Protocol of the Session on November 7, 2007

Ein ganz wesentliches Element ist die Einführung von Tenure-Track. Übrigens gilt für all diese Maßnahmen, dass BadenWürttemberg deutschlandweit das erste Land ist, das solche Maßnahmen ergreift. Denn wir wollen natürlich im bundesdeutschen Vergleich die besten Professoren für uns gewinnen und sie nicht in andere Länder gehen lassen. Tenure-Track ist ganz wesentlich. Wenn wir an den Hochschulen keine Karrierechancen etwa für Juniorprofessoren und -professorinnen eröffnen, dann kommen sie nicht. Wenn wir etwa in Amerika oder auch in Singapur oder Hongkong deutsche Wissenschaftler fragen, weshalb sie seinerzeit an diese ausländischen Universitäten gegangen sind, dann antworten diese häufig: „Es liegt nicht in erster Linie am Gehalt, sondern es liegt an den mangelnden Karriereperspektiven, die wir im deutschen Hochschulsystem haben.“ Anderswo hat man nämlich die Möglichkeit, Karriere an der Hochschule zu machen, an der man als junger Wissenschaftler begonnen hat. Das ermöglichen wir jetzt auch, und zwar mit einem vollen Tenure-Track.

Wir haben übrigens nicht die Belastung der Überleitungen aus früheren Zeiten. Viele Länder wollen solche Maßnahmen ja nicht; gerade die Länder, die zeitweise von der SPD regiert wurden oder immer noch von ihr regiert werden, haben ja die se berühmten Phänomene der September- oder Dezemberprofessoren. Da wurden massenweise Überleitungen ausgesprochen, ohne dass Qualitätsgesichtspunkte eine Rolle gespielt hätten. Da wir diese belastende Vergangenheit nicht haben – denn wir haben seit Jahrzehnten einen CDU-Ministerpräsidenten –, können wir auch Tenure-Track wagen. Wir sind eben, Herr Bachmann, ein Land, das bereits seit Langem weitgehend schwarz-gelb geprägt ist.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Es geht aber auch darum, eben nicht nur Männer zu gewinnen, sondern auch das große Reservoir weiblicher Wissenschaftler zu nutzen. Deshalb ist es uns ein wichtiges Anliegen, die Stellung von Frauen in Berufungskommissionen zu stärken. Wir werden auch mit weiteren Maßnahmen gerade auf die Rektorate hinwirken, verstärkt nach geeigneten Bewerberinnen Ausschau zu halten und gerade auch Methoden des aktiven Personal Recruitings einzusetzen, um herausragende Frauen an unsere Hochschulen zu berufen. Das war übrigens auch bei der Exzellenzinitiative immer ein Kriterium der Peers, und wir wissen, dass wir hierbei in Deutschland und auch in Baden-Württemberg einen großen Nachholbedarf haben.

Das Gesetz eröffnet übrigens – das ist auch ein Teil der Exzellenzinitiative – die Wege des Zusammengehens zwischen dem Forschungszentrum Karlsruhe und der Karlsruher Universität.

Zur zweiten Seite, nämlich der Gewinnung der geeignetsten und besten Studierenden: Es ist in der Tat völlig unverständlich, wie man Anträge gegen Auswahlverfahren bei Orientie

rungstests stellen kann, während man sich gleichzeitig über hohe Abbrecherquoten beklagt. Solche Widersprüche kann sich die Opposition leisten, die Regierung im Gesetzesvorhaben nicht.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Denn das, was die Regierungsfraktionen beschließen, wird umgesetzt.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Sie werden noch sehen, wohin Sie damit geraten!)

Deshalb muss es valide und in sich widerspruchsfrei sein.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Nennen Sie einen Test, der das gewährleistet!)

Herr Rivoir, ich komme gleich zu den Tests, indem ich einen weiteren Blick wähle als den, der vom Turm des Ulmer Münsters möglich ist.

(Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Wir sehen die Sonne früher, weil Ulm weiter im Osten liegt!)

Zuerst einmal ist es so – da muss man mit einer Trivialität beginnen –: Wenn ich mehr Bewerber als Plätze habe, dann muss es Kriterien geben, um die geeignetsten dieser Studierenden zu finden. Wir alle wissen, dass das Abitur allein nicht reicht. Es reicht auch deshalb nicht, weil wir eine sehr hohe Zahl von Studierenden aus dem Ausland haben, weil eine große Zahl der Bewerber nicht das Abitur als Voraussetzung hat, weil das Abitur sehr unterschiedliche Hintergründe haben kann und an sehr unterschiedlichen Schulen abgelegt wird und weil das Abitur schon gar keine Aussagekraft für die spätere Berufsbefähigung hat. Uns geht es bei den Auswahlverfahren nicht nur um die Studierfähigkeit, sondern auch um eine Prognose zur späteren Berufsbefähigung.

Angesichts dessen, dass es mehr Bewerber als Plätze gibt, könnte die Alternative zu unserer Strategie des Auswahlverfahrens nur sein, erst gar kein Auswahlverfahren durchzuführen. Das ist die SPD-Strategie, die man auch als Weihnachtsmannstrategie bezeichnen könnte: Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit, lasst alle rein, denn alle sind gescheit!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Gilt das auch für die Landesregierung? Ist das die Devise der Lan des-CDU? – Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Aber das ist nicht nur eine Weihnachtsmannstrategie, sondern das ist ein Weihnachtsmannmythos, weil nicht alle so gescheit sind, dass man sie reinlassen kann.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie können von Glück sa- gen, dass die Auswahltests erst später eingeführt wer- den! Da würden manche durchfallen! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gut zuhören!)

Wenn man über Auswahltests spricht – die in der Tat valide sein müssen –, sollte man sich auch einmal die Welt um Deutschland herum ansehen. Es ist nicht vorstellbar, dass an einer amerikanischen Spitzenhochschule wie Yale, Harvard,

Stanford oder in Berkeley Studierende ohne Auswahlverfahren, ohne Auswahlgespräche, ohne Auswahltests zugelassen werden.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Schreibt das der Staat vor, oder machen sie das selbst?)

Das schreibt zum Teil der Staat vor, nämlich in den University Systems der einzelnen Bundesstaaten. Dort gibt es durchaus eine Zentrale, die eine sehr hohe legislative Wirkung auf die Hochschulen hat. Aber es käme den Amerikanern überhaupt nicht in den Sinn, Bewerber ohne Auswahlverfahren zuzulassen.

Wenn Sie Professoren in Yale, etwa von der juristischen Fakultät, dazu befragen, dass dort etwa 4 000 Studierende in kurzer Zeit – unsere Fachhochschulen machen das übrigens auch sehr erfolgreich – getestet werden und dass man Gespräche führt, dann sagen sie: „Das lohnt sich ganz einfach. Wir haben hinterher die geeigneteren und besseren Studierenden.“

Wer also Exzellenz will, muss sie in jeder Konsequenz wollen. Das heißt, dass man sich – auch, um die Fehlleitung von Studierenden zu vermeiden – der Mühe unterziehen muss, sorgfältig auszuwählen. Ich wundere mich, dass gerade eine vornehmlich sozial orientierte Partei wie die SPD sich dieser Sorgfaltspflicht nicht unterziehen will bzw. unsere Hochschulen hiervon fernhalten will. Wir sind übrigens nicht für die 35Stunden-Woche von Professorinnen und Professoren.

Es gibt auch sehr gute Beispiele aus dem Land. Bei der Anhörung zur Exzellenzinitiative in Heidelberg wurde der Dekan der Chemie gefragt, wie seine Fakultät es denn mit Auswahlverfahren halte. Er hat geantwortet: „Wir führen schon seit Jahren mit jedem Studierenden ein Interview durch. Seitdem hat sich bei uns die Abbrecherquote ganz erheblich reduziert.“ Auf die Frage, wie der Aufwand zu bewältigen sei, sagte er, das spiele keine Rolle, der Aufwand lohne sich, denn die Universität habe jetzt hervorragende Studierende. Man muss also nicht unbedingt bis nach Yale gehen, sondern kann schon in Heidelberg vernünftige Beispiele für den Wert, den Sinn und den Erfolg von Auswahlverfahren finden.

Der Aufwand für die Orientierungstests ist sehr viel geringer. Aber es geht darum, dass Studierende sich überhaupt einmal sinnvoll mit der Frage beschäftigen: Was studiere ich? Sie müssen sich einem Test unterziehen – er kann auch online durchgeführt werden –, der gewisse Fragen von Studierenden, die sie sich eigentlich stellen sollten, bevor sie ein Studium beginnen, sinnvoll abfragt. Es ist doch für das Leben junger Menschen wichtig, dass man sie dazu bringt, sich mit der Frage des Studiums ernsthaft auseinanderzusetzen, und dass man nicht einfach dieser Weihnachtsmannstrategie folgt.

Es ist aber auch sinnvoll, die Zahl der Bewerbungen zu beschränken, damit die Verfahren handhabbarer werden. Deshalb, Frau Bauer, setzen wir alles daran, dass die Umwandlung der ZVS in eine Servicestelle als Hilfestellung für die Aufnahmeverfahren und für die Bewerbungsverfahren an Hochschulen relativ schnell umgesetzt wird, und zwar analog dem britischen UCAS, dem Universities and Colleges Admissions Service. Wir müssen die Zahl der Bewerbungen beschränken, weil das sonst nicht handhabbar ist. Die Rückmeldungen müssen über standardisierte Verfahren schnell erfol

gen, und wir brauchen zum Schluss auch eine Information für Studierende, die nirgendwo aufgenommen worden sind, über Plätze, die vielleicht dennoch zur Verfügung stehen. Auch das ist eine Verpflichtung, die wir haben.

Wir sind hoffnungsvoll, dass wir zum Wintersemester 2008/09 in Jura und in Wirtschaftswissenschaften mit diesem Verfahren beginnen können und dass der Staatsvertrag im März 2008 zustande kommt. Unsere Regelungen sollen 2011/12 in Kraft treten. Dann sind diese Voraussetzungen aller Voraussicht nach geschaffen.

Dieses neue Gesetz verbessert die Qualität der Berufungen – es soll und wird sie verbessern –, die Qualität der Studierenden, die Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Chancen für unsere Hochschulen, die Besten zu rekrutieren. Der Hochschulpakt 2012 wird das quantitative Problem angehen; dieses Gesetz geht das qualitative Problem an.

Schauen wir uns einmal die Änderungsanträge an. Was die Wahl der Rektoren betrifft, so ist der Kern unserer Gedanken, dass erstens die Hochschulräte ein Teil der Hochschulen sind – das sind keine externen Organe – und dass es zweitens wichtig ist, dass nicht in erster Linie diejenigen wählen, die von den Gewählten, etwa in ihren Gehaltsverhandlungen und -festlegungen, abhängig sind.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir glauben nämlich, dass hierdurch eine gewisse Mauschelei entstehen könnte; jedoch meinen wir damit eine andere Art von Mauschelei als Sie. Sie meinen, dass eine vernünftige innere Struktur von Konversation und von Abstimmung an einer Universität Mauschelei ist. Wir sagen: Wenn man einen Rektor bei seiner Wahl von denen abhängig macht, deren Gehälter er festlegt, dann kann das Mauschelei sein.

(Abg. Johannes Stober SPD: Das sagt doch niemand! Lesen Sie doch erst einmal unsere Anträge! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist doch unglaublich! – Gegenruf des Abg. Klaus Tappeser CDU: Sie müs- sen Ihre Begründung lesen!)

Noch ein Wort zur verfassten Studierendenschaft, weil Sie, Herr Stober, von einem Sonderweg Bayerns und Baden-Würt tembergs gesprochen haben. Wir sind stolz auf den Sonderweg von Bayern und Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU – Abg. Johannes Stober SPD: Aber der hat damit wenig zu tun!)

Denn in beiden Ländern befinden sich allein sechs von deutschlandweit neun Exzellenzuniversitäten. Also scheinen wir in unserer Gesetzgebung doch mehr richtig gemacht zu haben als der Rest der Republik.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine!)

Die verfasste Studierendenschaft ist wirklich ein Minimalproblem. Dies zu einer Kernfrage von Hochschulgestaltung zu machen,

(Abg. Johannes Stober SPD: Auch das haben wir heu- te nicht gemacht!)

zeigt doch, dass man die Kernprobleme nicht wirklich angeht. Mein Verständnis von Universitas ist übrigens nicht, dass wir sie in Gruppen zerlegen, sondern dass wir verantwortlich mit der Gemeinschaft umgehen, Studierende in dieser Gemeinschaft ernst nehmen und sie integrieren. Dazu brauchen wir nicht etwas, was verfasst ist, was ein eigenes Finanzstatut und eine eigene Finanzhoheit hat, sondern dazu kann man sich durchaus in die Gemeinschaft der Forschenden und Lehrenden begeben. So, wie es keine verfasste Studierendenschaft gibt, so gibt es auch keine verfasste „Mittelbauschaft“ an unseren Hochschulen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldun gen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 14/1513.

Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Drucksache 14/1872.

Dazu liegen acht Anträge vor, die ich jeweils an den entsprechenden Stellen zur Abstimmung stellen werde.

Ich rufe zunächst die Überschrift des Gesetzentwurfs der Landesregierung auf. Hier sieht die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Drucksache 14/1872, unter Abschnitt I Ziffer 1 eine Änderung vor. Wer der Gesetzesüberschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei einigen Enthaltungen ist der Änderung der Gesetzesüberschrift zugestimmt.

Ich rufe auf

Artikel 1

Änderung des Landeshochschulgesetzes