Protocol of the Session on May 24, 2007

Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abg. Berroth! – Bitte.

Danke, Frau Präsidentin. – Genauso wie Kollege Herrmann das dargestellt hat, geht es mir darum, die in diesem Zusammenhang herrschende Bürokratie wirklich zu verringern. Das werden wir durch die Erhöhung der Wertgrenzen allein aber überhaupt nicht erreichen. Ich möchte die Kommunen auffordern, sich weit mehr als bisher zu trauen, die günstigste Lösung und nicht die billigste zu wählen.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Die wirtschaftlichs te!)

Ja, das ist für mich die günstige.

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt einbringen, der mir noch viel zu wenig diskutiert wird, nämlich den ökologischen Aspekt. Wir müssen – ich meine, EU-weit – endlich zu einer Regelung kommen, bei der auch die ökologischen Kosten einbezogen werden, vielleicht so, dass man mithilfe von Zertifikaten berechnet, was es umweltmäßig kostet, wenn der Handwerker Tausende von Kilometern anreisen muss, und wie sehr unsere Umwelt damit belastet wird. Auch das ist für mich ein Kriterium, das noch viel zu wenig einbezogen wird, aber künftig ebenso einbezogen werden sollte.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete Berroth, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Tappeser?

Wenn es Kollegen gibt, die heute noch länger tagen wollen, gern.

Ist Ihnen bekannt, dass es bei Ausschreibungen, bei Eröffnungen, bei Submissionen auch Verlierer gibt, dass sich die Verlierer dann ebenfalls dagegen wenden können müssen und dass es dann umso schwieriger wird, wenn Wertgrenzen erhöht werden, weil dann der Erklärungsdruck auch der Gemeinderäte, die sich bemühen, das heimische Handwerk zu unterstützen, erheblich wird?

Ich danke Ihnen, Herr Tappeser, dass Sie das, was ich einige Sätze zuvor gesagt habe, damit noch einmal deutlich erläutern. Genau darum geht es mir, dass das Problem damit eben nicht gelöst wäre, sondern dass dagegen wieder angegangen werden könnte und dass deswegen diese scheinbar einfache Lösung nicht trägt.

Deswegen müssen wir das besser vorbereiten. Daher bin ich froh, dass es diese sehr kompetent besetzte Arbeitsgruppe gibt. Wir wollen abwarten, bis die Vorschläge dieser Arbeitsgruppe vorliegen, diese dann diskutieren und auch abwarten, inwieweit der Bund, der ebenfalls Entsprechendes angekündigt hat, vielleicht auch eine in diesem Falle sinnvollere bundeseinheitliche Regelung bringt. Wir lehnen im Moment einfach deshalb, weil ich mir überhaupt nicht sicher bin, ob es unseren Handwerkern wirklich Vorteile bringen würde, weil ich das genau abgeklärt haben will, diesen Schnellschuss mit einem wiederbelebten SPD-Antrag und damit den vorliegenden Antrag ab.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Gegen die Haller FDP!)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Fleischer.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Forderung der SPD nach großzügigeren Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben für den Kommunalbereich zielt darauf ab, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, Aufträge möglichst weitgehend gewissermaßen nur in Sichtweite des Kirchturms auszuschreiben. Das ist ein Thema, bei dem man die Marktsituation und die allgemeine politische Lage sehr sorgfältig beobachten muss. Herr Schmiedel, diesbezüglich gebe ich Ihnen völlig recht.

Es ist aber auch ein Thema, bei dem man die rechtliche Situation berücksichtigen muss, gerade auf EU-Ebene, und bei dem man vor allem auch die feststellbare Praxis, die bei uns im Land Baden-Württemberg herrscht, zurate ziehen muss.

Die Landesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund der derzeitigen – ich betone: der derzeitigen – Sach- und Rechtslage das Anliegen der SPD abgelehnt werden muss, da es mit den Zielen der EU für einen diskriminierungsfreien Wettbewerb höchstwahrscheinlich nicht im Einklang steht; ich komme nachher noch darauf zurück. Ein entsprechendes von der Bundesrepublik angestrengtes Verfahren vor dem EuGH läuft zurzeit, und wir müssen den Ausgang dazu abwarten.

Wir sollten uns aber auch darauf besinnen, dass das Ziel der Vergabe öffentlicher Bauaufträge die wirtschaftlichste Vergabe sein muss; es ist schon davon gesprochen worden. Für die Vergabe kommunaler Bauaufträge kann nichts anderes gelten; denn auch sie werden schließlich mit Steuermitteln der Allgemeinheit bezahlt.

Ich möchte noch einmal kurz die Position der Landesregierung umreißen, obwohl der jetzt gestellte Antrag gegenüber dem Antrag vom Dezember 2005 keine neuen Gesichtspunkte zum Gegenstand hat.

Eine Markterkundung durch formlose Information der Fachöffentlichkeit nur in regionalen Tageszeitungen oder anderen geeigneten Medien, wie sie im Antrag der SPD-Fraktion vorgesehen ist, ist EU-rechtlich problematisch. Eine Aufforderung nur einheimischer Bewerber und darüber hinaus von noch einem bis zwei Bewerbern aus einer anderen Gemeinde oder aus anderen Landkreisen, wie dies in dem Antrag der SPD ebenfalls formuliert ist, ist aus Sicht der EU nicht statthaft.

Die Europäische Kommission hat in einer Mitteilung darauf hingewiesen, dass auch für Vergaben von europäischer Relevanz unterhalb der Schwellenwerte für EU-weite Ausschreibungen für alle interessierten Bieter faire, gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten müssen. Europäische Relevanz sieht die Europäische Kommission im Einzelfall schon bei einem Auftragswert von – man höre und staune – mehr als 30 000 € als gegeben an. Wir wissen, wie die EU-Kommission in den letzten Jahren in Sachen Antidiskriminierungsverbot ganz enge Maßstäbe auch in anderen Bereichen gesetzt hat.

Die Bundesrepublik Deutschland und einige andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben zwar gegen diese Mit

teilung Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Ob sie damit aber Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Die Chancen dürften nicht allzu groß sein. Denn die Europäische Kommission fordert nur die Einhaltung der im EU-Vertrag enthaltenen Grundprinzipien der schon erwähnten Transparenz und der Nichtdiskriminierung ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein anderer Aspekt erscheint mir ebenfalls sehr wichtig. Die Situation ist nämlich keineswegs so, dass baden-württembergische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen in einem fairen Wettbewerb um Bauaufträge der öffentlichen Hand benachteiligt würden. Für den Bereich des staatlichen Hochbaus in Baden-Würt temberg kann ich Ihnen mitteilen, dass in den letzten drei Jahren von den öffentlich ausgeschriebenen Bauaufträgen mit einem Volumen von mehr als 50 000 € jeweils rund 75 % von Firmen aus Baden-Württemberg ausgeführt wurden. Von den restlichen 25 % der Bauaufträge gingen jeweils rund ein Drittel an Unternehmen aus den neuen Bundesländern. Bedenken Sie aber immer dabei, dass auch eine große Anzahl badenwürttembergischer Bauunternehmen jenseits unserer Landesgrenzen Bauaufträge abwickeln und deshalb auch künftig auf faire, nicht diskriminierende Spielregeln angewiesen sind.

Der Landesregierung sind im Übrigen auch Äußerungen – auch das muss man mit bedenken – besorgter kleiner und mittlerer Bauunternehmen aus strukturschwachen Gebieten bekannt, die um ihre Existenz fürchten, weil sie auch auf Aufträge fern ihres Firmensitzes angewiesen sind.

Mit den von der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg veröffentlichten Wertgrenzen haben die kommunalen Dienststellen bereits jetzt eine Orientierung, bis zu welchen Größenordnungen beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben als haushalts- und vergaberechtskonform angesehen werden. Die Gemeindeprüfungsanstalt hat erst vor wenigen Tagen erklärt, dass die Städte und Gemeinden bis auf ganz wenige Ausnahmen die von ihr genannten Wertgrenzen akzeptiert und zwischenzeitlich in ihre eigenen Dienstordnungen aufgenommen haben. Dass dies von Kommune zu Kommune je nach Interessenlage unterschiedlich in den kommunalen Gremien diskutiert wird, ist uns allen bekannt. Das hängt von der jeweiligen Interessensituation ab.

Die Gemeindeprüfungsanstalt hat auch mahnend auf die durch die Schaffung rein regionaler Märkte drohenden Nachteile wie Preisabsprachen, Manipulation und Korruption hingewiesen. Auch diese Bedenken nimmt die Landesregierung bei ihrer Bewertung selbstverständlich sehr ernst.

Aber – das muss ich mit gleicher Gewichtigkeit sagen – wir tun gut daran, dieses Thema als Daueraufgabe auf der politischen Agenda zu belassen, um gegebenenfalls auf sich verändernde Verhältnisse zeitgerecht reagieren zu können. Deshalb hat der Herr Ministerpräsident am 24. Januar, also noch bevor die SPD diesen Antrag gestellt hat,

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das ist wichtig!)

das Wirtschaftsministerium beauftragt, die bereits vom Kollegen Herrmann erwähnte Arbeitsgruppe einzurichten. Diese besteht aus den kommunalen Landesverbänden, dem Fachverband Bau, der Industrie- und Handelskammer, der Gemeindeprüfungsanstalt sowie den zuständigen Landesministerien.

Auch der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen, der für die Fortschreibung der VOB zuständig ist, befasst sich derzeit mit diesem Thema. Die Arbeitsgruppe kam überein, dessen Ergebnisse abzuwarten, weil Orientierungswerte in der VOB/A dann ein Signal für alle öffentlichen Auftraggeber bundesweit sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Derzeit sind großzügigere Wertgrenzen rechtlich umstritten. Die Entscheidung des EuGH sollte abgewartet werden. Sie sind wirtschaftlich und vom Bedarf her derzeit nicht nötig und deshalb im Augenblick politisch kontraproduktiv, insbesondere für die mittelständische Bauwirtschaft und die Kommunen unseres Landes. Aber ich versichere Ihnen: Wir behalten dieses Thema nach wie vor im Auge. Aufgrund der derzeitigen Sach- und Rechtslage sind wir der Auffassung, dass Ihr Antrag heute abgelehnt werden sollte. Wir werden aber im Lichte der zu erwartenden EuGH-Rechtsprechung nach Beendigung dieser Kommissionsarbeit, von der ich gerade sprach, seitens der Landesregierung in eine erneute Bewertung eintreten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal kann ich erfreut feststellen, dass sich die Tonlage gegenüber der Behandlung die ses Themas in der letzten Wahlperiode deutlich verändert hat.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Erheblich! – Abg. Reinhold Gall SPD: Es bewegt sich etwas! – Abg. Ute Vogt SPD: Und sie bewegt sich doch!)

Es ist mehr Offenheit und auch mehr Problembewusstsein spürbar; das ist sehr gut.

Was die Europafrage anbelangt, Herr Staatssekretär, meine ich, dass diese sehr relativ zu sehen ist. Immerhin praktizieren elf andere Bundesländer höhere Wertgrenzen, ohne dass die EU groß einschreiten würde. Es gibt eine einzige mir bekannte Äußerung der Kommission in Bezug auf eine mögliche Grenze, ab der man diese strengeren Maßstäbe anlegen müsste. Diese Grenze liegt bei 10 % der EU-relevanten Ausschreibungssumme von 5 Millionen €, nämlich bei 500 000 €. Hier liegen wir deutlich darunter.

Zweitens: Nach dem Mittelstandsförderungsgesetz und nach der Gemeindeordnung können städtische GmbHs, die in öffentlichem Auftrag ausschreiben, schon heute Aufträge bis zu 30 000 € freihändig vergeben. Jetzt frage ich Sie: Wo ist denn eigentlich die Logik, wenn eine städtische private GmbH freihändig Aufträge bis zu einer Summe von 30 000 € vergeben kann, die Kommune, also die Mutter, jedoch nicht? Da gibt es doch gar keinen logischen Zusammenhang.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Unsinn! Völliger Un- sinn!)

Es gibt gar keinen Grund dafür, diese Möglichkeit den Städten und Gemeinden nicht ebenfalls einzuräumen.

(Beifall bei der SPD)

Das, was Sie, Herr Herrmann, gesagt haben, ist alles durchaus bedenkenswert. Man kann den Rahmen auch so hinbas teln – durch vorgeschaltete Teilnahmewettbewerbe entweder bei einer Direktvergabe oder bei einer beschränkten Ausschreibung –, dass genau das sichergestellt ist, was die Bayern praktizieren, nämlich eine überregionale Bekanntgabe. Aber „überregionale Bekanntgabe“ heißt ja nicht bundesweite Bekanntgabe, sondern lediglich Bekanntgabe über den angrenzenden Landkreis oder die angrenzenden Kommunen hinaus in die Region. Darüber können wir reden.

Wir schlagen vor, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, damit wir dort im Detail noch einmal über notwendige begleitende Rahmenregulierungen reden können. Ich denke, eine Behandlung im zuständigen Ausschuss würde auch die Arbeit der Arbeitsgruppe ein bisschen beflügeln. Denn, Herr Staatssekretär, im Januar wurde bereits eingeladen, und im April hat sie einmal getagt, allerdings ohne ein relevantes Ergebnis. Das scheint uns dem Thema nicht angemessen. Eine weitere Behandlung im Ausschuss – das soll nicht auf die lange Bank geschoben werden – könnte auch die Arbeit der Arbeitsgruppe beflügeln. Deshalb schlagen wir vor, Frau Präsidentin, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt, den Antrag an den Finanzausschuss zu überweisen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nein! – Zurufe von der CDU: Nein! – Gegenruf der Abg. Ute Vogt SPD: Doch! Natürlich ist das beantragt! – Gegenruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber wir sind dagegen! – Unruhe)

Sie wollen die Überweisung an den Finanzausschuss?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Darüber brauchen wir doch gar nicht abzustimmen! Das „Ding“ muss im Ausschuss weiterbehandelt werden! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist eine parlamentarische Gepflogen- heit, wenn man den Antrag dazu stellt! – Unruhe)

Sie stimmen dem zu?

(Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nein! – Zurufe von der SPD: Ja!)

Dann stimmen wir darüber ab. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. –