Meine Bitte ist auch, dass der Schwanz nicht mit dem Hund wedelt. Die Anforderungen, die offensichtlich aus den Reihen der FDP/DVP insofern so formuliert worden sind, als man bei den Auszubildenden sehr stark einschränkt
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die sind nicht aus den Reihen der FDP/DVP formuliert worden! Das ist ein gestreutes Gerücht!)
so habe ich das gehört –, und die Tatsache, dass man die Versagungsgründe in dieses Gesetz noch einmal doppelt hineinschreibt – das war bislang nicht so – und zusätzlich zu den Reduzierungen bei den Auszubildenden auf fünf Tage – –
Ich muss Ihnen sagen, ich habe vielleicht im Gegensatz zu einigen anderen hier mehr Einblick in das, was berufliche Ausbildung angeht, und weiß auch, welche Bildungsziele die Kammern in die berufliche Ausbildung hineingeschrieben haben und was die Bildungspläne beinhalten. Wenn Sie sich mit dieser Thematik einmal auseinandersetzen, dann wissen Sie ganz genau, dass in diesem Bereich die Sozial- und Handlungskompetenz und die Teamfähigkeit heute ganz obenan stehen und verpflichtende Bildungsziele im Verlauf der beruflichen Ausbildung sind.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Deswegen dürfen die das schon ab 16 und nicht erst ab 18!)
Ich frage Sie: Wo können diese Ausbildungsziele besser realisiert und verwirklicht werden als in der ehrenamtlichen Jugendarbeit? Wo haben wir in diesem Bereich mehr Vorbilder als in der ehrenamtlichen Jugendarbeit?
Ich kann es überhaupt nicht verstehen, wenn dies jetzt von den Arbeitgeberverbänden kritisiert und wenn gesagt wird, diese jungen Menschen fehlten ihnen hinterher zu häufig im Betrieb.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sie müssen ein- mal selbst mit den Arbeitgeberverbänden reden! – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das Arbeitgeber- interesse haben Sie noch nie verstanden!)
Diese Ausbildungsziele, bei denen wir alle wissen, dass es eigentlich genau daran in der Gesellschaft hapert, werden hier extra noch einmal reduziert. Man geht mit dem Vorbehalt heran, es werde das Ausbildungsziel unter Umständen nicht erreicht. Aber ich muss Ihnen sagen: Wenn Jugendliche in der Ausbildung keine Sozial- und Handlungskompetenz und keine Teamfähigkeit erwerben, dann werden die Ausbildungsziele nicht erreicht. Das ist der Punkt, um den es hier eigentlich geht.
Ich möchte noch einen Satz anfügen und das aufgreifen, was auch Herr Bayer schon gesagt hat: Der vorgelegte Gesetzentwurf bleibt auch bei der Frage, wie eigentlich Jugendarbeit aussieht, auf dem Stand des Jahres 1953 stehen.
Wir haben mittlerweile einen sehr starken Bereich der kommunalen Träger in der Jugendarbeit, die eine sehr wichtige Arbeit leisten. Es ist wichtig, dass dieser Bereich auch mit aufgenommen wird. Es reicht nicht aus, für ein Gesetz einen möglichst modernen Titel zu wählen, sondern es geht darum, ein Gesetz vorzulegen, das wirklich den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen, die sich nun einmal verändert haben, gerecht wird.
Ich bitte Sie darum, im Rahmen der nachfolgenden Beratungen einige Punkte noch zu korrigieren. Dann kommen wir vielleicht auch zu einem Konsens. Ansonsten bliebe nur übrig, das Gesetz hinterher genau so zu nennen, wie es sich in der vorliegenden Fassung inhaltlich darstellt, nämlich „Gesetz zur Schwächung des Ehrenamts in der Jugendarbeit“.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Heute beraten wir endlich ein Gesetz, dessen Novellierung seit Jahren diskutiert wurde. Warum, fragt man sich, hat es Jahre der Diskussion bedurft, bis nun endlich ein Entwurf vorgelegt werden konnte? Die Frage ist ganz einfach zu beantworten: Es standen viele widerstrebende Interessen in Konkurrenz, die einer behutsamen Austarierung bedurften. Im Zentrum unserer gemeinsamen Überlegungen standen die jungen Menschen, die von diesem Gesetz profitieren sollen.
Vorausschicken möchte ich ein herzliches Dankeschön an alle jungen Menschen, die sich im Rahmen des Ehrenamts in unserer Gesellschaft einbringen.
Das ehrenamtliche Engagement junger Leute bereichert unser Land ungemein. So weit herrscht sicher Einigkeit in diesem Haus. Daher wurde der Wunsch geäußert, das Gesetz zukünftig nicht nur auf junge Erwachsene, sondern auch auf Jugendliche auszudehnen. Auf diese Weise sollte das Ehrenamt gewürdigt werden, und auch Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren sollten durch eine unbezahlte Freistellung von der Arbeitsstelle eine staatliche Anerkennung für ihr Engagement erfahren. Das haben wir unterstützt. Dem Wunsch der Jugendverbände sind wir entgegengekommen, indem wir das Eintrittsalter in den Geltungsbereich des Gesetzes, so wie es gewünscht war, von 18 auf 16 Jahre abgesenkt haben.
Der Streit entbrannte nun an der Frage, ob Jugendliche im gleichen Umfang einen rechtlich verbrieften Anspruch auf Freistellung von ihrer Tätigkeit erlangen sollen, wie dies für junge Erwachsene gilt. 16-jährige Jugendliche, auf die dieses Gesetz künftig Anwendung finden soll, befinden sich, wie wir alle wissen, in der Regel in einem Ausbildungsverhältnis.
Wir waren nun der Ansicht, dass die Ausbildung einem ehrenamtlichen Engagement vorzugehen hat. Trotzdem wollten wir für ehrenamtlich aktive Jugendliche ein positives Signal setzen. Letzten Freitag verkündete der Industrie- und Handelskammertag einen Ausbildungsrekord – für uns der richtige Zeitpunkt, zu reagieren. Daher wollen wir heute beschließen, Jugendlichen, solange sie sich in einem Ausbildungsverhältnis befinden, einen rechtlichen Anspruch auf eine Freistellung von fünf Tagen zuzugestehen, also immerhin 50 % der Zeit, die sie nach der Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses in Anspruch nehmen können. Und – jetzt hören Sie einmal gut zu, meine Damen und Herren von der Opposition –
Uns wurde vorgeworfen, mit einer Priorisierung der Ausbildung Wirtschaftsinteressen zu bedienen und nicht die Jugendlichen vor Augen zu haben; es wurde gesagt, das Wohl der baden-württembergischen Wirtschaft sei nicht von den Regeln des Sonderurlaubs abhängig. Was bei dieser Argumentation aber leider vergessen wurde, ist, dass das Wohl eines jungen Menschen sehr wohl von einer abgeschlossenen Ausbildung abhängt.
Ich will noch einmal klarstellen, dass wir im vorliegenden Gesetzentwurf rechtliche Mindestansprüche und keine Höchstansprüche, wie das in dieser Diskussion immer wieder gesagt worden ist, definieren.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Eben! Mindestansprüche! Jeder kann mehr geben! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was sind dann Höchstansprüche?)
Jedem Ausbildungsbetrieb steht die Entscheidung weiterhin frei, wie lange er seine Auszubildenden für ehrenamtliche Tä
tigkeiten freistellen will. Was Höchstansprüche sind, bleibt jedem selbst überlassen. Ich bin nebenbei auch noch in einer kleineren Kommunalverwaltung mit ungefähr 80 Mitarbeitern tätig.
Ich bilde jährlich bis zu sechs Auszubildende aus und bin sehr großzügig. Das kann natürlich jeder Arbeitgeber so machen.
Wenn man nun aber ein Weltbild vertritt, in dem ausbildende Betriebe nur Eigeninteressen verfolgen, junge Menschen wirtschaftlich ausbeuten und sie ausschließlich zur Gewinnmaximierung missbrauchen, greift dieser Ansatz natürlich nicht.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Unsere Betriebe kommen ihrer Verantwortung nach!)
Wie soll ich einem Bürger erklären, dass wir Millionenbeträge aus Steuergeldern in die Beschaffung von Arbeitsplätzen investieren und im gleichen Atemzug die Bedingungen für die Ausbildung verschlechtern? Ich plädiere deshalb für eine glaubwürdige Politik. Wir wollen die Jugendlichen in unserem Land mit einem Ausbildungsplatz versorgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sich ernsthaft darüber zu beschweren, dass in dem Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit die Belange des ausbildenden Betriebs in dringenden Fällen ausschließlich vor die Interessen der Jugendorganisationen gesetzt wurden, lässt doch eine gewisse Realitätsferne erkennen.