Protocol of the Session on June 27, 2007

In der ersten Runde dieser Debatte über die Demonstrationen in Heiligendamm fragten Sie: Wo ist das Problem bei dieser Demonstration? – Entschuldigen Sie! 19 verletzte Polizeibeamte aus Baden-Württemberg und Hunderte von verletzten Polizeibeamten bundesweit, die dort waren, um den Rechtsstaat zu verteidigen, und Sie fragen: Wo ist das Problem? Da haben Sie ein gewaltiges Problem. Sie sind das Problem.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein Letztes: Ich finde es unerträglich, wie Sie sich anmaßen, zu definieren, was erlaubter ziviler Ungehorsam in diesem Land ist.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Was heißt „unerträg- lich“?)

Das Bundesverfassungsgericht ist unsere oberste Rechtsprechungsinstanz, die wir alle akzeptieren. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Gipfel in Heiligendamm eine Rechtsprechung verfasst. Sie aber stellen sich hin und sagen – verkürzt –, Sie würden darauf pfeifen. Wo stehen Sie eigentlich?

Lieber Herr Kretschmann, bei aller Hochachtung vor Ihnen muss ich Sie als Fraktionsvorsitzenden einmal fragen: Ist das, was Herr Sckerl vorhin gesagt hat – er würde auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts letztlich pfeifen –,

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Hat er ja gar nicht!)

die Linie Ihrer Partei, Ihrer Fraktion hier in diesem Haus? Wenn ja, dann hätten Sie sich aus dem Konsens aller Fraktionen hier verabschiedet.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Beifall bei der FDP/DVP – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Blenke, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Nein.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Keine Zwischenfra- gen und keine Rückfragen zulassen! Angsthasen!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gall.

Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Herr Innenminister, ich will Ihnen einfach noch einmal sagen, auch wenn es Ihnen nicht passt: Der Ertrag – ich benutze den Ausdruck ausdrücklich noch einmal – einer Veranstaltung wie des G-8-Gipfels, der unter hohem Erwartungsdruck ins Bild gesetzt wurde – nicht nur von den Medien, sondern auch vonseiten der Politik –, wird von den Bürgern schlicht und ergreifend hinterfragt.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das darf man doch!)

Allein diese Frage bedeutet jedoch für mich und bedeutet für uns noch kein Zurückweichen vor Gewalt. Das will ich ganz deutlich sagen.

Das Thema Abgrenzung haben Sie auch noch einmal angesprochen. Ich will da einfach auf eine Pressemitteilung der SPD-Fraktion verweisen.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Darin haben wir, wie schon im Vorfeld des Gipfels, während des Gipfels ausdrücklich und klar gesagt, dass es nicht akzeptabel ist, dass bei den Anti-G-8-Demonstranten in Rostock öffentlich zur Gewalt aufgerufen und die Polizei sogar noch als vermeintliche Ursache dieser Gewalt bezeichnet wird. Eine bessere Abgrenzung kann man, glaube ich, letztlich nicht vornehmen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Auch wenn Sie das nivellieren, ist das nicht tragbar!)

Sie haben gefragt: Welche Schlussfolgerungen sind aus dem, was in Heiligendamm passiert ist, eigentlich zu ziehen? Wir hoffen sehr, dass das, was Sie angedeutet haben, auch erfolgt, nämlich dass der Polizeieinsatz tatsächlich gründlich aufgearbeitet und gründlich analysiert wird, und zwar länderübergreifend, nicht nur von jedem entsendenden Land für sich allein.

Auch die Belastung der Einsatzkräfte muss im Übrigen einmal angesprochen werden. Es gab Mängel durch Fehlorganisation. Es gab stundenlang nichts zu essen. Es mangelte an Unterbringungsmöglichkeiten und an Ähnlichem. Darüber muss man reden.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Daran wird Kritik von den eigenen Kräften geäußert, nicht nur von uns.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ja und? – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Dies muss analysiert und für die Zukunft abgestellt werden. Was machen Sie aber?

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist Ihr größtes Pro- blem?)

Das ist nicht unser größtes Problem. Das ist das Problem derer, die dort waren, Herr Mappus. Denen müssen Sie einmal eine Antwort geben. Welche Antwort geben Sie denen? Bevor über Freizeitausgleich und Ähnliches gesprochen wird, sagen Sie schon zu, dass bis zu 2 000 Polizeibeamte zur Fuß

balleuropameisterschaft in die Schweiz abgeordnet werden sollen, um Randalierer im Zaum zu halten.

(Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Sie sollten unseren und Ihren Polizeibeamten einmal eine entsprechende Antwort geben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Meine Damen und Herren, es ist auch zu untersuchen, warum es eigentlich möglich war, dass trotz Vorwarnung durch den Verfassungsschutz – Sie haben es angedeutet – mehrere Hundert gewaltbereite Randalierer aus dem Ausland nach Deutschland einreisen konnten.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Er hat doch erklärt, wa- rum!)

Da muss es doch einfach Lücken gegeben haben. Denn gewaltbereite Japaner – um ein Beispiel zu nennen – sind bestimmt nicht mit ihrem Toyota nach Deutschland gekommen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das macht nur Herr Pal- mer! – Abg. Stefan Mappus CDU: Den fährt doch nur der Palmer!)

In diesem Zusammenhang – Herr Kollege Blenke, Sie haben es angesprochen – will ich ausdrücklich die Unterstützung der SPD-Fraktion zusichern, was die Gewalttäterdatei betrifft. Denn es darf nicht sein, dass bundes- und europaweit ein Raum besteht, in dem diese Herrschaften vagabundieren können. Ich muss klar sagen: Was gegenüber Hooligans zum Schutz von Fußballspielen möglich ist, das muss auch hier möglich gemacht werden. Das ist für mich keine Frage.

Meine Damen und Herren, es zeigt sich – –

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Herr Präsident, ich komme abschließend noch auf das Thema „Extremistische Gewalttaten“ zu sprechen. Ich hätte noch einige andere Ausführungen zu machen. Aber der Präsident setzt hier die komplette „Lichtorgel“ in Gang.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Meine Damen und Herren, da die Zahl der links- und rechtsextremistischen Gewalttaten in der Summe zunimmt – das ist doch völlig unstrittig –, muss hierauf auch entsprechendes Personal der Sicherheitsbehörden konzentriert werden. Doch was tun Sie? Sie nehmen Umorganisationen im LKA vor und schwächen dort ausgerechnet die Mannschaft, diejenigen Ermittlungsgruppen, die mit der Eindämmung von Linksextremismus und Rechtsextremismus befasst sind. Das passt nicht ganz zu dem, was Sie heute hier ausgeführt haben.

Für uns, meine Damen und Herren – das will ich deutlich sagen –, steht im Mittelpunkt: Wir möchten den Charakter einer freien Gesellschaft bewahrt wissen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wir sind der Ga- rant für diese freie Gesellschaft!)

Wenn Sie Ihre Hausaufgaben in diesem Bereich machen, dann ist mir davor auch nicht bange.

Zum Schluss bedanke ich mich ganz herzlich auch bei den Beamten, die dort eingesetzt waren, und wünsche denjenigen, die verletzt wurden, baldige und vollständige Genesung.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Ernst Behrin- ger CDU – Abg. Stefan Mappus CDU: War das so et- was wie ein Zynismus?)

Für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Abg. Sckerl das Wort.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Exdemonstrant!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gäbe vieles zu sagen. Aber, Herr Kollege Blenke, zu Aussagen, die ich in diesem Hause nicht gemacht habe, die mir aber von Ihnen unterstellt werden, erlaube ich mir heute einmal ganz vornehm zu schweigen. Ich muss mich nicht von Worten distanzieren, die ich nicht gesagt habe.

(Beifall bei den Grünen)