Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Drei junge Menschen mit exzellenten Zeugnissen bewerben sich auf zwei Stellenausschreibungen eines mittelständischen Betriebs. Die durchaus gleichwertigen Bewerber machen es dem Personalchef nicht einfach. Am Ende haben zwei nette junge Männer eine Anstellung. Eine genauso nette junge Frau macht sich wieder daran, neue Bewerbungen zu schreiben. Denn zu ihrer Lebensplanung gehört es, in einigen Jahren auch ein oder zwei Kinder haben zu wollen,
und sie sagt das auch. Ein hypothetischer Fall? Doch wenn er eintritt, dann ist das chancenungleich und ungerecht. Zu allem Überfluss schmälert es womöglich unsere bevölkerungspolitischen Entwicklungsperspektiven, wenn nicht nur diese eine junge Frau nach mehreren erfolglosen Bewerbungen Abstand von ihrem Kinderwunsch nimmt.
Wahrscheinlich haben einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor wenigen Wochen die vom Bund der Selbständigen angebotene Gelegenheit genutzt und einen Tag an der Seite des Chefs oder der Chefin eines mittelständischen Betriebs verbracht.
Vielleicht haben Sie dabei auch so wie ich erfahren, dass es Frauen als Existenzgründerinnen oder Unternehmensnachfolgerinnen immer noch schwerer haben als Männer, von Banken Kredite zu bekommen. Auch das ist chancenungleich und ungerecht, und zu allem Überfluss schadet es unserer Volkswirtschaft.
Auch deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es und braucht es diesen heutigen Frauenplenartag, obwohl es mir, ehrlich gesagt, lieber wäre, wir brauchten ihn nicht, weil Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten beseitigt wären. Doch an diesem Ziel sind wir leider noch nicht angelangt, wie uns auch die Antwort der Landesregierung auf die vorliegende interfraktionelle Große Anfrage zeigt.
An dieser Stelle will ich mich sehr herzlich bei all denen bedanken, die diesen Frauenplenartag erst ermöglicht haben: beim Präsidium, bei den Fraktionen, vor allem aber bei den Frauen aus den Fraktionen, die die Große Anfrage „Chancengleichheit für Frauen auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt“ gemeinsam auf den Weg gebracht haben.
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Regierungs- und Oppositionsfraktionen eine solche Initiative gemeinsam formulieren. Dies belegt, dass das Anliegen, eine Politik für Chancengleichheit zu betreiben, über alle Fraktionsgrenzen hinweg geteilt wird. Über die Frage, wie wir uns die Ausgestaltung von Chancengleichheit auch mithilfe veränderter Rahmenbedingungen vorstellen, und über die Wege, wie dies zu erreichen ist, führen wir notwendiger- und richtigerweise den politischen Diskurs, und dies nicht nur heute.
Wir wissen, dass der demografische Wandel auf längere Sicht davon geprägt sein wird, dass es immer weniger Kinder gibt, die Bevölkerung insgesamt altert, es weniger sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gibt und die Belegschaften älter
werden, möglicherweise die Innovationsfähigkeit nachlässt und der Mangel an Hochqualifizierten zunimmt. Wir wissen auch, dass diese Trends von der Zuwanderung nicht ausgeglichen werden können. Trotzdem wird das Potenzial von Frauen – wie im Übrigen auch von Älteren – in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor nur unzureichend ausgeschöpft.
Die Frauenerwerbsquote liegt nach wie vor deutlich unter der Erwerbsquote der Männer. In Forschungseinrichtungen beispielsweise beträgt der Anteil der Frauen am wissenschaftlichen Personal kaum 27 %.
Obwohl junge Frauen in allen Schultypen die besseren Abschlüsse erzielen, können sie ihre berufliche Qualifikation nicht in gleicher Weise wie Männer in beruflichen Positionen umsetzen. Nur jede siebte Frau mit Abitur und Hochschulabschluss erlangt eine Führungsposition; hingegen gelingt dies jedem vierten Mann.
Ich denke, wir sind gut beraten, dieses Ungleichgewicht sowohl aus gesellschaftspolitischen als auch aus ökonomischen Gründen zu überwinden. Unternehmen, Hochschulen und Verwaltungen benötigen gut ausgebildete und motivierte Frauen, um im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Deshalb ist es elementar für die Sicherung der Zukunft unseres Landes, dass wir Chancengleichheit, dass wir gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft gewährleisten.
Arbeitgeber sollten wissen, dass Frauen den bereits vorhandenen Mangel an Fachkräften zu weiten Teilen ausgleichen können. Sie müssen aber auch realisieren, dass wir als Gesellschaft von genau denselben Frauen auch erhoffen und ihnen dabei helfen müssen, dass sie ihren Beitrag zur Bevölkerungsentwicklung leisten können – sprich: dass sie Kinder haben und, wenn es geht, mehr als nur eines oder zwei.
Politik ist gefragt, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Aus diesem Grund werden wir uns im Lauf dieses Tages auch sehr intensiv mit Fragen der Vereinbarkeit von Studium bzw. Beruf mit Familie und Kindern oder Pflegebedürftigen beschäftigen.
Anders sind die Probleme gelagert, wenn wir über die ungleichen Chancen von Frauen als Existenzgründerinnen oder Unternehmensnachfolgerinnen reden. Die Dynamik beim Zuwachs der Zahl der Existenzgründungen durch Frauen ist weit höher als die bei den Existenzgründungen durch Männer. Hierin liegt eine große Chance für unsere wirtschaftliche Entwicklung.
Dennoch ist die Ausgangslage für Frauen beim Start in die berufliche Selbstständigkeit sehr viel schwieriger. Frauen gründen anders als Männer, nämlich in kleinerem Umfang und mit überschaubarerem Risiko. Fakt ist aber auch: Frauen verfügen meist nicht im notwendigen Umfang über Eigenkapital und sind damit auch als Kreditnehmer für Banken wenig attraktiv, obwohl oder gerade weil Frauen bei ihren Gründungen meist einen geringeren Finanzierungsbedarf haben. Werden Existenzgründerinnen als Verhandlungspartner von Bankenvertretern vielleicht noch immer nicht genügend ernst genommen?
Was die Bereitstellung von Finanzmitteln und die Unterstützung bei der Entwicklung einer Unternehmenskonzeption angeht, kann frau geholfen werden. Die Instrumente der Förderbanken stehen zur Verfügung. Sie müssten nur über die Hausbanken stärker vermittelt werden. Beratungsdienstleistungen werden von Kammern, Verbänden und kommunalen Wirtschaftsförderungen vorgehalten – auch wenn ich mir da noch manche frauenspezifische Schwerpunktsetzung in den Aktivitäten vorstellen könnte.
Darüber hinaus aber muss die Veränderung in den Köpfen erfolgen. Nicht zuletzt dafür wollen wir heute mit diesem Frauenplenartag werben.
Ich wünsche mir, dass die Frauen, die heute hierhergekommen sind, um dieser Plenardebatte zu folgen, aus diesem Tag mitnehmen, dass wir etwas für sie tun und was wir für sie tun: Landespolitik nimmt sich in Ihrer und in unser aller Interesse Ihrer Anliegen an und bemüht sich über Fraktionsgrenzen hinweg um Lösungen.
Zum Schluss – nur weil heute Morgen im Rundfunk zu hören war, dieser Frauenplenartag würde vornehmlich von Frauen bestritten –: Für die CDU-Fraktion sprechen jeweils eine Frau und ein Mann im Wechsel, ganz im Sinne der Chancengleichheit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Großmutter war 18 Jahre alt, als die Frauen in Deutschland zum ersten Mal das Wahlrecht erhalten haben. Das liegt also nur zwei Generationen zurück, und so gesehen könnte man sagen: „Mensch, was haben die Frauen in nur zwei Generationen alles erreicht! Das ist doch ganz gewaltig!“
Ich bin stolz, einer Partei anzugehören, die mit an der Spitze stand, als es darum ging, von Anfang an für diese Frauenrechte einzutreten und zu kämpfen.
Aber dass es mit dem Wahlrecht allein nicht getan war, sehen wir an vielen Aspekten der Realität. Meine Generation reibt sich ja zuweilen verwundert die Augen. Wenn man in die Fünfzigerjahre zurückblickt, stellt man fest: Erst 1958 wurde in Deutschland der „Gehorsamsparagraf“ aufgehoben, der Ehefrauen tatsächlich dazu verpflichtete – ich zitiere –, „in allen das gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten“ dem Mann zu gehorchen. Ehefrauen hatten noch nicht
einmal das Recht, ihren Wohnsitz selbst zu wählen. Sie durften noch nicht einmal das eigene Vermögen, das sie in die Ehe eingebracht hatten, selbst verwalten. Das war 1958 in Deutschland!
Erst 1958 hat man auch die Regelung verändert, derzufolge ein Mann für seine Ehefrau deren Arbeitsverhältnis fristlos kündigen durfte. Dies war eine für den Arbeitsmarkt sehr wichtige Änderung.
Schauen wir nun in die heutige Realität: Welche Freiheiten haben doch die Frauen erreicht! Manche fragen sich: Brauchen wir angesichts solcher Veränderungen in unserer Gesellschaft wirklich eine Frauenförderung? Wenn man die Bildungserfolge von Frauen betrachtet, könnte man meinen, dass die Frauen nun das erreicht haben, was wir uns immer gewünscht haben, und an der Spitze angekommen sind.
Ich habe eine Tabelle mitgebracht, die das Segment derer darstellt, die akademische Ausbildungen absolviert haben.
Die Quote der Abiturientinnen beträgt über 50 %. Der Anteil der Studienanfängerinnen liegt auch noch bei etwa 50 %. Bei den weiblichen Studierenden ist die Zahl derjenigen, die die Abschlussprüfungen bestehen, fast genauso hoch wie die Zahl der Studienanfängerinnen. Dann jedoch geht, wie Sie sehen können, die Kurve rapide nach unten. Der Anteil der Frauen unter den Promovenden beträgt weniger als 40 %, bei den Habilitanden sind es unter 25 %. Die Frauenquote bei Professuren beträgt weniger als 15 %, und bei den – für Männer meist selbstverständlich gewordenen – C-4-Professuren sind es unter 10 %.
Das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen, woran es liegt, dass die Mädchen zwar am Anfang der Bildungskarriere sehr gut dastehen und die besten Voraussetzungen haben, aber im Laufe ihres Berufslebens von diesen guten Voraussetzungen nicht profitieren. Viele sehen als junge Schülerinnen oder Studierende gar nicht, dass sie Unterstützung notwendig haben. Sie sind gut, sie können etwas, sie sind sogar häufig die Besseren. Benoite Groult hat treffend beschrieben:
Die jungen Mädchen glauben, den Feminismus brauche man nicht mehr, die Zeit der Diskriminierung sei vorbei. Das glauben sie so lange, bis sie anfangen zu arbeiten.
Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, beginnt unsere politische Verantwortung. Das Grundgesetz sagt in Artikel 3 Abs. 2 ja nicht nur: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“, sondern im zweiten Satz auch:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Das heißt, das Grundgesetz gibt nicht nur Gleichberechtigung vor, sondern gibt uns auch einen politischen Auftrag.
Da will ich ganz konkret nach Baden-Württemberg schauen, weil wir wollen, dass dieser Frauenplenartag nicht nur wunderbar ist, weil die Männer, wenn hier vorne Frauen reden, einmal ein bisschen leiser sind als sonst, damit man die Chance hat, seine Sätze zu Ende zu bringen, sondern weil wir auch die Möglichkeit haben, hier einmal die Positionen von Frauen zur Geltung zu bringen. Das ist alles wunderbar. Aber hier im Plenarsaal gesprochene Worte allein helfen nichts. Wir brauchen auch praktische Taten zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Da will ich jetzt das Thema der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie aufrufen. Liebe Kollegin Krueger, ich finde, wir sollten schon deutlich machen, dass es nicht nur eine Frage von Frauen ist, ob Kinder geboren werden. Ich wehre mich dagegen, immer nur zu hören: Weil die Frauen keine Kinder bekommen, gibt es weniger Kinder. Vielleicht gibt es so wenige Kinder, weil auch zu wenige Männer bereit sind, ihre Verantwortung als Väter ganz ernst zu nehmen.