(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das war das klas- sische Eigentor! – Gegenruf der Abg. Ursula Hauß- mann SPD)
Im Gegensatz zu Ihnen sind wir nämlich durchaus in der Lage, uns auch selbstkritisch zu beobachten. Das galt für mich, aber das gilt umso mehr für den Ministerpräsidenten. Wenn man spürt, dass man gegebenenfalls mehr Kraft für politische Arbeit freisetzt, wenn man sich selbst etwas zurücknimmt, dann folgt daraus eine Verhaltensweise, die ich für mich habe gelten lassen. Ich glaube jedoch, dass ein Ministerpräsident noch mehr als eine Oppositionsführerin gefordert wäre, zu überlegen, ob es wirklich darauf ankommt, dass man im
mer selbst auf diesem Posten sitzt, oder ob es nicht wichtiger ist, dass Streitigkeiten um Personen aufhören und man den Weg frei macht für diejenigen, die furchtbar drängen und die Ihnen keine Mehrheit mehr für Ihre eigene Politik in diesem Landtag verschaffen.
Das, was Sie uns hier berichtet haben, Herr Ministerpräsident, ist genau das, was Bundesregierung und Landesregierungen gemeinsam vereinbart haben. Diese Landesregierung geht an keinem einzigen Punkt der Vereinbarung über das hinaus, was der Bund ohnehin mit Ihnen vereinbart hat.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Kennen Sie die schon? – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das wissen Sie doch gar nicht!)
Wenn Sie sich rühmen, bis 2013 für 35 % aller Kinder unter drei Jahren – das hat der Herr Ministerpräsident eben bestätigt – Betreuungsangebote bereitzustellen, dann ist das doch überhaupt nicht mehr, sondern genau das, was nach gesetzlichen Vorgaben auch vom Land Baden-Württemberg erwartet wird und was Sie zu erfüllen verpflichtet sind.
Was wirklich erforderlich gewesen wäre und worauf ich gewartet habe, ist, dass Sie uns z. B. erklären, warum das Land Baden-Württemberg für Kinder unter drei Jahren nur 10 % Betriebskostenzuschuss zahlt, während Kindergärten mit Kindern über drei Jahren 30 % erhalten.
Es kann doch nicht sein, dass ein Kind unter drei Jahren weniger wert ist. Sie hätten hier deutlich machen können, dass Sie bereit sind, Kinder gleich zu behandeln.
Mir ist schon klar, dass Sie in Verhandlungen nicht immer jedes Argument und auch nicht jede Zahlungsbereitschaft von vornherein offenlegen können. Aber wir haben jetzt auch beim Streik der Lokführer gelernt: Eine Verhandlung kann nur dann vorangehen
und auch nur dann wirkungsvoll werden, wenn wenigstens ein Angebot auf den Tisch gelegt wird. Das Problem Ihrer Landesregierung ist es doch gerade, dass Sie nach diesem Vorlauf in solche Verhandlungen gehen, ohne auch nur etwas Konkretes auf den Tisch zu legen, über das man überhaupt richtig verhandeln kann.
Es ist doch das Problem Ihrer Landesregierung, dass Sie Ihre Fraktion nicht gemeinsam mit der Regierung zu einem Angebot gebracht haben.
Ich will noch einmal das Thema Betreuungsgeld aufgreifen. Wir sind uns in einem Punkt einig: Wir alle wollen, dass Frauen und Männer Wahlfreiheit haben, dass jeder und jede selbst entscheiden kann, ob das Kind zu Hause erzogen wird, ob es außerhalb der Familie betreut wird, ob man es in eine Ganztagseinrichtung oder in einen Kindergarten geben will. Das sind die Ziele, die wir seit Jahren, seit Jahrzehnten als Sozialdemokraten verfolgen.
Aber was in Baden-Württemberg herrscht, ist doch gerade keine Wahlfreiheit. Wenn in öffentlichen oder kirchlichen Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindertagesstätten nur für sieben von 100 Kindern unter drei Jahren überhaupt Platz ist, wenn nur 7 % der Kinder unter drei Jahren überhaupt eine Chance haben, einen Betreuungsplatz zu bekommen, dann ist das keine Wahlfreiheit. Deshalb haben wir ja all die Jahre über so gekämpft.
Ich will Sie bitten, sich beim Thema Betreuungsgeld einmal zu überlegen, ob es wirklich richtig ist, wenn wir zur Betreuung von Kindern, die zu Hause betreut werden, Geldleistungen geben. Natürlich kann man sagen: Es ist gerecht, wenn eine Mutter oder ein Vater, die oder der zu Hause ist, dafür auch etwas bekommt. Das kann man machen, wenn man ganz viel Geld zur Verfügung hat. Dann wären wir die Letzten, die nicht auch dazu bereit wären, jedem, der Kinder erzieht, auch etwas zu geben.
Aber die Politik ist doch aufgefordert, vor allem dort zu helfen, wo Kinder keine guten Lebenschancen haben, wo Kinder – und das gibt es auch in einem Land wie Baden-Würt temberg – in einem Teufelskreis leben, wo Familien seit Generationen z. B. von Sozialhilfe abhängig sind und keine Chance haben, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Diesen Teufelskreis brechen wir nicht auf, wenn wir den Eltern Betreuungsgeld geben. Die Kinder werden dafür aus den Einrichtungen genommen, und zu Hause wird von diesem Geld ein neuer Flachbildschirm gekauft, der dann die Kindererziehung übernehmen soll.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass gerade diese Kinder Unterstützung erhalten und dass nicht alles mit der Gießkanne an alle verteilt wird. Wir haben für die zu sorgen, die sich selbst nicht helfen können.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe der Abg. Wolfgang Drexler SPD sowie Dr. Bernhard La- sotta und Karl Zimmermann CDU)
Ich muss schließlich sagen, Herr Ministerpräsident: Das, was Sie zum Thema IZBB-Mittel gesagt haben,
(Abg. Klaus Herrmann CDU: War richtig! – Gegen- ruf des Abg. Norbert Zeller SPD: Sie haben es lange Zeit abgelehnt!)
war schon bemerkenswert. Sie sagten: ein Fehlschlag. Heißt das, dass alle Kommunen, Städte und Gemeinden, die nach Ihrer Verteilung das Geld in Schulen investiert haben, völlig fahrlässig in unnötige Gebäude investiert hätten?
Das ist schon eine interessante Unterstellung. Was heißt das eigentlich für Ihre Arbeit als Landesregierung?
Sie haben für die Verteilung zu sorgen gehabt. In der Tat, Baden-Württemberg hat sich bundesweit mit dem Windhundverfahren blamiert. Wir haben zwischen Baden und Württemberg große Ungerechtigkeiten erlebt.
und Ihrer Fraktionen, die nicht in der Lage waren – im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern –,
ein Verteilungsverfahren zu wählen, bei dem eine regionale Ausgewogenheit gewährleistet ist und bei dem gewährleistet ist, dass alle Schularten zum Zuge kommen, und bei dem man schlichtweg denen gerecht werden kann, die vor Ort die Schulen mit einem pädagogischen Konzept aufbauen.
Sie hätten es in der Hand gehabt, ohne große Probleme genau dies zu regeln, wie es beispielsweise Rheinland-Pfalz und andere Bundesländer perfekt getan haben. Ich würde doch bitten: Tun Sie nicht so, als sei hier irgendwo vor Ort verantwortungslos gehandelt worden, sondern sagen Sie selbst: Das war ein großes Fehlsteuern der Landesregierung.
Vermeiden Sie das diesmal, indem Sie jetzt in einem gerechten Verteilverfahren die Gelder für die Kinder zur Verfügung stellen, aber nicht, indem Sie permanent versuchen, dann noch das Möglichste für das Land herauszuhandeln, und sagen, es gehe nur darum, dass unser Landeshaushalt in Schach gehalten werde.
Es geht darum, die Städte und Gemeinden – ohne deren Exis tenz und deren Arbeit bräuchte man hier auch keinen Landtag und keinen Landeshaushalt; sie bilden die Basis unserer politischen Arbeit – zu unterstützen. In diesem Sinne erwarten wir von Ihnen, dass Sie sich einigen und mit einem konkreten Vorschlag in Verhandlungen gehen und aufhören, solche Machtspiele zulasten unseres Landes zu spielen. Klären Sie es! Dann treten Sie halt an, Herr Mappus, wenn Sie es nicht abwarten können!
(Anhaltender Beifall bei der SPD und den Grünen – Heiterkeit bei der CDU – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das war die Abschieds- rede! – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Schwache Abschiedsrede! – Abg. Stefan Mappus CDU: Altwei- berfasching!)
Frau Präsidentin! Herr Ministerpräsident Oettinger, es ist richtig: Man lässt sich beim Pokern nicht in die Karten schauen. Aber wir sind hier nicht im Wilden Westen,
sondern wir haben hier die Aufgabe, zusammen mit den Kommunen etwas nachzuholen, nämlich die Defizite bei der Kleinkindbetreuung auszugleichen. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, die wir haben und der wir uns stellen müssen. Angesichts dessen, dass Sie in Ihrer Rede zum eigentlichen Kernthema,
nämlich dazu, wie sich das Land jetzt eigentlich an der Kleinkindbetreuung im Land beteiligen will, gar nichts gesagt haben, war es schon interessant, welch lang anhaltenden Beifall Sie dafür bekommen haben.