Ich frage mich seit geraumer Zeit, Herr Kretschmann, warum Sie eigentlich in einer Art Fundamentalopposition gegen alles sind, was wir in puncto Ökologie machen. Sie sind gegen das Wärmegesetz mit der tollen Begründung, das sei zu wenig, obwohl in keiner einzigen rot-grünen Landesregierung, die es in Deutschland gab, geschweige denn in der rot-grünen Bundesregierung, auch nur im Ansatz in diese Richtung gearbeitet wurde. Sie waren gegen alles, was wir im Bereich des ÖPNV gemacht haben. Sie sind jetzt gegen Stuttgart 21. Ich kann nur sagen, bei Ihnen ist maximal noch die Fassade grün, die ökologischen Inhalte sind es nicht.
Um in der Sprache des Eisenbahnverkehrs zu bleiben: In puncto Ökologie sind Sie nicht ICE, nicht EC, nicht Interregioexpress, sondern
Sie haben maximal noch die Geschwindigkeit einer Schienendraisine. Mehr ist bei Ihnen nicht mehr drin.
Der Ministerpräsident hat es gesagt: Sie haben sich viel zu lange vom Profilierungsdrang des nunmehrigen Tübinger Ober bürgermeisters vereinnahmen lassen. Wir laden Sie heute ein: Verlassen Sie den verkehrspolitischen Geisterzug, kommen Sie runter vom Abstellgleis, und steigen Sie ein. Gehen Sie an
Deshalb sage ich auch: Wir brauchen in Baden-Württemberg weiterhin solche Projekte. Wir brauchen Projekte, die die Ökologie befördern. Wir brauchen keine Enquetekommissionen, Herr Kretschmann, die zum zehnten Mal Feststellungen treffen, zum 20. Mal Fakten erheben, sondern wir brauchen die Umsetzung all dessen, was wir bereits wissen. Baden-Würt temberg 21 ist eine ökologische Fortsetzung einer optimierten Verkehrspolitik in diesem Bundesland.
Ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Drexler. Ich kann ja verstehen, dass Sie in diesem Zusammenhang jetzt nicht alles ganz toll finden und die eine oder andere Frage aufwerfen. Aber beim Thema Regionalisierungsmittel – ich sehe übrigens die Problematik und will die Tür auch gar nicht zuschlagen –
Zum 1. Januar 1996 kam bei uns die Regionalisierung, hinter der ja die Idee stand, dass die Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs vom Bund auf die Länder übergeht und damit auch die Mittel vom Bund an die Länder übergeben werden. Das war die Idee. Die Aufgabe haben wir erledigt. Der ÖPNV in Baden-Württemberg ist ausgebaut worden. 50 % mehr Zugkilometer, knapp 60 % mehr Passagiere. Aber die Abmachung, dass die Mittel fließen, ist in den letzten zehn Jahren dreimal gebrochen worden – zweimal von Rot-Grün. Jetzt muss schon einmal die Frage erlaubt sein – auch in Fortsetzung dessen, was Sie eigentlich kritisieren; Sie haben vorhin angeführt, dass wir aus Ihrer Sicht der Dinge zu viel Geld für Stuttgart 21 zugesagt hätten –:
Ist es dann konsequent, zu fordern, dass jedes Mal, wenn der Bund kürzt, die Länder einspringen? Ist das nicht vielmehr eine Aufforderung an den Bund, zu sagen: „Jetzt machen wir das nur noch in einem Zweijahresrhythmus; denn die Länder werden es schon irgendwie erledigen“?
Diese Frage muss man sich schon stellen, wenn wir jedes Mal in die Bresche springen, wenn irgendeine Bundesregierung – im Regelfall übrigens, bei aller Bescheidenheit, ist es ein SPDVerkehrsminister – sich nicht an die Absprachen hält und die Regionalisierungsmittel kürzt, meine Damen und Herren. Die se Frage müssen wir diskutieren.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Stratthaus war doch dabei! Stratt- haus hat doch zugestimmt!)
Ob das das richtige Signal ist, wage ich aber zumindest zu bezweifeln. Einfach jedes Mal in die Bresche zu springen, wenn der Bund Mittel kürzt, wäre, glaube ich, zu kurz gesprungen. Wir waren uns bisher eigentlich immer fraktionsübergreifend einig, dass wir weniger Belastung und nicht etwa noch zusätzliche Belastung bekommen sollten. Dieser Betrag, den der Bund gekürzt hat, wäre wieder eine Belastung von 60 Millionen € gewesen. Dieser Betrag pflanzt sich ja logischerweise fort, weil die Dynamisierung von einem immer niedrigeren Niveau ausgeht. Diese Belastungen immer zu übernehmen – dahinter möchte ich zumindest am heutigen Tag ein großes Fragezeichen setzen.
Meine Damen und Herren, ein kurzer Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Wohlstand und Entwicklung fanden in allen Zeiten und in allen Ländern immer zuallererst entlang wichtiger Verkehrsachsen statt. Ohne Baden-Württemberg 21 und vor allem ohne die vorgezogene Realisierung der Strecke Stuttgart–Ulm würde der Zug der Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes an uns vorbeifahren. Man muss, wenn man von Paris kommt, nicht unbedingt durch Baden-Württemberg fah ren, um in den Osten Europas zu kommen. Ich kenne mindes tens einen Ministerpräsidenten, der es ziemlich gut fände, wenn dies anders realisiert würde, nämlich indem über den Nordast an Baden-Württemberg vorbeigefahren würde und in Bayern auf die Schnellbahnstrecke Erfurt–München eingebogen würde. Das fände der Kollege in Bayern gut. Bei aller Sympathie gegenüber der Schwesterpartei: Wir nicht.
Deshalb war es, glaube ich, richtig, zu sagen: Wir müssen alles tun, um dies zu verhindern. Meine Damen und Herren von den Grünen: Da ging es nicht um die Frage, ob wir das jetzt oder ob wir es in fünf, zehn oder zwanzig Jahren machen, sondern es ging um die Frage: Machen wir es jetzt, oder machen wir es nie? Deshalb kann ich nur sagen: Es war der einzig richtige Moment, zuzuschlagen.
richtig; das wurde ja ausdrücklich gesagt; das ist kein Staatsgeheimnis –, dass alle Komponenten von Baden-Württemberg 21 mit der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm, dem neuen Hauptbahnhof und dem Filderbahnhof jetzt als ein großes Gesamtprojekt zeitgleich an den Start gehen können und dass etwas realisiert wird, was es in ganz Europa sonst nirgends gibt, nämlich eine Messe, die direkt an einen Flughafen, an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Bahn AG sowie an eine Bundesautobahn angebunden ist, ist – ich bleibe dabei – ein Quantensprung für die Infrastrukturentwicklung in BadenWürttemberg, meine Damen und Herren.
Es schließt unser Land an die zentralen europäischen Verkehrsströme der Zukunft an. Mit Baden-Württemberg 21 bleiben wir nicht nur geografisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich und logistisch mitten im Herzen des zusammenwachsenden Europas. Direkte Hochleistungsverbindungen verkürzen die Entfernungen zu den Metropolen in Ost und West. Wir steigern Schnelligkeit und vor allem Komfort im Fern- und Nahverkehr und ermöglichen neue Verbindungen. Betriebsabläufe und Fahrzeiten können auch bei regionalen Zügen verbessert und beschleunigt werden.
Deshalb, meine Damen und Herren – Kollege Drexler, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie es auch noch einmal angesprochen haben –, hat das ganze Land den Vorteil davon.
Die Bahn, meine Damen und Herren, ist ein Netz. Wer die Achse des Netzes stärkt, stärkt das ganze Land. Deshalb gewinnt nicht nur Stuttgart, sondern gewinnen auch Offenburg, Mannheim, Schwäbisch Hall oder Ravensburg, rücken alle Städte und Regionen unseres Landes näher an Europa heran. Überall verbessern sich Standortbedingungen und wächst die Standortattraktivität.
Deshalb ist die Debatte unter dem Titel „Stadt gegen Land“ oder „Stuttgart gegen den Rest“, wie manche sie anzetteln wollen, falsch und sinnlos. Sie ist unfair, Herr Kollege Kretsch mann, und sie ist vor allem unwahr. Ich fordere Sie deshalb auch auf, dass Sie mit dem heutigen Tag diese Kampagne nicht mehr fortführen, sondern in diesem Punkt zur Sache zurückkehren.
Ich danke dem Ministerpräsidenten ausdrücklich, dass er noch einmal klargestellt hat: Baden-Württemberg 21 geht gerade nicht zulasten des öffentlichen Personennahverkehrs. Wer in den letzten Wochen die Berichterstattung in den Medien aufmerksam verfolgt hat, konnte sich davon überzeugen. Beispielsweise haben wir in Karlsruhe in der U-Strab mit bescheidener Wirtschaftlichkeit, aber dennoch aufgrund verkehrspolitischer Notwendigkeit 100 Millionen € investiert. Daneben kommt der Ausbau der zweiten Stufe der S-Bahn Rhein-Ne ckar. Die Breisgau-S-Bahn wird weiter ausgebaut. Im ganzen Land wollen wir den ÖPNV weiterentwickeln und tun dies auch. Ich sage es nochmals: Innerhalb der letzten zehn Jahre konnte die Zahl der Fahrgäste im ÖPNV um 60 % gesteigert werden, obwohl wir weniger Geld vom Bund bekommen, als dies ursprünglich zugesagt war.
All dies zeigt: Wir wollen, wir können und wir werden auch nicht den öffentlichen Personennahverkehr in Baden-Würt temberg stoppen – so, wie Sie es behaupten; Sie sagen ja, alles, was Stuttgart 21 betreffe, gehe zulasten des ÖPNV. Diese Behauptung ist falsch, sie ist nachweislich unwahr. Stellen Sie deshalb bitte hier diese unwahren Behauptungen ein. Sie haben, nachdem Sie ja nun auch einen neuen verkehrspolitischen Sprecher in Ihrer Fraktion haben, hierzu die Chance.
Meine Damen und Herren, der Einsatz des Landes für BadenWürttemberg 21 ist zweifellos hoch, aber er lohnt sich. Wir bekommen damit ein Stück Infrastruktur, um das uns das restliche Deutschland und ganz Europa schon heute beneiden. Ich
kann nur sagen: Wo immer ich in der letzten Woche hingekommen bin, hat man uns zu diesem Projekt gratuliert. Denn in anderen Bundesländern wird die Einmaligkeit dessen, was wir hier machen, gesehen. Was wir hierfür investieren, bekommen wir im Übrigen schnell zurück – durch neue Jobs, durch deutlich mehr Ertragskraft, durch höhere Wettbewerbsfähigkeit und durch einen Wertezuwachs all dessen, was wir an Infrastruktur gerade im Bereich des Flughafens haben.
An den entscheidenden Stellen hat die kluge Verhandlungstaktik des Ministerpräsidenten Risiken für Baden-Württemberg verringert.
Statt für die unkalkulierbare Baukostenentwicklung der Neubaustrecke auf der geologisch schwierigen Alb aufzukommen, beteiligt sich das Land an der wesentlich günstigeren Risikodeckung beim Hauptbahnhof und beim Tunnel auf die Filder. Nicht zuletzt wird durch ein entsprechendes Reglement die Kostenentwicklung streng kontrolliert und der Kostenzuwachs minimiert.
Im Übrigen, Herr Kretschmann, finde ich auch unter Kostengesichtspunkten eines schon erstaunlich: In Stuttgart, wo Hunderttausende von Menschen leben, sind Sie gegen Tunnellösungen. In Südbaden jedoch, beim viergleisigen Ausbau in der Fläche, wo es mehr Wiese gibt als Bewohner, wo die Belas tung der Bevölkerung weit geringer ist,
da laufen Sie überall herum und gründen Bürgerinitiativen mit dem Ziel, die Schiene vermehrt unter die Erde zu legen und mehr Tunnel zu bauen.