Unternehmens laufen lassen.

Ansonsten ist das Ganze eine Frage des Angebots und der Nachfrage. Die kann man nicht planwirtschaftlich regeln. Vielmehr muss es darum gehen, das Angebot der Hochschulen bereitzuhalten. Es muss um die Bereitschaft der Professorinnen und Professoren gehen, in den Unternehmen Weiterbildung zu leisten, um die Ingenieurinnen und Ingenieure, die da sind, auf dem höchsten Niveau zu halten.

(Zuruf des Abg. Werner Raab CDU)

Wir müssen aber auch versuchen, in Masterangeboten, die nicht konsekutiv sind, Absolventen anderer, ingenieurnaher Fächer, etwa der Naturwissenschaften, zu Ingenieuren auszubilden. Diesen Vorteil des Bologna-Prozesses nutzen wir noch zu wenig, weil wir immer noch zu sehr im konsekutiven Sys tem denken. In anderen Ländern übrigens werden Bachelor absolventen aus anderen Bereichen über Masterangebote zu Medizinern ausgebildet. Man staune: Es gibt sogar Länder, in denen Bachelorabsolventen aus anderen Bereichen in einem Masterstudiengang zu Juristen qualifiziert werden. Das heißt also, diese volle Bandbreite des Bologna-Prozesses haben wir bis jetzt noch nicht genutzt.

Ich glaube, meine Damen und Herren, wir haben alles getan, um mehr junge Leute, vor allem mehr Frauen, für das Ingenieurstudium zu gewinnen. In den Schulen wird einiges getan. Die Unternehmen müssen allerdings auch einiges tun. In der Tat war die Entlassungswelle der Neunzigerjahre kontraproduktiv, denn danach hatten wir einen Einbruch der Anfängerzahlen.

Zum Zweiten verstehe ich immer noch nicht, dass es heute noch Altersteilzeit für Ingenieurinnen und Ingenieure im Alter von 55 oder 57 Jahren gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Hier müssen wir uns auch fragen, ob immer der Staat alle Probleme lösen muss.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Ich glaube vielmehr, das ist eine gemeinsame Aufgabe der Gesellschaft. Wir haben die Aufgaben und die Notwendigkeiten erkannt und tun das Nötige.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Brillante Rede!)

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