Protocol of the Session on April 2, 2008

Das Wort erteile ich Herrn

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Schlachter!)

Abg. Schlachter.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Schlachter und Fleischer! – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Kein Metzger!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit etwa einem Jahr diskutieren wir über eine Finanzmarktkrise. Ausgehend von der Industriekreditbank hat sie auch die Landesbanken in den Schlagzeilen erfasst. Auch unsere Landesbank war im Frühjahr leider dran. Sie kam über eine indirekte Beteiligung bei einem Liechtensteiner Bankhaus und auch mit einer angeblichen Wertberichtigung für Finanzmarktgeschäfte mit 1,1 Milliarden € in die Gazetten. Vielleicht sind auch Zweifel angebracht, denn die Bayerische Landesbank spricht momentan von 4 Milliarden € Verlusten.

Abschreibungen und Wertberichtigungen kosten einfach auch Steuern, belasten die Haushalte und lösen kein besonderes Vertrauen der Bürgerschaft in die öffentlich-rechtlichen Banken und in die Sparkassen aus. Nicht umsonst fordern wir bei der Fusion mit der Sachsen LB vom dortigen Land, vom dortigen Steuerzahler eine Bürgschaft in einer Größenordnung von 2,7 Milliarden €. Es gibt Experten, die daran zweifeln, dass das ausreichen wird.

Das sind alles in allem für uns Grüne genügend Gründe dafür, dass sich das Landesparlament einmal mit dem Thema Landesbanken beschäftigen sollte.

Wir müssen natürlich auch Fragen aufwerfen, die sich in diesem Zusammenhang stellen: Warum sind Landesbanken, auch unsere LBBW, mit hoch spekulativen Produkten in ihren Portfolien unterwegs? Brauchen wir eine Neuausrichtung, damit wir hinterher bei den Landesbanken Margen haben, die es ermöglichen, zu leben, ohne riskante Geschäfte zu machen? Stimmt die Geschäftspolitik unserer LBBW als Spitzeninstitut der Sparkassen? Wir müssen das hinterfragen.

Dann ist die Frage: Welche Instrumente setzen Aufsichtsräte und Verwaltungsräte ein, um die Landesbanken vernünftig zu

überwachen? Es gibt hier im Haus einige Persönlichkeiten, die dazu etwas sagen können.

Dann ist auch die Frage: Wie macht es das Finanzministerium? Wie überwacht es die Landesbanken? Welche Expertise herrscht vor? Sind diese Mittel, die eingesetzt werden, überhaupt noch adäquat? Und ist es angesichts eines globalisierten und auch spezialisierten Finanzmarkts überhaupt noch zeitgemäß, Verwaltungs- und Aufsichtsräte überwiegend mit Politikern zu besetzen?

Klar wurde und ist, dass es den meisten Landesbanken insgesamt an einem tragfähigen Geschäftsmodell mangelt. Unsere Landesbank verdankt ihre komfortable Lage überwiegend dem Umstand, dass über die Tochter BW-Bank letztlich im Kundenbestand der Sparkassen kannibalisiert wird. Wir müssen also etwas tun. Es gibt offene Fragen.

Keine Frage ist, dass die Sparkassen und die Landesbanken mit die stärkste Säule im dreigliedrigen Bankensystem hier in unserer Landschaft sind. Ich halte die Sparkassen eigentlich für die Wirtschaft und auch für die Privaten für unverzichtbar. Sie machen in der ganzen Breite wirklich einen guten Job.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord- neten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

In der aktuellen Finanzmarktkrise hat sich dieses Dreisäulenmodell der deutschen Finanzwirtschaft stabilisierend bewährt; das muss man sagen. Ich glaube, wir können heute sagen: Aufgrund dieser stabilen Lage gibt es bei uns weder Kredit- noch Liquiditätskrisen. Ich glaube, dass dies so bleibt, ich hoffe es auch.

Wir als Landespolitiker sind aber in der Verantwortung, hier den öffentlich-rechtlichen Sektor anzuschauen. Wenn dieser Sektor, also die Sparkassen, weiterhin im Wettbewerb gut überleben will, dann sind wir doch aufgerufen, uns Gedanken über die zukünftigen Strukturen zu machen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aha!)

Werte Kolleginnen und Kollegen, es reicht nicht, wenn der eine oder andere von Ihnen da und dort im Verwaltungsrat einmal die Hand hebt.

(Abg. Alfred Winkler SPD: So ist es!)

Ich will jetzt hier nicht – damit kein falscher Zungenschlag hereinkommt – irgendwelche Schuldigen suchen oder nach irgendwelchen Wertkorrekturen suchen. Viel dringlicher erscheint mir die Frage der zukünftigen Geschäftsmodelle. Neben der Frage, wie es da und dort zu einer Unstimmigkeit kommen konnte, geht es um die Frage, wie es weitergeht. Ich möchte Ihnen dazu ein paar Vorschläge machen.

Die Sparkassen benötigen in der Breite, wenn sie weiterhin im Markt stark sein wollen, eine hohe Expertise. Sie brauchen also spezielle Produkt- und Dienstleistungslieferanten in der Finanzmarktbranche. Es bedarf einer starken Bausparkasse, eines Investmentbanking-Unternehmens. Es bedarf einer soliden Leasinggesellschaft, es bedarf einer gesunden Hypothekenbank. Es bedarf Spezialdienstleister etwa in der IT, und es bedarf natürlich einer finanzkräftigen und spezialisierten Lan

desbank. Aber ganz wichtig ist – da, glaube ich, müssen wir jetzt die Chancen nutzen und offen das aussprechen, was eigentlich auf diesem Gebiet alle denken –: Alle diese Sparteninstitute und Spartendienstleister brauchen die Sparkassen bundesweit nur einmal und nicht siebenmal.

(Beifall bei den Grünen)

Wir brauchen eine Landesbankenstruktur, die exakt das leis tet, und – ich sage es noch einmal – wir brauchen sie jetzt.

Konkret heißt das, dass alle Standorte, die wir momentan im öffentlichen zentralen Bankenwesen haben, letztlich erhalten blieben, aber zu Finanzspartenstandorten würden. Die Länder, die jeweils Landesbanken oder Spezialinstitute haben, werden also in diesem Fall nicht benachteiligt. Wir lösen die Standorte nicht auf, sondern wir werden letztlich dafür sorgen, dass die Politik über eine Holding bundesweit nach wie vor bei diesen Themen beteiligt ist.

Wir brauchen zukünftig mehr Qualität für die Sparkassen und deren Kundschaft. Wir brauchen Geschäftsmodelle, bei denen nicht weiterhin – damit muss auch Schluss sein – auf dem Rücken der Steuerzahler spekulative Geschäfte gemacht werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir haben hier in Baden-Württemberg eine starke öffentlichrechtliche Bankenlandschaft. Genau deshalb, weil wir diese Stärke haben, sollten wir die Meinungsführerschaft bei der Fortentwicklung dieser Spezialinstitute und der Landesbanken übernehmen. Wir sollten das vor allem im Interesse des Finanzplatzes Stuttgart und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes machen.

Leider habe ich dazu bisher von der Regierung und den sie tragenden Parteien noch nichts gehört. Auch die leitenden Herren in den Banken üben sich in der Kunst des Schweigens.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Sie sind der erste Red- ner!)

Ich hoffe, Herr Mappus, dass wir noch etwas hören. Ich habe ja auch Fragen gestellt.

Eines ist klar: Die Strategie des automatischen Übernehmens weiterer Landesbanken hat ein Ende. Ich glaube nicht, dass Herr Beckstein oder Herr Rüttgers einfach so eine Landesbank hergibt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Warten wir einmal ab!)

Auch wenn es bei Herrn Rüttgers noch viele Milliarden kos ten wird, wird er es nicht tun.

Bei der hier skizzierten Spartenorganisation verliert kein einziges Bundesland irgendwelche Macht, sondern jedes Bundesland bekommt irgendein Spezialinstitut. Die einen werden den anderen nicht über- oder untergeordnet. Das scheint mir angesichts der Eitelkeiten der Ministerpräsidenten sehr, sehr wichtig zu sein.

Wir dürfen – das ist unser Anliegen – jetzt nicht defensiv abwarten, sondern wir sollten das gemeinsam aktiv angehen. Wir sollten jetzt die Stunde nutzen, um die Landesbanken und die Sparkassen neu aufzustellen.

Wenn wir in Baden-Württemberg schon eine führende Rolle haben, dann sollten wir nicht nur mit den Muskeln der Landesbank spielen, sondern wir sollten auch Kopf und Konzepte einsetzen.

Ich habe versucht, mit etwas Überziehungskredit – als Banker darf ich mir den gewähren – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist das! – Abg. Stefan Mappus CDU: Aber nur einmal! – Heiterkeit bei der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Beim ersten Mal ist man schon weit über den Fraktionsvor- sitzenden hinaus!)

Ich habe gute Konditionen, Herr Mappus. Das nimmt man sich als Neuling heraus.

Ich habe jetzt versucht, Ihnen ein paar Konzepte vorzutragen. Es soll eine Diskussion eröffnet werden. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank, dass Sie Ihrem Neuling so aufmerksam zugehört haben. Ich bin gespannt, was wir heute noch an guten Ideen hören und was wir zukünftig zustande bringen werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Scheffold.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Politische Entscheidungen haben manchmal langfristige Auswirkungen. Einmal errungene Erfolge erfahren in der Zukunft ihre Fortsetzung. Genauso geht es falschen Weichenstellungen, die oft auch über Jahrzehnte und Jahrhunderte wirken. Hauptstädte wie Rom, Paris, Madrid oder London haben sich langfristig entwickelt. Im Fußball mag es andere Städte geben, die auch Chancen haben, mitzuspielen und Erfolge zu erzielen. Barcelona ist im Fußball Madrid vielleicht gleichwertig, aber politisch, wirtschaftspolitisch, wirtschaftlich kann es mit Madrid nicht mithalten.

Genauso geht es auch Wirtschaftsunternehmen, Bankplätzen, Wirtschaftsplätzen, Wirtschaftsorten. Wenn einmal ein Sitz festgelegt ist, ist es schwierig, von diesem Sitz wieder wegzukommen. Diesbezüglich ist die Lage in Baden-Württemberg nicht gerade komfortabel gewesen. Wir hatten respektable, aber doch relativ bescheidene regionale Institute, die Landesgirokasse, die SüdwestLB, die L-Bank, aber wir hatten nichts, was mit den in Frankfurt ansässigen Instituten vergleichbar wäre.

Gestern habe ich einmal aus dem Fenster hinüber zum Haus der Geschichte gesehen. „Jud Süß – Propagandafilm im NSStaat“ ist dort groß plakatiert. Dabei habe ich mich daran erinnert, dass ich vor zehn oder zwölf Jahren eine Biografie über

einen bekannten Mann gelesen habe, über Joseph Süß-Oppenheimer, genannt „Jud Süß“, über einen Menschen, der einem Justizverbrechen zum Opfer fiel, dessen Schicksal in der Nazizeit noch einmal aufgegriffen und schwer herabgewürdigt wurde. In dieser Biografie steht:

Auch wenn er, Süß, immer mehr nach Württemberg gezo gen wurde, so konnte er seine Bankgeschäfte doch nur in Frankfurt erledigen. Stuttgart war eine Kleinstadt ohne Banken, ohne Börse, ohne Geldwechsler, ohne Messe, oh ne Wechselrecht und ohne Wechselgericht, ohne Bezie hungen zu den Finanzzentren Europas.

In den Jahren 1734 bis 1736 veranlassten Süß und die mit ihm verbundenen Frankfurter Firmen im Wechselgeschäft mehr als 2 500 Kontenbewegungen. Davon konnte man in Württemberg nicht einmal träumen.