Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Muttersprachlicher Unterricht“ beschäftigt uns als Landtag immer wieder. Erst vor rund einem Dreivierteljahr hatten wir dazu eine Aktuelle Debatte. Sie wurde dadurch ausgelöst, dass der Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Justizminister Dr. Goll, sich in einer wirklich unerträglich populistischen Weise
den muttersprachlichen Unterricht zugunsten einer besseren Deutschförderung von Migrantenkindern abzuschaffen. Das war eine ganz plumpe, populistische Forderung,
(Beifall bei den Grünen und des Abg. Gunter Kauf- mann SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Gegenruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD: Falsch war es!)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen: Die bessere Sprachförderung der deutschen Sprache und der muttersprachliche Unterricht dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beides – die intensive Sprachförderung der deutschen Sprache und die Förderung der Muttersprache – müssen verpflichtende Bestandteile einer bildungspolitischen Integrationspolitik sein.
Es ist natürlich richtig, dass die Bildungspolitik in unserem Land in den letzten Jahrzehnten völlig versagt hat.
(Abg. Klaus Herrmann CDU: Was? Warum sind wir dann bei PISA so gut? – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Haben Sie nicht zugehört? – Weitere Zu- rufe)
Wir haben einen eklatanten Mangel bei der Bildungsbeteiligung von Migrantenkindern. Schlimmer noch: Die Bildungsintegration stagniert seit Mitte der Achtzigerjahre, und das ist gerade für unser Bundesland fatal. In Baden-Württemberg haben ja 33 % der unter 18-Jährigen einen Migrationshintergrund.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es richtig, dass jetzt endlich die Sprachförderung verbessert wird und dass mehr in die frühkindliche Bildung investiert wird.
Mehr Sprachförderung in der vorschulischen Bildung, mehr Sprachförderung in der Grundschule und in der Hauptschule, das ist der richtige Weg.
Meine Damen und Herren, in den Zielen sind wir uns hier durchaus alle einig, auch wenn wir zum Teil unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was den Einsatz der Mittel und die Wege in diese Richtung angeht.
Für eine bessere Bildungsbeteiligung der Kinder mit Migrationshintergrund ist aber auch die Überwindung der frühen sozialen Auslese notwendig. Wir appellieren deshalb an Sie, auch in diesem Bereich endlich Ihre Denkblockaden aufzugeben. Beim Vorsitzenden der Fraktion der FDP/DVP ist diese Denkblockade ja zum Glück schon aufgebrochen.
Meine Damen und Herren, im Grundsatz sind wir uns – abgesehen vom Integrationsbeauftragten – auch einig darüber, dass der muttersprachliche Unterricht einen wichtigen Stellenwert für die Kinder mit Migrationshintergrund hat.
Für uns Grüne ist die Muttersprache ein Teil ihrer kulturellen Identität. Außerdem stellt die Sprachenvielfalt in unserer Gesellschaft einen Reichtum für alle Menschen in unserem Land dar, der wertgeschätzt werden muss.
Schließlich: Sie wissen auch, dass es Hinweise aus der Wissenschaft gibt, dass eine gute Förderung in der Muttersprache
auch beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch erhebliche Unterstützung leistet. Deshalb müssen wir den muttersprachlichen Unterricht in Baden-Württemberg dringend reformieren. Wir haben seit Jahrzehnten das sogenannte Konsulatsmodell, und dieses auf Rückkehr abzielende Konsulatsmodell ist rückwärtsgewandt. Eine solche Orientierung auf eine Wiedereingliederung in die früheren Herkunftsländer
ist erstens völlig überholt und zweitens mit den Zielen einer Integrationsgesellschaft nicht vereinbar.
Der muttersprachliche Unterricht unterliegt nicht der staatlichen Schulaufsicht. Die Curricula werden ausschließlich von den Herkunftsländern gemacht und auch dort verantwortet.
Die muttersprachlichen Lehrkräfte werden von dort aus auf fünf Jahre entsandt. Wir wissen, dass es in der Praxis oft ein, zwei Jahre dauert, bis sie hier überhaupt einigermaßen integriert sind, und dann müssen sie sich allmählich schon wieder auf die Rückkehr vorbereiten. Ein solches Modell ist also eigentlich mit unserer Integrationsgesellschaft nicht mehr länger vereinbar.
Deshalb ist unsere wichtigste Forderung in unserem Antrag, der Ihnen heute vorliegt: Der muttersprachliche Unterricht muss in Baden-Württemberg schrittweise in das Regelangebot an den Schulen übernommen werden.
Die zweitwichtigste Forderung lautet: Der muttersprachliche Unterricht in Baden-Württemberg muss endlich unter die staatliche Schulaufsicht gestellt werden.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Nur wenn die Grünen bestimmen können! Nur dann! – Gegen- ruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Auch dann nicht!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das fordern bei uns nicht nur die Migrationsverbände, sondern das fordert auch der Städtetag.
Ich möchte insbesondere betonen, dass auch die Föderation der Vereine Türkischer Elternbeiräte in Württemberg und die Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg das ebenfalls schon fordern.
Wir sollten uns doch darüber freuen, dass diejenigen, denen oft unterstellt wird, sie würden sich in unserer Gesellschaft eher abschotten,