Protocol of the Session on December 19, 2007

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Man- fred Groh CDU – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Ute Vogt SPD: Wenn es der Sache hilft!)

Bisher habe ich Sie zumindest so eingeschätzt, dass Ihnen daran liegt, lieber Kollege Schmid.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber dann einmal los jetzt!)

Meine lieben Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie mich klarstellen, dass ich in dem bundespolitischen Kompromiss vom vergangenen Juni eine vertretbare Lösung sehe. Zum einen werden branchenspezifische Besonderheiten und die Wünsche der Tarifpartner berücksichtigt. Zum anderen kann durch die Aufnahme einer Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine Unterbietung tariflicher Mindestlöhne und Mindestarbeitsbedingungen durch ausländische Arbeitnehmer verhindert werden. Da sind wir doch total beieinander.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Na also!)

Aber das Arbeitnehmer-Entsendegesetz darf nicht für eine schleichende Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns im Niedriglohnsektor herhalten müssen und dafür zweckentfremdet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ein allgemeiner Mindestlohn ist auch dann arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch kontraproduktiv, wenn er scheibchenweise und durch die Hintertür kommt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie so oft steckt der Teufel auch hier im Detail.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Welcher? – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ich habe gedacht, den wären wir jetzt los! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die Angie steckt jetzt im Detail!)

Bei der geplanten Aufnahme der Briefdienstleistungen, Frau Haußmann, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zeigt sich

das deutlich. Die Aufnahme in das Entsendegesetz wurde wenig diskutiert. Vielmehr war der abgeschlossene Tarifvertrag zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband Postdienste heftig umstritten. Dieser sollte den Mindestlohn für die Briefdienstleistungsbranche festlegen.

Heftig umstritten war dieser Tarifvertrag aus zwei Gründen. Erstens war fraglich, ob der Anteil der tarifgebundenen Beschäftigten an allen Beschäftigten der Briefdienstleistungsbranchen überhaupt 50 % beträgt. Diese Frage konnte erst dadurch geklärt werden, dass die Tarifparteien ihren Tarifvertrag geändert haben. Er umfasst nun – übrigens entsprechend dem Vorschlag der Union – nicht mehr sämtliche Betriebe, die Briefsendungen befördern, sondern lediglich diejenigen, die dies überwiegend tun. Die Voraussetzung für die Aufnahme der Briefdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist insofern erfüllt.

Zweitens kritisierten vor allem die Konkurrenten der Post die Höhe des Mindestlohns und den damit verbundenen Eingriff in das Marktgeschehen. Denn im Kern steht der Postmindestlohn auch einer wirtschaftspolitisch richtigen Entscheidung, nämlich der Liberalisierung des Postmarkts, im Wege.

Dies sieht wohl auch die von der Bundesregierung eingesetzte Monopolkommission so. In einem erst gestern veröffent lichten Sondergutachten mit dem Titel „Monopolkampf mit allen Mitteln“ heißt es, der branchenweit verbindliche Mindestlohn habe offensichtlich nicht das Ziel, die Interessen inländischer Arbeitnehmer zu schützen; vielmehr solle der Wettbewerb im Postmarkt torpediert werden.

Bezahlen müssen den verhinderten Wettbewerb die Kunden

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

und die künftig arbeitslosen Briefträger, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es! Die Kunden bezahlen!)

Denn schon vor der Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes bietet die Briefdienstleistungsbranche ein Beispiel dafür, dass zu hohe Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten können. Das ist angesprochen worden. Der Postkonkurrent PIN, lieber Kollege Hausmann, hat angekündigt, wegen der Höhe des festgesetzten Mindestlohns ca. 900 seiner insgesamt 9 000 Mitarbeiter in Deutschland zu entlassen.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Schwätzen Sie doch keinen Scheiß raus! – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Und andere sterben still und leise!)

Andere sterben still und leise, Sie sagen es, Frau Kollegin Berroth. Aber ich bleibe jetzt einmal bei den großen Dienstleistern. Wer besonders viele Arbeitsplätze freisetzt, der fällt ja ins Auge und ist Gegenstand des öffentlichen Interesses.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Zwar sucht PIN jetzt wohl nach Wegen, den Postmindestlohn zu umgehen, aber die Suche nach Umgehungsstrategien für einen zu hohen Mindestlohn kann nun wirklich nicht die Lösung sein. Es wäre viel besser, diesen Kompromiss hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit zu überdenken. Denken Sie nur da

ran, dass nach Einschätzung des Ifo-Instituts ein flächendeckender Mindestlohn von 9,80 € knapp 2 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland gefährden würde.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Wir reden hier über die Post!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie eingangs bereits gesagt, wird Baden-Württemberg die Aufnahme der Briefdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz im Bundesrat nicht unterstützen. Bei gutem Willen und klarem Kopf müssten die Gründe dafür spätestens nach dieser Diskussion hier im Landtag augenfällig geworden sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ru- dolf Hausmann SPD: Kein Mensch hat das verstan- den! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Super!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hausmann das Wort.

Herr Rülke, ich darf nur einen Kommentar abgeben: Gott sei Dank ist die FDP nicht mehr in der Bundesregierung

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Gott sei Dank!)

und bleibt auch hoffentlich noch lange draußen.

Was die CDU betrifft: Entschuldigung, aber jetzt muss ich schon sagen, so ein Herumgeeiere wie heute habe ich schon lange nicht mehr erlebt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wovon reden Sie eigentlich?)

Wolf sagt: „Wir sind dagegen.

(Abg. Guido Wolf CDU: Ja!)

Die FDP/DVP ist dagegen. Darum enthalten wir uns.“ Das soll ein Mensch verstehen. Staatssekretär Hillebrand sagt: „Eigentlich sind wir gegen den gesetzlichen Mindestlohn, wenn er generell ist; das führt irgendwie zu Wettbewerbsverzerrung. Aber bei der Post sind wir vielleicht doch dafür.“

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja, was jetzt?)

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion berichtet schriftlich – ich habe es vorhin schon einmal zitiert –, die CDU habe in der Koalition durchgesetzt, dass Lohndumping in Deutschland verhindert wird.

(Lachen der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Also, liebe Leute, ich mache einmal weiter: Herr Wolf, ich weiß nicht, ob Sie in der richtigen Partei sind, und ich weiß auch nicht, ob Herr Hillebrand in der richtigen Partei ist.

(Abg. Guido Wolf CDU: Aber ich! – Heiterkeit und Beifall des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Ich meine, ob Sie in der gleichen Partei sind wie Ihre Angie. Ich zitiere aus dem Beschluss des Koalitionsausschusses:

Mit dieser modifizierten Aktivierung des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes, das unter dem Bundeswirtschaftsmi

nister Ludwig Erhard beschlossen worden ist, stärken wir die Gestaltungskraft von Gewerkschaften und Arbeitgebern nachdrücklich. Erstmals geben wir den Tarifpartnern auch rechtlich die Möglichkeit, für ganz Deutschland ihrer Aufgabe der Festlegung von Lohn- und Arbeitsbedingungen erfolgreich nachkommen zu können.

Das ist doch ein ordentliches, klares Bekenntnis in dieser Frage. Bei Ihnen habe ich das komplett vermisst, was die CDUSeite anbelangt. Das muss ich Ihnen schon sagen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Soziale Marktwirtschaft!)

Weil Herr Rülke gemeint hat, es hätte bereits ein Dienstleis tungsunternehmen geschlossen, und Herr Hillebrand gerade das Gleiche von der PIN behauptet hat, habe ich vorhin geschwind im Landtagshandbuch nachgeschaut, aber festgestellt, dass beide doch nicht Pressesprecher der PIN Group AG mit Sitz in Luxemburg sind. Ich habe dann einmal nachgeguckt, was denn der PIN-Chef im kritischen „Spiegel“-Interview von sich gibt.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Herrn Döpfner wird nämlich vom „Spiegel“ die Frage gestellt: „… und Schuld hat nur der Mindestlohn, den der Bundestag am Freitag für die Postbranche verabschiedet hat?“ Darauf antwortet Herr Döpfner: