Allerdings, die Hausaufgaben in Berlin – das muss man anmerken – wie Bürokratieabbau, Steuerentlastung, Gesundheitsreform, Reformen beim Arbeitsmarkt und bei der Sozialgesetzgebung und vieles mehr sind bisher unerledigt geblieben oder halbherzig angepackt worden. Gelegentlich erinnert mich das ein bisschen an meine Schulzeit: Immer wenn ich meine Hausaufgaben nicht machen wollte, bin ich auf die Gass’ gegangen. Das heißt auf gut Deutsch, wir haben hier natürlich noch dringend Aufgaben zu erledigen.
Viel wichtiger für die Landwirtschaft ist nicht die Frage, was die Kanzlerin und Ratspräsidentin nicht gemacht hat, sondern ist vielmehr die Frage, welche Rolle der Vorsitzende des Rates im Agrarbereich – ich meine hier den Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer – spielte, was er zuwege gebracht hat.
Als ehemaliger bayerischer Landwirtschaftsbeamter – das darf ich Ihnen auch sagen – habe ich große Hoffnung bei diesem CSU-Politiker gehabt. Ich wurde bisher eher enttäuscht.
Seine Aufgabe wäre es gewesen und ist es z. B., Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Europäischen Union abzubauen. Unsere heimische Landwirtschaft hat solche Wettbewerbsverzerrungen durch das Fehlen EU-weiter Angleichungen z. B. im Steuerbereich hinzunehmen. Die Besteuerung landwirtschaftlicher Produktionsmittel zehrt insgesamt fast 8 % des ohnehin niedrigen Gewinns in der Landwirtschaft auf; in Großbritannien sind es gerade einmal 1,8 %, in Frankreich 2,7 %, in Italien 2,8 %.
Solche Wettbewerbsverzerrungen in der Landwirtschaft und im Gartenbau gilt es zu verringern. Seit 2005 unterliegen die heimischen Betriebe in Deutschland z. B. beim Agrardiesel einer durchschnittlichen Steuerbelastung von 40 Cent je Liter. In der gleichen Zeit wurde in Österreich der Steuersatz für Agrardiesel von 30,2 auf 9,8 Cent je Liter oder in Frankreich im Jahr 2005 vorübergehend sogar auf 0,7 Cent verringert. Hier fehlen die Waffen- und die Wettbewerbsgleichheit. Da gilt es vor allem im europäischen Raum Änderungen herbeizuführen.
Auch werden Landwirtschaft und Gartenbau in Deutschland nach Erkenntnissen des Instituts für Wirtschaftsforschung in München durch die Ökosteuer jährlich mit 562 Millionen € belastet. Das sind Mehrbelastungen für unsere Bauern, die im Wettbewerb dadurch benachteiligt werden.
Sehr geehrter Herr Minister Hauk, fragen Sie doch einmal Ihren derzeitigen Amtskollegen in Berlin, was er in diesem halben Jahr in Brüssel konkret erreicht hat. Es wäre interessant, vom Bundeslandwirtschaftsminister zu erfahren, wie er zu den Plänen der Agrarkommissarin steht, von 2009 an zugunsten ländlicher Entwicklung Beihilfen in Milliardenhöhe zu kürzen, und zwar gegen die geltende Beschlusslage, die bis 2013 reicht.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die muss man zu- lassen, ja! – Abg. Thomas Blenke CDU: Ist es die letzte?)
Herr Kollege Bullinger, wie groß sind nach Ihrer Auffassung die Chancen, dass in der der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verbleibenden Zeit von etwa fünf Wochen all die Probleme, die Sie gerade angesprochen haben, noch gelöst werden können?
Sie sind zwar nur kurz in der aktiven Landespolitik, aber auch Sie wissen, dass die Möglichkeiten, in der verbleibenden Zeit noch viel zu bewegen, sehr begrenzt sind. Dennoch kann man in diesem Zeitraum noch einmal klar Position beziehen, denn es gibt auch danach noch eine EU-Ratspräsidentschaft.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Die müssen ja auch noch etwas zu schaffen haben!)
Meine Damen und Herren, zum Abschluss des dreitägigen EU-Agrarrats in Mainz habe ich vom Bundeslandwirtschaftsminister zu dieser Absicht einer vorgezogenen Kürzung nicht
allzu viel gehört, außer dass er sich dagegen wehren würde. Die Landwirte, meine Damen und Herren, brauchen Verlässlichkeit. Daher dürfen die zugesagten Direktzahlungen für die Landwirte vor 2013 nicht gekürzt werden.
Die FDP/DVP-Landtagsfraktion und die FDP-Bundestagsfraktion lehnen eine vorzeitige Kürzung der Direktzahlungen an die Landwirte vor 2013 strikt ab. Wir fordern Sie, Herr Minister Hauk, auf, Ihrem Kollegen Seehofer dabei den Rücken zu stärken.
Landwirtschaftliche Unternehmen brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit und nicht ein Hü und Hott. Dass nach 2013 allerdings die marktwirtschaftliche und nachhaltige Um orientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik konsequent fortgeführt werden muss, dazu stehen wir ebenfalls.
Herr Minister Hauk, wie beurteilen Sie diese neue Strategie? Welche Auswirkungen wird dies, wenn es denn früher käme, für unsere Landwirtschaft im Land haben,
Zum Thema „Abbau der Bürokratie“ will Kommissarin Fischer Boel 2008 den Mitgliedsstaaten Vorschläge unterbreiten, wie Agrarpolitik unbürokratisch und effizienter betrieben werden kann – spät genug! Ich hätte mir gewünscht,
dass dies unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bereits durch Seehofer von der Agrarkommissarin eingefordert worden wäre.
Die Politik muss Unternehmer auch unternehmen lassen und darf sie nicht behindern. Sie sollte Landwirte nicht noch stärker zu „Schreibwirten“ degradieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz der bisher sehr verhaltenen Erfolge während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands sehe ich für unsere Landwirte in Baden-Würt temberg durchaus eine gute Zukunft – begleiten wir sie vom Land her dabei positiv; ich bin mir sicher, Herr Minister, dass wir dies tun –, nämlich steigende Agrarpreise weltweit, potente Verbraucher im Land, Spitzenprodukte, Klasse statt Masse in Baden-Württemberg, eine stabile und sogar anziehende Konjunktur – das ist nicht nur für den Fiskus erfreulich, sondern das gilt auch für die Landwirtschaft: „Blüht die Indus
trie, nährt sie Mensch und Vieh“ –, einen attraktiven ländlichen Raum, in dem zukünftig mehr denn je die Dienstleistung für die Kulturlandschaft bezahlt werden muss, und auch zusätzliche Einkommensalternativen z. B. durch die Erzeugung regenerativer Energien.
Der Landwirtschaft wird es darüber hinaus langfristig besser gehen, wenn wir Planungssicherheit und klare Aussagen darüber bekommen, wo es langgeht. Das gilt z. B. auch für Aussagen zur Abschaffung der Milchquote. Hier ist noch einmal klar der Bund gefordert, Stellung zu beziehen.
Das gilt auch für die Abschaffung der Stilllegungsregelung. Ich habe es nie verstanden, meine Damen und Herren, dass man Flächen stilllegt und nicht die Chance nutzt, die Sonnen energie – die Energie des Herrgotts – zu binden,
anstatt sie brachliegen zu lassen und beispielsweise mit einer Fräse mit hohem Dieselverbrauch einfach drüberzufahren. Da ist man Gott sei Dank ein Stück weitergekommen.
Ich nenne weiter unter anderem die Vereinfachung der CrossCompliance-Regeln und vor allem auch – das ist wichtig – die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht im Verhältnis von maximal 1 : 1, so wie wir dies im Koalitionsvertrag gemeinsam vereinbart haben. Natürlich muss es mehr als je zuvor gelten, auf europäische Vorgaben nicht noch draufzusatteln oder in vorauseilendem Gehorsam Vorschriften wettbewerbsverzerrend zu erweitern, wie das bedauerlicherweise – das muss ich auch sagen – bei der Umsetzung der Tiertransportverordnung der Fall war. Gott sei Dank hat man jetzt hierfür eine gute Lösung gefunden.
Meine Damen und Herren, unsere Landwirte können im europäischen Wettbewerb dann mithalten, wenn sie nicht durch Wettbewerbsverzerrungen an der Entfaltung ihrer Leistungskraft gehindert werden; denn sie sind gute Unternehmer, und sie sind gut ausgebildet.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Lieber Herr Kollege Bullinger, Ihre Anregungen wären vielleicht ein Jahr früher besser gewesen. Dann hätte man sich auf die EU-Ratspräsidentschaft besser vorbereiten können.
(Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Damals durfte ich das noch nicht ansprechen!)
Insoweit wundere ich mich doch etwas, lieber Kollege Bullinger, dass jemand wenige Wochen vor dem Ende der EU-Ratspräsidentschaft mit so einem Programm auftritt.