Ich habe deshalb das Beispiel der Nebenius-Realschule in Karlsruhe erwähnt, wo geistig behinderte Kinder sechs Jahre lang erfolgreich, zieldifferent und individuell gefördert werden. Das ist ein wunderbarer Schulversuch gewesen, und die Lehrer und Lehrerinnen haben bestätigt, dass an dieser Schule, die einen Migrationsanteil von 40 % hat, gerade auch die Schwächeren mit Migrationshintergrund sehr stark davon profitieren, dass der gemeinsame Unterricht mit Blick auf die behinderten Kinder sehr anschaulich ausgestaltet ist und dass über diese Anschaulichkeit auch die schwächeren Schüler einen leichteren Zugang finden, um auch komplexere Sachverhalte verstehen zu können.
Dieses Beispiel zeigt uns doch: In dieser Schule ist es geglückt. Andere Schulen wollen sich auf den Weg machen. Wieso werden diese Schulen ausgebremst, während gleichzeitig versucht wird, 20 äußerst restriktive Schulversuche auf die Beine zu stellen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Nebenius-Realschule möchte aus diesen positiven Erfahrungen heraus diesen Schulversuch fortsetzen und hat dazu einen entsprechenden Antrag ans Kultusministerium gestellt. Mittlerweile hat sie vom Kultusministerium die Botschaft erhalten, dass diese Form des gemeinsamen Unterrichts als integratives Schulentwicklungsprojekt nicht fortgesetzt werden darf.
Das zeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie stark der Beton hier noch ist, wie wenig im Land passiert und dass das, was mit diesen 20 Versuchen in die Wege geleitet werden soll, reine Augenwischerei ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, insbesondere Sie von den Regierungsfraktionen, auch wenn Sie unserem Antrag heute nicht zustimmen können oder wollen:
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Können! – Gegen- ruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wol- len! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die FDP/DVP würde schon wollen, wenn sie könnte!)
Bewegen Sie sich endlich! Geben Sie Ihrem Kultusminister eine Rückmeldung, dass wir in Sachen integrativer Schulentwicklung schon weiter sind, als das Kultusministerium hier zulassen möchte. Wir brauchen endlich eine gründliche und richtige Weiterentwicklung zu einer Schule für alle Kinder.
Hier sage ich Ihnen, Frau Arnold: Wir Grünen stehen zu der Basisschule. Unser Ziel ist eine neun- bis zehnjährige Basisschule für alle Kinder, die Kinder nicht mehr nach sozialer Herkunft sortiert, die Kinder nicht beschämt, die Kinder individuell fördert, die soziales Lernen ermöglicht und die Kinder unterschiedlicher sozialer Schichten zusammenbringt. Die se Schule ist dann wirklich zukunftsfähig, weil sie die Qualitätsentwicklung der Schule und die Qualitätsentwicklung des Unterrichts mit der Schulstrukturentwicklung zusammenbringt. Das ist eine Perspektive, die wir in Baden-Württemberg brauchen. Deshalb werden wir Grünen auch weiterhin diese Ziele verfolgen.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt kommt der Praktiker! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Der Be- schwerdebeauftragte!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat derjenige, der von seinem Fach etwas versteht, natürlich auch das gute Recht, hier etwas zu sagen.
Dieses Recht gestehe ich übrigens – das möchte ich ausdrücklich sagen – den Kollegen Herrn Kretschmann und Frau Rastätter ebenso zu. Sie sind auch Praktiker und wissen, wovon sie reden.
(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Eben! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Nur der arme Herr Mentrup muss zuhören!)
Frau Rastätter, ich möchte zunächst kurz auf Ihre Äußerung eingehen, dass wir allen eine Chance geben müssen. Sie haben in der Tat recht. Warum ist es möglich, dass an unserer Schule am 3. April das dritte von fünf Kindern einer Asylantenfamilie angemeldet wird? Weil die Eltern Bildung als etwas Wichtiges erachten. Das Kind hat mit allen anderen Kindern aus dem Dorf die Grundschule besucht, ist integriert und gehört dazu. Wenn also der Bildungshintergrund der Eltern stimmt, wenn die Eltern Interesse an der Bildung ihrer Kinder haben, dann hat doch wohl jedes Kind in diesem Land eine Chance – oder ich würde sogar sagen: seine Chance.
(Beifall bei der CDU – Abg. Georg Nelius SPD: Aber auch die anderen müssen eine Chance haben! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was machen wir mit den an- deren Kindern? Schreiben wir die ab?)
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das habe ich schon ver- standen, dass Sie Kinder abschreiben!)
Bleiben wir einmal bei der Thematik der Versetzung: Sie haben vorhin vorgebracht, Frau Rastätter, Kinder müssten ein Schuljahr wiederholen. Wir tun alles dafür, um dies zu vermeiden. Ich erinnere mich an Ihren Wortbeitrag im Ausschuss, als Sie uns ausdrücklich unterstützt haben, als wir den gemeinsamen Weg gegangen sind, durch die Einrichtung einer Nachprüfung die Wiederholung von Schuljahren möglichst zu vermeiden.
Nun möchte ich auf diese Frage zurückkommen: Wir haben gemeinsam in Schleswig-Holstein eine Gemeinschaftsschule besucht, die von Ihnen immer wieder beispielhaft dargestellt wird. Was geschieht denn dort mit den Kindern, die Gefahr laufen, keinen Schulabschluss zu schaffen? Sie werden aussortiert, abgesondert in eine Flexklasse, und dort wird der verzweifelte Versuch unternommen – unter billigender Inkaufnahme von mindestens einem weiteren Schuljahr –, die Kinder gegebenenfalls einem Hauptschulabschluss zuzuführen. Was ist das denn anderes als eine Wiederholung? Wir müssen in unserer Wortwahl schon bei den Tatsachen bleiben. Auch die Gemeinschaftsschule kommt ohne solche Wiederholungen nicht aus; das haben wir gesehen.
Herr Mentrup, ich möchte kurz auf Ihren Zwischenruf von vorhin eingehen. Sie haben gesagt, es wäre wohl etwas Neues, was der Herr Kultusminister vor Kurzem auf der „didacta“ geäußert hat. Ich möchte dessen Ausführungen in der Plenardebatte am 15. März 2007 einmal zitieren. Dort hat er klipp und klar gesagt:
Es gab auch große Einigkeit darüber, dass es dort, wo Hauptschulen und Realschulen relativ nahe beieinander liegen – am besten auf dem gleichen Campus –, keine Notwendigkeit gibt, sie an einer Kooperation zu hindern. Wir haben schon heute Schulverbünde, und wir werden diese weiterentwickeln.
Herr Kollege Kretschmann, ich finde es nobel, wie Sie sich heute Morgen verhalten haben. Ich möchte aber auch noch auf einen anderen Punkt Ihrer Rede eingehen, der mir sehr gut ge
fallen hat, nämlich auf Ihre Einlassungen zum Thema Sex. Das ist ein Musterbeispiel für einen gut gelungenen Unterrichtseinstieg, und mir hätte es große Freude bereitet, die Fortführung zu hören.
Sie haben Ihre Ausführungen begonnen mit einem Diskurs über die Bedeutung der Ganztagsschule. Zuvor hatte sich jedoch schon Herr Schmiedel dazu geäußert, und deshalb möchte ich zuerst auf ihn eingehen.
Herr Schmiedel, bei der Frage der Ausgestaltung der Ganztagsschule unterscheiden wir uns in der Tat. Wir sind gegen eine – ich möchte einmal das folgende Wort gebrauchen – Verstaatlichung der Kinder.
Deswegen sind wir aber beileibe nicht weit auseinander. Wir sehen keinen Sinn darin, dass man, wenn man einzelnen Kindern – 10 oder 15 % der Kinder, die Förderbedarf haben – verstärkt helfen will, alle anderen Kinder ebenfalls den ganzen Tag in die Schule einsperrt und dass sie dort bleiben müssen, um bei den Hausaufgaben betreut zu werden.
(Zuruf von der SPD: Was für eine Schule haben Sie denn? – Abg. Reinhold Gall SPD: Sperren Sie die Schüler ein? – Weitere Zurufe – Glocke des Präsi- denten)
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ich habe mich zu einem Redebeitrag gemeldet! – Abg. Norbert Zel- ler SPD: Einsperren von Kindern bei Ganztagsschu- len?)