Protocol of the Session on April 2, 2008

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Norbert Zeller: Seit zehn Jahren denken Sie nach!)

Sie waren doch von 1992 bis 1996 mit in der Regierung. Was haben Sie denn damals gemacht? Nichts! Null Komma null!

(Abg. Peter Hofelich SPD: Jetzt kommt das wieder! – Abg. Norbert Zeller SPD: Da hat es noch funktio- niert! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ja, ja, das wissen wir.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Immer dann, wenn Sie in der Opposition sind, sind Sie groß und stark. Wenn Sie aber in der Regierung sind, ist das Ganze schlecht. Die Vergleiche mit Rheinland-Pfalz und Nord rhein-Westfalen, die vorhin von der Frau Kollegin vorgetragen worden sind, zeigen, dass wir diesbezüglich bei Weitem besser sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD)

Aber wir sind uns ja einig, Herr Kaufmann: Wir müssen hier eine gewisse Änderung vornehmen und werden dies im Auge behalten.

Die Debatte über die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu den gewerblichen Schulen bietet zunächst einmal die Gelegenheit, erneut und nachdrücklich auf die hohe Qualität der beruflichen Gymnasien unseres Landes hinzuweisen.

Wir haben in der zurückliegenden Zeit mehrfach über Fragen der Schulstruktur diskutiert. Die Forderungen nach einer Abkehr vom gegliederten Schulwesen in Form einer radikalen Wende werden auch weiterhin erhoben. Wir werden hierzu weitere Debatten führen. Das ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Zentrales Argument dieser Forderungen ist die Behauptung, durch eine völlige oder zumindest teilweise Abkehr vom gegliederten Schulsystem würden vorhandene soziale Disparitäten beim Bildungserfolg und insbesondere beim Zugang zur Hochschule verringert.

Der Hintergrund hierfür ist natürlich PISA. Ich habe in den Debatten hierzu bereits immer wieder darauf hingewiesen, dass sich der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsteilhabe, gemessen am Zugang zur Hochschule, in Baden-Württemberg, meine Damen und Herren, in ganz positivem Sinn erheblich anders darstellt, wenn man nämlich gerade die beruflichen Gymnasien mit in den Blick nimmt.

Rund ein Drittel der allgemeinen Hochschulzugangsberechtigungen – Sie reden hier ja auch vom Technischen Gymnasium – wird in Baden-Württemberg an den beruflichen Schulen erworben. Wir sind da allen anderen Ländern weit voraus. Die Absolventen der beruflichen Gymnasien kommen in der Regel von der Realschule. Sie können ihren mittleren Abschluss aber auch an der Hauptschule erwerben – sprich Werk realschulabschluss. Diese Modernisierung und Öffnung des Schulsystems und der Schulstruktur sind bereits Realität und

müssen nicht erst in Zukunft geschaffen werden, Herr Lehmann. In Baden-Württemberg ist dies Realität. Unser Land ist hierbei Vorreiter. Empirische Untersuchungen belegen dies handfest.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Kleinmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lehmann?

Im Moment nicht. – Sie belegen auch klipp und klar: Unsere beruflichen Gymnasien können im Leistungsvergleich mit den allgemeinbildenden Gymnasien bestens bestehen. Sie leisten einen Beitrag dazu, die Abiturientenquote zu steigern, weil sie auch Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern – das ist auch immer ein Stichwort von der SPD – den Zugang zur Hochschule öffnen. Sie tragen damit – ich sagte es bereits – zur Reduzierung sozialer Ungleichheiten bei. Ich finde es bedauerlich und auch erstaunlich, dass dies alles immer wieder bei und mit den Strukturdebatten zugedeckt wird.

Es ist richtig: Die Vorzüge und die Stärken dieser Schulen können nur dann ausgespielt und weiter ausgebaut werden, wenn die hierfür erforderlichen Ressourcen – insbesondere die personellen Ressourcen, Herr Kaufmann – zur Verfügung stehen. Da haben wir in der Tat Probleme. Diese Probleme wollen wir gern beseitigen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Aber schon lange! Nicht erst seit heute!)

Ich habe ja schon gesagt: Sie waren von 1992 bis 1996 mit in der Regierung. In dieser Zeit ist nichts passiert.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist der Punkt!)

Da haben wir an den beruflichen Schulen insgesamt – darin stimme ich Ihnen zu – Probleme. Wir alle wissen das.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das ist in erster Linie aber nicht eine Frage fehlender Stellen, sondern das geht in erster Linie auf das Problem der fehlenden Bewerber zurück.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Ich bin gleich fertig.

Die Landesregierung hat erneut dargelegt, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um dem abzuhelfen – kurzfristig insbesondere durch die Möglichkeiten des Seiten- sowie des Direkteinstiegs. Dies ist auch nicht ohne Erfolg geblieben. Meine Damen und Herren von der SPD: Nehmen Sie zur Kenntnis – da wollte ich Sie, Herr Kaufmann, vorhin fragen, ob Ihnen das bekannt ist –: Der Fehlstundenanteil konnte gegen über ca. 7 % im Schuljahr 2000/01 auf 4,4 % im Schuljahr 2007/08 reduziert werden.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das sage ich Ihnen gleich!)

Insbesondere langfristig bleibt die Bewerberlage allerdings problematisch. Wir unterstützen die Landesregierung nachdrücklich und nachhaltig. Ein Patentrezept freilich sehe ich im Moment nicht. Es wird weiterhin eine schwierige Arbeit sein, die wir aber mit der Regierung gern angehen. Ich sehe von der Opposition bisher keinerlei Lösungsvorschläge.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wäre das Problem der Unterrichtsversorgung an den beruflichen Schulen so gravierend, hätten wir kein sehr erfolgreiches berufliches Bildungssystem in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Ich möchte Ihnen gleich zu Beginn klarmachen, dass wir vorbildlich sind, was unsere berufliche Schulen in Baden-Würt temberg betrifft. So platziert das Institut der deutschen Wirtschaft – das ist auch ein ganz wichtiges Organ der Wirtschaft, Herr Kaufmann; somit sollte man auch solche Zitate anbringen dürfen – Baden-Württemberg seit einigen Jahren auf einem Spitzenplatz deutschlandweit, was die berufliche Bildung betrifft.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das liegt aber an den Fir- men!)

In der Studie „Bildungsmonitor 2007“ heißt es wörtlich:

Baden-Württemberg ist es gelungen, das hohe Bildungs niveau auszubauen.

Und:

Die berufliche Bildung und Akademisierung gehören ebenso wie die Internationalisierung des Bildungswesens zu den Stärken des Landes.

Nun einige Fakten: Baden-Württemberg liegt in Bezug auf den Anteil der erfolgreichen Berufsabschlussprüfungen im „Bildungsmonitor“ auf Platz 1; denn hierzulande haben wir eine Berufsabschlussquote von 93 %. Letztlich ist die Qualität eines Bildungssystems daran zu messen, wie viele Menschen am Ende zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden, und diese Abschlussquote belegt im Ergebnis durchaus, dass die Bildungsgänge erfolgreich sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut, Herr Staatssekretär!)

Das ist zweifellos das Verdienst der hervorragenden pädagogischen Arbeit unserer Berufsschulen und steht für die gute Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Wirtschaft, die nicht zuletzt in der Durchführung der gemeinsamen Abschlussprüfung von Berufsschule und Wirtschaft zum Ausdruck kommt – eine seit Jahrzehnten sehr bewährte Form der Zusammenarbeit, wie sie es in dieser Form nur in BadenWürttemberg gibt.

Jetzt wird natürlich in diesem Zusammenhang, vor allem wenn Mitglieder der Landesregierung nationale Vergleichsstudien veröffentlichen, sehr gern gefragt: Wie sieht es denn im internationalen Kontext aus? Auch hier möchte ich Ihnen gleich zu Beginn meiner Ausführungen aus einer OECD-Studie aus dem Jahr 2007 zitieren, nämlich aus der alljährlich veröffentlichten Studie „Education at a Glance“. Nach dieser Studie beträgt der Anteil derjenigen unter den 25- bis 64-Jährigen in Deutschland, die mindestens über einen Abschluss des Sekundarbereichs II verfügen, 83 %, liebe Kolleginnen und Kollegen. Demgegenüber liegt der OECD-Schnitt bei 68 %. Bei diesen Daten müssen wir sagen, dass wir dank unserer bewährten dualen Ausbildung, zu der die beruflichen Schulen einen maßgeblichen Beitrag leisten, im internationalen Vergleich nicht nur sehr gut dastehen, sondern uns auch in der Spitzengruppe befinden. Dies muss in diesem Zusammenhang auch deutlich erwähnt werden.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Jetzt gleich zu Beginn? Von Herrn Winkler lasse ich natürlich sehr gern eine Frage zu.

Wenn Sie das duale System in Baden-Württemberg so loben, wie bewerten Sie dann die Aussage von Herrn Baumann von der IHK Region Stuttgart, dass erstens die beruflichen Schulen im Land häufig ein trauriges Bild abgeben und zweitens es nicht hinnehmbar ist, wenn in Berufsschulen 10 % des Unterrichts ausfallen oder Englischunterricht – Englischkenntnisse braucht man heute für den Beruf – nicht stattfindet? Wie verträgt sich das mit Ihren Lobpreisungen?

(Abg. Norbert Zeller SPD: Sehr gute Frage!)

Dazu muss in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass diese Einschätzung der IHK nicht angemessen ist,

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Oh-Rufe von der SPD – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Das verschicken wir!)

weil wir wissen, dass die Unterrichtsausfallquote wesentlich geringer ist. Außerdem sind gerade für die Industrie- und Handelskammern die beruflichen Schulen wichtige Partner. Insofern kann ich der IHK gegenüber, falls solche Aussagen gemacht wurden – und das möchte ich überhaupt nicht in Abrede stellen –, ganz klar zum Ausdruck bringen, dass auch die IHK auf einen verlässlichen, qualitativ hochstehenden Partner seitens der beruflichen Schulen angewiesen ist. Deswegen sollte man hier mit einer Stigmatisierung sehr vorsichtig sein, denn der Unterrichtsausfall in diesem Bereich hat sich von Jahr zu Jahr kontinuierlich nach unten entwickelt. Darauf möchte ich gleich mit konkreten Fakten eingehen.

Mehr als 30 000 Schülerinnen und Schüler besuchen eine zweijährige Berufsfachschule. Diese Schulart hat neben den beruflichen Gymnasien eine zentrale Gelenkfunktion.