Jetzt muss ich doch noch einmal eine politische Bemerkung machen. Man fragt immer wieder: Bis wann sind die Schulden abgebaut? Wenn man einigermaßen redlich bleiben will, dann sollte man sagen: Wahrscheinlich überhaupt nicht. Denn es wäre auch die Frage zu stellen, ob ein schnelles Tempo des Schuldenabbaus volkswirtschaftlich richtig wäre.
Denn das würde ja bedeuten, dass man über die Steuern mehr Kaufkraft entzieht, als man wieder in die Wirtschaft hineingibt. Wenn wir es schaffen würden – ich habe das selbst einmal ausgerechnet –, 20 Jahre lang absolut gesehen keine Schulden zu machen, und wenn dabei Jahr für Jahr das Bruttoinlandsprodukt – nominal, nicht real – um 3 % wachsen würde, dann hätten wir nach 20 Jahren nur noch die relative Hälfte, wobei die absolute Zahl der Schuldensumme natürlich gleich wäre. Damit wäre schon sehr viel erreicht. Wenn wir in der Lage sind, zu tilgen, soll es mir recht sein. Aber ich bin sehr skeptisch, wenn ich Aussagen höre wie die, dass die
Schulden in 20 Jahren getilgt seien. Ich kann mir das, ehrlich gesagt, so nicht vorstellen. Aber ein Festschreiben wäre bereits sehr, sehr viel.
Jetzt bin ich etwas abgelenkt worden, aber ich komme noch einmal zum Ausgangspunkt: Wichtig war uns – ich glaube, darüber sind sich alle einig –, dass man ein möglichst striktes Verschuldungsverbot erlassen soll, dass aber gleichzeitig natürlich ein gewisses Atmen möglich sein muss. Es ist ganz klar: Wenn die Steuern wirklich irgendwann einmal einbrechen, können Sie ja nicht Menschen entlassen. Das geht rein rechtlich gar nicht, und das wollen wir auch nicht. Sie können auch nicht alle Bautätigkeiten einstellen. Deswegen muss die Möglichkeit bestehen, in der Art eines Kontokorrentkredits unter ganz bestimmten Voraussetzungen für einen kurzen Zeitraum Schulden zu machen. Allerdings sollen 42 Milliarden € nie mehr auf Dauer überschritten werden.
Die Obergrenze habe ich nun bereits genannt. Ich glaube, das ist schon eine sehr restriktive Festlegung. Es ist im Zusammenhang mit der Föderalismuskommission
übrigens interessant, dass, wenn alle Bundesländer ihren jetzigen Schuldenstand als Obergrenze nehmen würden, das natürlich bedeuten würde, dass ganz unterschiedliche relative Verschuldungsgrenzen bestünden. Denn das Land BadenWürttemberg hat pro Einwohner 3 800 € Schulden, aber die meisten anderen Länder haben mehr, und manche Länder haben sogar wesentlich mehr.
Dann wird auch noch darauf hingewiesen, dass unter gewissen Umständen, u. a. dann, wenn das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist, weitere Schulden aufgenommen werden dürfen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Ich halte von dieser Formulierung nichts.
Wir mussten sie im Moment aber noch mit aufnehmen, weil sie im Augenblick noch in Artikel 109 unseres Grundgesetzes steht. Darin wird ausdrücklich gefordert, dass den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung getragen wird. Ich gehe aber davon aus, dass am Ende der Beratungen der Föderalismuskommission das Grundgesetz geändert wird.
Ja, Föderalismus. Ich habe dieses Sprachspiel verstanden. – Ich bin der Ansicht, dass wir, wenn bundesweit eine neue Regelung im Grundgesetz vorhanden ist, dann auch unsere Verfassung ändern sollten. Die Regierung hat das intern auch schon so beschlossen. Es sollte also nicht nur die Landeshaushaltsordnung, sondern auch die Verfassung geändert werden, und dann kann man auch auf die neuen Entwicklungen eingehen, die bis dahin Eingang in die Formulierungen im Grundgesetz gefunden haben werden.
Ich glaube, die Regelung, die wir vorschlagen, wird deshalb nur für ein Jahr gelten. Sie wird aber die Grundlage für eine Verfassungsänderung sein. Sie ist eine relativ einfache Rege
lung. Sie ist leicht verständlich. Ich glaube, das ist sehr wichtig, damit später keine solch vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten gegeben sind, wie es etwa bei der Formulierung „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“ der Fall ist. Ich möchte Sie deswegen bitten, diesem Gesetzentwurf nach intensiver Diskussion zuzustimmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Die Einrichtung eines neuen Pensionsfonds für unser Land geht heute in die Entscheidungsphase der Gesetzgebung. Über diese Einzelmaßnahme, die allein in diesem Jahr mit 500 Millionen € an sozusagen hinterlegtem Geld dotiert ist, gehen wir heute noch weit hinaus.
Denn wir beraten über die Einrichtung einer Schuldenbremse, die in der Landeshaushaltsordnung verankert und grundgesetzkonform ausgestaltet ist. Damit schreiben wir politisch fest, dass der Schuldenstand des Landes Baden-Württemberg zum Ende dieses Jahres, also ab Neujahrstag 2008, so, wie er für das Jahresende 2007 ermittelt wird, nicht mehr überschritten werden darf. Das ist für die Bundesländer ein Maßstab, der von Baden-Württemberg gesetzt wird.
Baden-Württemberg ist hier ganz gut und vorne dabei. Denn in ungünstigen Zeiten kostet dieser Schuldenstand so, wie er bisher aufgelaufen ist, jährlich rund 4 Milliarden € Zinsen und in besseren Zeiten deutlich über 2 Milliarden € Zinsen. Bei einem derzeitigen Haushaltsvolumen des Landes von rund 32 Milliarden € pro Jahr sind das erhebliche Summen. Es sind Summen, die – auf die Zukunft betrachtet – vom kreativ einsetzbaren investiven Geld des Landes abgezogen werden müssen, Summen, die für Investitionen nicht zur Verfügung stehen.
Ich stelle fest, dass wir im Kern alle gemeinsam die Lage des Landeshaushalts und der öffentlichen Haushalte übereinstimmend einschätzen, insbesondere im Finanzausschuss.
Nun stellen wir in vielen Debatten zu Recht fest: Wenn Baden-Württemberg nicht durch Ausgleiche innerhalb des Bun des und zwischen den Bundesländern seit vielen Jahren ausgesaugt würde, bräuchten wir diese Schulden überhaupt nicht zu haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es! – Gegenruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sinnloser Applaus!)
Kollege Kretschmann, es ist ein Applaus, der die Sache aufnimmt. Ich bin aber noch dabei, den Gedanken fortzuführen.
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Nein! Es geht darum: Es nützt nichts, da zu applaudieren! Das kön- nen Sie ja gar nicht ändern!)
Lassen Sie mich doch bitte aussprechen. – Für die tagtägliche Haushaltsgestaltung unseres Bundeslands, Herr Kollege Kretschmann, hilft diese Feststellung allerdings wenig. Also gilt: Sparen, zurücklegen, sparen, zurücklegen. Dieses Prinzip nimmt Kontur an und wird jetzt Ernst.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Da wird sich die CDU ein- mal eingehend mit dem Thema Sparen beschäftigen müssen!)
Dies gilt auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, die sich abzeichnet. Zwar lasen wir gestern in der Zeitung „Welt Kompakt“, Herr Kollege Gall, junge Männer in Deutschland wünschten sich deutlich mehr Kinder als noch vor drei oder vier Jahren,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was? Dann macht mal hin! – Abg. Reinhold Gall SPD: An mir soll es nicht liegen!)
aber demografisch ist klar: Was heute noch nicht „erledigt“ ist, wirkt sich bis 2025 oder 2030 auf die öffentlichen Haushalte kaum aus.
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aber der Zwi- schenruf des Kollegen Gall bezog sich auf die Finan- zen des Kreisverbands Mannheim der CDU! – Ge- genruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie sind aber heute böse, Herr Kretschmann!)
Das heißt, Herr Kollege Kretschmann: Wenn Sie Ihre Aktivitäten in diesem Feld noch neu entwickeln wollten, könnten Sie auch nichts an der Faktizität der Situation ändern. Die Realitäten, die die Haushalte allen Ernstes bis 2025 – auch demografisch – bestimmen, liegen auf der Hand.
Das führt mich zu einem Gedanken, den ich für einen zentralen Gedanken der nächsten Jahre und Jahrzehnte halte. Wenn ich nach heutigem Geldwert, meine Damen und Herren, die Altersversorgungskosten, die im Jahr 2025 – das ist fast ein demografischer Stichtag – aus Landesmitteln bestritten werden müssen, soweit sie schon jetzt erkennbar sind, in Personalstellen hochrechne, komme ich allein für Baden-Württemberg rechnerisch auf rund 60 000 zusätzliche Stellen, die den Landeshaushalt in knapp 20 Jahren zusätzlich belasten werden. Das ist das rechnerische Äquivalent zu den Altersversorgungskosten, die wir heute schon als gegeben vorausrechnen können.
Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat das in der 13. Legislaturperiode einmal für die Enquetekommission „Demografischer Wandel“ unseres Landtags bestätigt. Demnach gilt: Verglichen mit den Zahlen des jetzigen Landeshaushalts werden allein diese altersversorgungsbedingten Mehrkosten etwa 4 bis 5 Milliarden € an zusätzlichen Ausgaben verursachen. Herr Kollege Kretschmann, wir haben uns schon öfter
über diese Frage unterhalten. Bei einem Haushalt von 32 Milliarden € sind das 13, 14 oder 15 %. Da fällt mir nur der Schlagersänger Rex Gildo ein, der das Wort „Hossa“ in die deutsche Sprache eingeführt hat. Da kannst du nur sagen: Hossa, es muss jetzt Ernst gemacht werden, weil die Situation so ernst ist, wie wir alle gemeinsam sie wahrnehmen müssen.
Jetzt muss die Bremse – präzise: die Schuldenbremse – gezogen werden. Genau das macht die Landesregierung mit einer „Aktion Eichhörnchen“, die heute goldrichtig ist: 500 Millionen € werden in diesem Jahr zusätzlich zurückgelegt, dazu weitere 100 Millionen € aus den seit 1999 angelegten gesetzlichen Verpflichtungen. Wenn Sie das hochrechnen und berücksichtigen, was schon aus dem Programm seit 1999 an Geld eingespart wurde, dann kommen Sie zum Jahresende 2007 auf ein Volumen von immerhin etwa 1,4 bis 1,5 Milliarden €, die dann zurückgelegt und verfügbar sind und die künftigen Haushalte spürbar entlasten.
Wir rechnen seit 2001 mit einer Rendite von 3,8 % und seit 2003 mit einer Rendite von 6,1 % aus dem bisherigen Programm Versorgungsrücklage. Das heißt, lieber Herr Finanzminister, die Art, diese Anlage merkantil positiv zu gestalten, wird immer besser. Ihr Haus und diejenigen, die für diesen Fonds verantwortlich sind, erwirtschaften immer mehr. Wenn wir so weitermachen, dann können wir 2017 – unterstellt, die konjunkturelle Lage würde sich im Bund und im Land nicht deutlich verschlechtern – etwa 3,5 bis 4 Milliarden € erwirtschaftet haben, bis 2030 6 bis 7 Milliarden €. Das ist der richtige Weg.
Auch die Kollegen von den Grünen, Herr Kretschmann, haben uns vielfältig unterstützt. Es gibt aber, wie ich meine, zwei Bedingungen. Erstens müssen wir alle hier im Haus, egal ob Regierungs- oder Oppositionsfraktion, den Sparfuchs verinnerlichen. Wir müssen ihn politisch wollen, handeln und in unseren politischen Reden und Anträgen verinnerlichen und den Menschen sagen, was Tatsache ist.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wollen Sie den Oettinger abschie- ßen?)
Denn Günther Oettinger und Gerhard Stratthaus haben dieses Thema hervorragend vorbereitet. Unserem Finanzminister, der in diesem Jahr außerdem noch 250 Millionen € Schulden abtragen kann, rufe ich mit Erich Kästner zu: Lieber Gerhard Stratthaus, die Schönheit des Mannes ist der Erfolg.
Sie haben eben, Herr Kollege Schmiedel, Erich Kästner und Rex Gildo verwechselt. Aber das können Sie noch korrigieren.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Rein- hold Gall SPD: Bei uns in Baden-Württemberg heißt es sowieso „Hoppla“!)