Guten Morgen, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Guten Morgen, liebe Landesregierung“ kann man angesichts der Tatsache sagen, dass die Landesregierung
plant, im Juni 2008 einen Integrationsplan für Baden-Würt temberg vorzulegen, zwei Jahre nach dem ersten Integrationsgipfel der Bundesregierung, ein Jahr nachdem ein nationaler Integrationsplan beschlossen wurde, bei dem sich auch unser Land zum Handeln verpflichtet hat. Wenn Sie in Baden-Würt temberg im Juni 2008 erst vorlegen, was wir im baden-würt tembergischen Integrationsplan zu tun gedenken, dann soll auf Bundesebene bereits die erste Evaluation der Maßnahmen stattfinden. So etwas Verschlafenes ist nicht angetan, um selbstzufrieden zu sein.
In der von der Robert Bosch Stiftung in Auftrag gegebenen Studie „Standort Baden-Württemberg – Demografie und Zukunftsfähigkeit“ ist zu lesen – ich zitiere –:
Baden-Württemberg benötigt zukünftig nicht nur stabile und gesteuerte Zuwanderung, sondern auch eine bessere Integration der Zugewanderten in Wirtschaft und Gesellschaft. Insbesondere bei der erfolgreichen Integration in Schule und Ausbildung hinkt Baden-Württemberg anderen Bundesländern hinterher.
Aber in keinem anderen Bundesland ist die Quote der ausländischen Abiturienten geringer als in Baden-Württemberg.
Es gibt überhaupt keinen Grund – da kann man an die gestrige Bildungsdebatte anschließen –, uns selbstzufrieden zurückzulehnen und zu sagen, bis auf ein paar Bildungs- und Sprachdefizite sei alles in Ordnung. Wenn bundesweit über 10 % der ausländischen Kinder ein Abitur schaffen und in Baden-Würt temberg nur 3,8 % überhaupt die Chance dazu haben, dann liegt hier das Kernproblem. Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Dabei haben Sie bislang ziemlich versagt.
Ich denke, dass wir hier die Gelegenheit nutzen müssen, auch ein Signal zu geben, dass wir Integration wirklich wollen.
Ich fand es sehr erfreulich, dass Kollege Kluck dieses Mal so gesprochen hat, wie man sich einen Liberalen aus früheren Jahrzehnten eigentlich vorstellt.
Er hat nämlich deutlich gesagt: Man muss den Menschen auch ihre kulturelle Identität lassen, wenn man möchte, dass sie sich integrieren.
Ich glaube, das ist etwas ganz Entscheidendes, das es zu beachten gilt. Wir müssen den Menschen zeigen, dass wir akzeptieren, wenn sie anders sind. Dass wir erwarten, dass sie unsere Sprache sprechen und sich an Recht, Gesetz und Verfassung halten, ist klar. Auf der anderen Seite müssen wir aber deutlich machen: Anderssein ist nicht schwierig, sondern es gehört dazu, dass man seine Identität behält, wenn man sich als Person in einem Land einbringen will.
Ich bin froh, Herr Justizminister, dass Sie im Vorfeld der Kommunalwahlen auch das schwierige Thema „Kommunalwahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer“ aufgegriffen haben. Man konnte es in der Zeitung lesen. Ich kann Ihnen sagen: Sie haben unsere Unterstützung. Denn Menschen, die viele Jahre und Jahrzehnte hier leben und Steuern bezahlen, müssen auch die Chance haben, mitzubestimmen. Wen wir mit in die Verantwortung nehmen können, den können wir auch in unsere Gemeinschaft aufnehmen.
Insofern wäre ich dankbar, wenn wir an diesem Tag nicht nur darüber reden würden, wie die Situation aussieht, sondern auch darüber, was wir in Zukunft anders machen müssen, um die Integrationschancen zu verbessern. Ein Ansatz dazu war Ihr Vorschlag zum Kommunalwahlrecht für Menschen, die hier schon seit vielen Jahren leben.
Ein anderer Ansatz ist sicherlich das Thema „Sprache und Sprachunterricht“. Wahrscheinlich haben wir in der zweiten Runde noch Gelegenheit, uns dem hier etwas ausführlicher zu widmen.
In diesem Sinne bin ich sehr gespannt darauf, wie Sie diese Vorstellungen in der Koalition umsetzen. Für die SPD-Fraktion kann ich Ihnen jedenfalls signalisieren: Unsere Unterstützung für eine gute und menschenwürdige Integrationspolitik haben Sie.
Sehr gehrte Damen und Her ren, sehr geehrter Herr Präsident! Sie merken, zurzeit herrscht gute Stimmung. Man ist freundlich zueinander, selbst bei diesem Thema.
Vor wenigen Wochen herrschte in der Bundesrepublik noch ein ganz anderer Ton. Da war der Knüppel aus dem Sack. Insofern ist es erfreulich, dass man zu dieser Sachlichkeit zurückgefunden hat.
Grund zur Selbstzufriedenheit, wie Sie von den Regierungsfraktionen es heute geschildert haben, besteht aber nicht. Der Justizminister belässt es bei der Zusammenstellung von Daten. Das sage nicht ich, sondern das sagt die FDP/DVP-Abgeordnete Birgit Arnold. Sie wünscht sich mehr zukunftweisende Aussagen. Recht hat sie.
Ich habe auch verstanden, warum der Antrag heute auf der Tagesordnung steht. Denn wer liest schon Drucksachen? Dem Justizminister soll eine zweite Chance gegeben werden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er nutzt seine Chan- cen!)
Ich bin gespannt auf seine zukunftweisenden Aussagen. In der Tat haben wir jetzt eigentlich nichts anderes auf dem Tisch als eine Zusammenstellung verschiedener Zahlen. Aber selbst die se geben einen guten Ausblick. Es ist erkennbar, dass im Bildungsbereich keine Erfolge erzielt wurden. Im Gegenteil: Seit 1980 sind die Zahlen sogar noch schlechter geworden.
Sie stehen in diesem Feld ganz allein in der Verantwortung. Die Bildungspolitik gestalten Sie, liebe Regierung, seit undenklichen Zeiten ganz allein – ohne Störfeuer von rot-grünen Multikulti-Feelings. Sie allein haben die Verantwortung.
Keine 5 % der Schülerinnen und Schüler in unseren Gymnasien sind nicht deutscher Herkunft. Baden-Württemberg ist Schlusslicht. Selbst in Bayern – wenn wir dem Land BadenWürttemberg das mit ihm am ehesten vergleichbare Bundesland gegenüberstellen – sind es dreimal so viele. An den Förderschulen beträgt der Anteil hingegen 25 %. Ich frage mich: Sind die Ausländer in Bayern intelligenter, oder woran liegt das?
Zu dieser Selbstzufriedenheit, wie sie in Ihren Ausführungen zum Ausdruck kam, gibt es also keinen Grund. Ich hätte es auch gut gefunden, wenn wir uns mit dem Bildungsbericht der baden-württembergischen Landesregierung beschäftigt hätten, denn dieses Zahlenmaterial ist eigentlich noch viel gravierender. Es beweist das Nichterreichen all unserer guten Absichten.
Dass Bildung ein Schlüsselfaktor für gelingende Integration ist, bezweifelt heute niemand mehr. Aber wer stellt sich noch die Frage, wie es sein kann, dass es zahlreiche Schüler gibt, die die gesamte Schulpflicht in deutschen Schulen erfüllen und von denen das Handwerk dann sagt, sie könnten zu wenig Deutsch? Wie reagieren wir eigentlich auf die täglich wachsende Zahl von Ohrfeigen, die wir von Eltern mit Migrationshintergrund erhalten, die private Schulen gründen? Sie gründen nicht deswegen private Schulen, weil sie sich abschotten wollen, sondern weil sie merken, dass ihre Kinder in unserem deutschen staatlichen Schulsystem zu wenig Unterstützung und Chancen haben. Das müsste für uns ein Alarmsignal darstellen und dürfte nicht etwas sein, auf das man mit dem Finger zeigt.
Integration kostet Geld. Das weiß man. Vor allem versäumte, nachholende und nicht gewollte Integration kostet noch viel mehr Geld. Die Bertelsmann Stiftung hat vor Kurzem ausgerechnet, dass die gesellschaftlichen Kosten unzureichender Integration auf 16 Milliarden € zu schätzen sind. Jetzt lesen wir, dass wir – mit dieser rasenden Geschwindigkeit des Integrationsbeauftragten – im Sommer dieses Jahres – immerhin – einen Integrationsplan erhalten. Weil dieser Integrationsplan Wirkung haben soll, gehe ich davon aus, dass er irgendwann Geld kostet. Umsonst erreichen wir dies nicht. Gespräche allein reichen nicht. Wenn ich davon ausgehe, dass wir einen Landeshaushalt haben, der bis zum Jahr 2010 gilt, dann haben wir erst danach wieder Geld. Im Nachtragshaushalt wurde viel Geld für alle möglichen Sachen reserviert, aber nicht für diese Zwecke. Das Land macht einen Plan, und – das wird die Absicht sein – die Kommunen sollen zahlen, wie der Städtetag zu Recht befürchtet.
Wenn wir es in der Schule nicht richtig hinbekommen, dann – so habe ich den Eindruck, und das hat vorhin der CDU-Sprecher auch schon gesagt – machen wir aus dem Kindergarten eine Kinderschule. Die neue Zauberwaffe ist die Einschulungsuntersuchung der Kinder schon im Alter von vier Jahren.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Erster Teil bitte! Man sollte nicht immer so tun, als würde die frühere Einstellungsuntersuchung nur vorgezogen! Das ver- mitteln Sie ja immer fälschlicherweise!)
Nein, nicht fälschlicherweise. Das kann man sogar nachlesen. Wir ziehen das auf das Alter von vier Jahren vor. Ich komme noch darauf. Ich präsentiere Ihnen gern den vorgesehenen Test, dem sich unsere Kinder unterziehen sollen.
Ich garantiere Ihnen, Herr Minister Goll: Wir werden zu gegebener Zeit daran erinnern – wenn es zutrifft, können Sie ja dann dazu sprechen –, dass Sie der geistige Vater und Motor dieser Idee sind. Dann werden Sie den Eltern diese staatliche
Untersuchung mit Tests erklären dürfen, die sicher geeignet sind, um bei Kindern Störungen bei der sprachlichen Entwicklung festzustellen, aber nicht, um bei denjenigen Kindern etwas festzustellen, die zu Hause eine andere Sprache öfter sprechen als die deutsche.
Ich will Ihnen nur ein Beispiel mit auf den Weg geben. Es sind Dinge, die dort vorgetragen werden und die unsere Kinder bestehen müssen. „Die graue Maus wird von der Katze gejagt“ oder „Die klatschenden Stühle singen einen Becher“ dürfen sie nachsprechen. Das könnte man jetzt schon einmal üben. Sie dürfen auch Fantasiewörter nachsprechen, Herr Löffler, „Bilop“ usw. usw.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sie diskreditieren hier wissenschaftliche Experten, die an dieser Arbeit beteiligt sind!)
Nein, ich diskreditiere nicht wissenschaftliche Experten. Soll ich Ihnen noch einen letzten Satz zu diesem Thema sagen? Wenn Sie genau nachlesen, was diese Experten sagen, dann werden Sie feststellen, dass die sagen: „Den Test, den wir vorschlagen, schlagen wir vor allem deswegen vor, weil er der billigste ist, nicht weil er der effektivste ist.“ Das kann ich Ihnen zeigen.
Ich bin gespannt auf die Ausführungen des Ministers und darauf, ob er heute zukunftweisende Aussagen treffen kann.