Sie haben wortwörtlich ausgeführt, Sie wollten sogar Kosten bei dieser Pflichtaufgabe des Staates sparen, und haben das sogar in der Einzelbegründung darlegt, indem Sie formuliert haben, der Entwurf
Moment, jetzt kommt es zu den Auswirkungen – arbeite deswegen mit Soll- und Ermessensvorschriften, damit der Justizhaushalt nicht überfordert werde. Dazu muss ich Ihnen sagen: Warum befassen wir uns denn damit? Weil wir Vorfälle wie den in Siegburg verhindern wollen.
In Siegburg wurde im Jugendstrafvollzug ein Zwanzigjähriger von drei Strafgefangenen zwölf Stunden lang gequält, sexuell missbraucht und anschließend zum Selbstmord gezwungen.
Wenn man das mit Kosteneinsparungen verhindern will, dann geht das eben daneben. Mit Verlaub, dann geht das daneben.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn Sie mir ein Beispiel aus Baden-Württemberg nennen, gebe ich Ihnen recht! Unglaublich! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)
Erstens: Einzelunterbringung zur Nacht. Sie haben das so dargestellt, als ob es nicht so bedeutungsvoll wäre. Ich muss Ihnen sagen, wenn wir das in dieser Form ins Gesetz hineinschreiben würden, wären in Baden-Württemberg Vorfälle wie in Siegburg nicht möglich.
Wir erlauben uns, trotz der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts keine Zahlen zur Personalausstattung ins Gesetz zu schreiben. Ich sage Ihnen, in Nordrhein-Westfalen sind als
300 Leute auf einen Schlag, obwohl die damals schon einen besseren Personalschlüssel hatten als wir heute!
Trotzdem haben sie nach Siegburg 300 neue Leute eingestellt. Wir werden ja sehen, was wir hier noch für Konsequenzen haben.
Der nächste Punkt ist tatsächlich bedenklich. In § 11 Abs. 3 Ihres vorgelegten Entwurfs, Herr Minister, schreiben Sie:
Das ist ja der Wahnsinn! Das ist ein Zurückgehen zu Vorschriften, bei denen wir gedacht haben, wir hätten sie schon längst überwunden.
Das kann nicht sein. Das muss geändert werden. Denn wer im Jugendstrafvollzug arbeitet, der soll nicht nur geeignet sein, der m u s s geeignet und ausgebildet sein. Das ist auch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, um die es sich dreht.
Als nächsten Punkt nenne ich die Mitwirkungspflicht in § 23 des Jugendstrafvollzugsgesetzes. Das ist auch eine ganz heik le Geschichte. In der Fachliteratur ist man beim bisherigen Mitwirkungsrecht davon ausgegangen, dass Gefangene, wenn sie in diese Situation kommen, das Recht haben, sich an ihrer eigenen Resozialisierung zu beteiligen. Pädagogisch gesehen ist das auch der bessere Ansatz. Wenn man aber daraus eine Mitwirkungspflicht konstruiert, hat man ein zusätzliches Sanktionsmittel und die Möglichkeit, Leute aus kostenpflichtigen Maßnahmen herauszunehmen.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn der Psycholo- ge kommt, muss der doch da sein! Mitwirkungs- pflicht gibt es doch überall!)
In der Fachwelt wird gesagt, dass die Mitwirkungspflicht als Billigmacher dieses Jugendstrafvollzugsgesetzes benutzt wird. Das hat das Bundesverfassungsgericht nicht gemeint.
Als nächstes Stichwort ist zu nennen: Ein Rauchverbot ist dort installiert worden. Ein Rauchverbot! Noch heute sagt die CDU: „An Schulen wollen wir kein flächendeckendes Rauchverbot“, aber für den Vollzug soll es dann plötzlich ins Gesetz hineingeschrieben werden. Also ein reines Absurdistan.
Rauchen gehört, wenn es schon verboten wird, dort verboten, wo die Leute süchtig werden und nicht dort, wo schon 100 % derjenigen, die inhaftiert sind, hochgradig nikotinabhängig sind.
Zum Schluss – in fünf Minuten dieses Gesetz durchzuhecheln, ist nicht einfach – zitiere ich § 22 Abs. 2 wortwörtlich, um es sich auf der Zunge zergehen zu lassen:
zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedenslie be, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und po litischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesin nung zu erziehen.
Sie sind gerichtet an einen Personenkreis, Herr Zimmermann, von dem ich schon froh wäre, wenn er nach dem Vollzug keine Straftaten mehr begehen würde.
Meine Güte, was soll denn aus diesen Leuten nach Ihrer Ideo logie noch werden? Eine Vorschrift, die wir nicht einmal im Kindergartengesetz haben, nehmen wir zum Maßstab, um ehemalige Straftäter zu erziehen.
Wer so etwas für möglich hält, der glaubt auch, dass man aus einem Marinerichter einen Widerstandskämpfer machen kann.
Aber dazu ist dieses Jugendstrafvollzugsgesetz beim besten Willen nicht geeignet gewesen und wird es auch nicht sein.
(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Konsequente Haftverbüßung in der Heimat! – Gegen- ruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Die Türkei in die EU, dann machen wir das!)