Protocol of the Session on May 24, 2007

Jetzt will ich auch gleich die Haupteinwände aufgreifen, die vorgebracht werden.

Zum Ersten wird immer gesagt, wenn man mehr Direktvergaben zulasse, leiste man einem „Hoflieferantentum“ Vorschub und würden sozusagen Beziehungen geschaffen, bei denen immer nur einer bedient werde. Dieses Argument halten wir für nicht durchschlagend; denn man kann natürlich auch wettbewerbsfördernde Regelungen vorschalten. Das haben wir auch heute schon. Auch heute muss eine öffentliche Dienststelle, wenn sie sich einen Computer oder etwas anderes beschafft, mindestens drei Angebote einholen, um den Markt zu erkunden. Auch diese Vorschaltung kann man verlangen. Man kann zur Bedingung machen, solche Aufträge regional formlos bekanntzumachen, sodass alle regionalen Anbieter die Chance haben, ihr Interesse zu bekunden.

Das zweite Argument lautet: Das Ganze führt zu höheren Preisen. Das ist zunächst einmal richtig. Aber diesen höheren Preisen steht in aller Regel eine bessere Qualität und vor allem ein besserer Rückgriff gegenüber. Wenn man unter dem Strich einmal alles zusammenzählt, dann, glauben wir, wird die öffentliche Hand nicht stärker belastet; es hält sich zumindest die Waage.

Auf jeden Fall können wir einen Beitrag leisten mit dem, was wir gestern als Lippenbekenntnis beim Tagesordnungspunkt „Unternehmensnachfolge in Baden-Württemberg“ alle im Mund geführt haben: Wir wollen die Rahmenbedingungen so schaffen, dass kleine und mittlere Unternehmen gute Chancen haben, auf Dauer am Markt zu bestehen.

Sie sollten auch berücksichtigen, dass der Handwerkstag Baden-Württemberg diese Initiative begrüßt und sie massiv un

terstützt. Wir wissen durch viele Gespräche vor Ort, dass die Handwerke in Baden-Württemberg auf eine solche neue Regelung warten. Sie schauen neidisch auf andere Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen, die solche Regelungen bereits haben, und könnten nicht verstehen, wenn eine solche Regelung zugunsten des Handwerks nicht auch in Baden-Württemberg eingeführt würde.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Herrmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Vergabe öffentlicher Bauaufträge“ war schon mehrfach Gegenstand der Beratungen hier im Landtag. Vor einigen Jahren haben uns zahlreiche Handwerker, Innungsobermeister und andere Handwerker, die nicht nur in den Organisationen gesprochen haben, bedrängt, dass man die bisherige Ausschreibungspraxis trotz der Nachteile, die unstreitig vorhanden sind, belassen sollte.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Aber das hat sich geän- dert!)

Jetzt haben wir die Situation: Es muss nicht der billigste Anbieter genommen werden, sondern der wirtschaftlichste. Wenn es gut dokumentiert wird, kann man auch gegenüber der Gemeindeprüfungsanstalt und gegenüber einer juristischen Nachprüfung deutlich machen, dass der billigste nicht der wirtschaftlichste sein muss.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Theoretisch ja! Das funk- tioniert in der Praxis doch nicht!)

Nun haben Sie, Herr Kollege Schmiedel, verschiedene Punkte angesprochen, die unstreitig vorhanden sind: Die bürokratischen Aufwendungen haben zugenommen. Kann man hier nicht überlegen, ob wir mit landesrechtlichen Möglichkeiten die bürokratischen Aufwendungen verringern können?

Ein anderer Punkt: Sie schlagen vor, Wertgrenzen einzuführen. Bei den hohen Wertgrenzen, die Sie vorschlagen, werden die öffentlichen Ausschreibungen faktisch zum Ausnahmefall,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

und wir haben in vielen Bereichen nur noch beschränkte Ausschreibungen oder freihändige Vergaben. Das entspricht nicht dem Wettbewerbsgedanken.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ach!)

Man muss hier aufpassen, dass man nicht das eine Problem vermeintlich lösen, damit aber zahlreiche neue Probleme schaffen würde. Bei einer beschränkten Ausschreibung oder freihändigen Vergabe könnten nämlich kleine regionale Märk te entstehen, die Preisabsprachen unter Bietern wesentlich erleichtern. Das wäre mittelstandspolitisch auch nicht richtig und nicht sinnvoll.

Ein weiteres Beispiel: Wenn Bieter aus strukturschwachen Gebieten Angebote abgeben, dann wären sie benachteiligt, wenn

sie in strukturstärkeren Gebieten wegen der dort vorhandenen größeren Zahl von Bietern vom Wettbewerb ausgeschlossen wären. Also auch hier muss man aufpassen, dass man nicht ein vermeintliches Problem löst und neue schafft.

Sie weisen in der Begründung Ihres Antrags auf Bayern hin. Es gibt dort einen Rundbrief an die Ministerien und Kommunen, dass bei beschränkten Ausschreibungen eine ausreichende Zahl überregionaler Interessenten erreicht werden muss. Die Praxis in Bayern ist also, dass die Ausschreibung nicht auf regionale Interessenten beschränkt ist. Vielmehr weist man ausdrücklich darauf hin, dass eine entsprechende Zahl überregionaler Interessenten auch bei beschränkter Ausschreibung angesprochen werden muss.

Die Landesregierung hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Vertreten sind darin auch die kommunalen Landesverbände, die Gemeindeprüfungsanstalt, die Bauwirtschaft und die IHK. In dieser Arbeitsgruppe werden diese Themen unaufgeregt und in Ruhe beraten und besprochen, werden Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Nach der Sommerpause wird uns die Arbeitsgruppe einen Bericht vorlegen.

Wir in der CDU-Fraktion wollen dann überlegen, ob es bezüglich des bisherigen Systems Änderungsbedarf gibt, ob Änderungen nötig und sinnvoll sind, um in unserem gemeinsamen Ziel weiterzukommen und unserem Mittelstand und unseren kleinen Handwerksbetrieben

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Um die geht es!)

weiterhin Aufträge zu ermöglichen. Wir wollen damit nicht neue Probleme schaffen, die bei Ihrem Vorschlag durchaus entstehen könnten und die man nicht ohne Weiteres vom Tisch wischen kann.

Eine letzte Bemerkung: Nur 5 % aller Aufträge im Hochbaubereich kommen von der öffentlichen Hand. Im Tiefbau sind es einige Aufträge mehr, aber trotzdem eine untergeordnete Zahl. Auch das muss man sehen: Unsere Handwerksbetriebe und unser Mittelstand hängen nicht wesentlich von Aufträgen der öffentlichen Hand ab. Das ist nur ein außerordentlich geringer Anteil aller Aufträge.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nennen Sie einmal die Summe!)

Wir sind gesprächsbereit, wenn das Ergebnis der Arbeitsgruppe vorliegt. Wir wollen jetzt aber keinen Schnellschuss vollführen, der möglicherweise neue Probleme schafft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist klar, dass das Vergaberecht, wie es derzeit gilt, ein ernsthaftes Problem darstellt. Auf der einen Seite ist es ein ernsthaftes Problem für die Kommunalverwaltung; es ist aber auch und insbesondere ein ernsthaftes Problem für das Handwerk. Es ist zu komplex und zu kompli

ziert. In einer Situation, in der das Handwerk sowieso Schwierigkeiten hat – auf der einen Seite gibt es Konkurrenz durch das Ausland, auf der anderen Seite durch die Schattenwirtschaft –, führt das dazu, dass sich das Handwerk ernsthaft Sorgen macht und große Befürchtungen hegt. Die hat das Handwerk sicherlich zu Recht.

Es hieß, viele Betriebe beteiligten sich gar nicht mehr an öffentlichen Vergaben.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Richtig!)

Wir hatten in Esslingen ein Gespräch mit der Kreishandwer kerschaft. Der Kollege Schmiedel hat gerade gezeigt, in welchem Umfang für einen Auftrag, dessen Wert unter 10 000 € liegt, Formalitäten anfallen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ein Apparat!)

Es ist allerdings eine beschränkte Ausschreibung, um die es hier geht. Auch bei der beschränkten Ausschreibung sind die Formalitäten für einen kleinen Betrieb mit wenigen Beschäftigten wirklich ein Problem.

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Die Frage lautet nun, was zu tun ist. Ich denke, der erste Punkt sollte sein: Wir müssen dafür sorgen, dass das Vergaberecht vereinfacht wird. Dies könnte auf Bundesebene geschehen, indem ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, damit die Bestimmungen schlanker und handhabbarer werden und die Regelungen gleichzeitig Rechtssicherheit bieten.

Die zweite Möglichkeit, dem Handwerk entgegenzukommen, wäre die Verabschiedung eines Tariftreuegesetzes auf Landesebene gewesen. Dem haben Sie sich leider verweigert. Wenn wir hier im Land festgelegt hätten, dass alle Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, nach Tarif bezahlen und dies auch bestätigen müssen,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

dann hätte dies die Konkurrenzsituation für das Handwerk wesentlich verbessert.

(Beifall der Abg. Franz Untersteller und Werner Wölfle GRÜNE – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das ist wichtig!)

Der dritte Punkt ist: Auf der kommunalen Ebene muss es natürlich darum gehen, die Gestaltungsmöglichkeiten, die die EU-Richtlinie bietet, auch zu nutzen. Ich habe mir das noch einmal angeschaut und habe die Richtlinie auch mitgebracht. In Anbetracht der fortgeschrittenen Uhrzeit würde es jetzt ein bisschen zu lange dauern, vieles vorzulesen. Doch vielleicht einen Satz. Öffentliche Auftraggeber können bei der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen Bedingungen angeben, für die gilt:

Sie können insbesondere dem Ziel dienen, die berufliche Ausbildung auf den Baustellen sowie die Beschäftigung von Personen zu fördern, deren Eingliederung besonde re Schwierigkeiten bereitet, die Arbeitslosigkeit zu be kämpfen oder die Umwelt zu schützen.

Es gibt also eine Vielzahl von Möglichkeiten, die auch mit dem EU-Wettbewerbsrecht kompatibel wären, um bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge dem regionalen Handwerk entgegenzukommen.

Kollege Herrmann hat es erwähnt: Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird als Kriterium festgeschrieben. Es muss nicht das billigste Angebot sein.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das gilt schon heute, Frau Kollegin!)

Das sage ich doch.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)