Protocol of the Session on June 27, 2007

Wenn ich mir den Antrag, der aus der CDU-Fraktion kommt, anschaue, muss ich sagen, lieber Kollege Zimmermann:

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist doch eine re- daktionelle Geschichte!)

Das ist eine semantische Verbesserung, aber keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Eben!)

Das hat nichts mit Legislativföderalismus zu tun.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber leider aus bürokratischen Gründen erfor- derlich! – Gegenruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Warum leider? – Zuruf des Abg. Karl Zimmer- mann CDU)

Kollege Zimmermann, hören Sie zu! Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt. Ich bin in diesem Verfahren auch Berichterstatter. Ich habe mich nicht umsonst dafür gemeldet. Ich habe mir eine Synopse erarbeitet, Herr Minister,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oi!)

und zwar zu der Frage, wie der Gesetzentwurf ausgesehen hat, als er hier eingebracht worden ist, wie der Referentenentwurf, soweit er mir zur Verfügung stand, ausgesehen hat und wie das Gesetz jetzt aussieht. Die Anhörungsergebnisse liegen mir im Detail nicht vor, aber die SPD-Fraktion und wir selbst haben ja Anhörungen durchgeführt. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die mehr als 100 Paragrafen und mehr als 100 Seiten durchzulesen. Meine Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Nein? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Immerhin etwas ge- tan!)

Immerhin, Kollege Wetzel, gibt es insgesamt fünf oder sechs Punkte, bei denen sich die Exekutive bewegt hat – das kann ich als positiv bewerten –, aber nicht bei den zentralen Fragen. Deswegen haben wir unsere Änderungsanträge wieder eingebracht. Die will ich in der Kürze der Redezeit, die mir für diese Aussprache zur Verfügung steht, noch einmal im Zentrum benennen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Wir als Grünen-Fraktion haben gesagt: Wir wollen den Erziehungsgedanken im Vordergrund haben, weil wir die jungen Menschen, die in den Strafvollzug gehen, erziehen müssen und sie nicht nur wegschließen dürfen. Deswegen muss der Erziehungsgedanke vorn ins Gesetz und nicht hinten! Das ist der erste und wichtigste Änderungsantrag.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Von 100 Paragrafen ist Nr. 20 doch nicht hinten!)

Dass Sie dem nicht folgen können, Kollege Zimmermann, kann ich nicht nachvollziehen, aber vielleicht lassen Sie sich ja doch noch bewegen und stimmen dann auch richtig ab.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ein weiterer Punkt, den wir mit einem Änderungsantrag erreichen wollen: Wir wollen selbstständige Jugendstrafanstal ten. Dies gilt vor allem auch für die, die im Land vielleicht noch kommen. Wir wollen keine Unterabteilungen von Erwachsenenstrafanstalten. Das wollen wir vom Gesetz her schon gar nicht zulassen. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag gestellt, damit das aus dem Gesetz wieder herausgenommen wird.

Ein weiterer Punkt birgt unseres Erachtens ein Stück weit das materielle Recht, das wir in unserer Republik haben, nämlich das Thema Jugendgerichtsgesetz, in dem klar geregelt ist, nach welchen Altersklassen Jugendliche zu behandeln sind:

im Alter von 14 bis 18 Jahren als Jugendliche und von 18 bis 21 Jahren als Heranwachsende. Das, was Sie materiell nicht ändern können, wollen Sie mit Ihrem Jugendstrafvollzugsgesetz offensichtlich formell über die Jugendstrafvollzugsgesetzgebung ändern. Auch das wollen wir geändert haben und aus dem Gesetz herausnehmen.

Ein weiterer Punkt, der unseres Erachtens wichtig erscheint – Kollege Sakellariou hat das schon angesprochen –, ist die personelle Ausstattung dieser Justizvollzugsanstalten für Jugendliche. Wenn wir den Erziehungsgedanken ernst nehmen, müssen wir die Anstalten auch mit dem entsprechenden Personal ausstatten – und zwar nicht nur mit Vollzugspersonal, sondern mit ausreichend ausgebildetem Personal, das die jungen Menschen erziehen kann, das den jungen Menschen Konfliktlösungen beibringen kann und, und, und.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie wollen doch auch erziehen! Sie wollen das doch auch!)

Dazu brauchen wir eine entsprechende personelle Ausstattung. Das haben wir verpflichtend in das Gesetz hineingeschrieben. Wenn Sie dies auch wollen, müssen Sie zumindest diesem Änderungsantrag zustimmen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Haben wir doch! Steht doch drin! Wir haben das schon!)

Wir haben einen weiteren Änderungsantrag, den Sie auch kritisieren, was ich nicht verstehen kann. Ich habe es vorhin schon als Zwischenruf kundgetan: „Wer nix Gscheids glernd hodd, ko nix Gscheids schaffa“, heißt es auf Schwäbisch, Kollege Zimmermann.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Deswegen wollen wir den Vorrang für die Bildung. Insbesondere in den Strafanstalten müssen die jungen Leute erst einmal eine entsprechende Bildung bekommen und sollen erst dann arbeiten.

(Zurufe der Abg. Karl Zimmermann CDU und Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Dass diejenigen, die absolut keine Bildung wollen – darüber kann man noch diskutieren –, dann arbeiten müssen, das steht so im Gesetz.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau so sehe ich das auch!)

Aber wir wollen auch in den Strafvollzugsanstalten den Vorrang für die Bildung, damit die jungen Menschen einen entsprechenden Beruf erlernen können.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Christine Ru- dolf SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Da kann man doch nicht klatschen bei der SPD! Herr Kolle- ge, weisen Sie Ihre Kollegin darauf hin, dass sie falsch applaudiert hat! – Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit angezeigt.)

Herr Präsident, ich bemühe mich, zum Ende zu kommen.

Ein letzter Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist das Thema der Konfliktregelungsverfahren. Es mag ja sein, dass Ih

nen und auch den Kolleginnen und Kollegen von der SPD das zu kompliziert erscheint;

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wollen wir besonders gescheit sein?)

wir haben da eine sehr umfangreiche Regelung hineingeschrieben.

Aber lassen Sie mich einmal kurz erläutern, welcher Gedanke dahintersteckt. Ein Großteil der jungen Menschen – da rüber haben wir heute Morgen schon diskutiert – sitzt auch wegen Gewaltstraftaten in einer Jugendstrafvollzugsanstalt. Warum? Weil sie keine anderen Konfliktlösungen gelernt haben, weil die Gesellschaft dort Defizite hat, weil sie das nicht ausgleicht, was Eltern vielleicht nicht können oder nicht wollen oder dafür keine Kompetenz haben. Das kann man einfach so sagen. Das sage ich auch als vielfacher Familienvater. Aber wissen Sie, was dann passiert, wenn wir ihnen das in den Strafvollzugsanstalten nicht beibringen? Dann haben sie wieder nichts gelernt, dann kommen sie nach dem Absitzen ihrer Strafe aus den Strafanstalten heraus und haben wieder keine anderen Konfliktlösungsmöglichkeiten erfahren, haben nicht erfahren, wie man das ohne Gewalt macht.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Lesen Sie § 95! Gemäß § 95 lernen die das!)

Deswegen sind wir der Auffassung, dass die Konfliktregelung in diesem Gesetz eine andere Rolle als bisher spielen muss. Deswegen haben wir diesen Änderungs- und Ergänzungsantrag eingebracht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das hat der Kollege schon treffend ausgeführt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Kollege weiß nicht, welcher Kollege gemeint ist!)

Der Kollege Sakellariou, nicht der Kollege Zimmermann. Für Ordnungsrufe ist der Präsident zuständig, Herr Zimmermann,

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Jörg Döpper CDU: Den interessiert es aber nicht!)

und nicht der Kollege Zimmermann.

Eine Bemerkung zum Schluss: Dass wir keine wortgleiche Fassung unserer Verfassung in das Jugendstrafvollzugsgesetz einbauen wollen, hat keine ideologischen Hintergründe, die Sie vielleicht schon wieder vermuten. Es geht einfach darum, dass wir keine Menschen zur christlichen Nächstenliebe erziehen können,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Im Geiste christlicher Nächstenliebe!)

die wir erst missionieren müssen. Denn wenn wir das täten, müssten wir erst einmal auch die Gesinnung aller Menschen, die in den Strafvollzugsanstalten arbeiten, überprüfen, ob sie überhaupt in der Lage sind, den jungen Menschen den christlichen Glauben mit seinen Werten zu vermitteln.

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP und Jörg Döpper CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, Sie legen das bewusst falsch aus! Im Gesetz steht: „im Geiste“!)

Deswegen meinen wir, das gehört nicht in ein Jugendstrafvollzugsgesetz.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: In das Kindergar- tengesetz gehört das rein!)