Protocol of the Session on May 23, 2007

Herr Kollege Dr. Murschel, ich bin vereidigt auf das Wohl der 10,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger von BadenWürttemberg. Dazu zählen auch die Landwirte sowie auch unsere gesamte Landschaft und die Erhaltung und Weiterentwicklung dieser Landschaft für unsere Bürgerinnen und Bürger. Deren Interessen habe ich zu vertreten. Dann habe ich natürlich auch abzuwägen: Hat das Chancen? Nur, wer nicht beginnt zu denken und beginnt, für eine einmal als gut empfundene und übrigens so bestätigte Ansicht – das wird ja auch von Grünen-Kreisen bestätigt – auch zu kämpfen, der hat von vornherein schon verloren.

Ich weiß nicht, mit welchen Erfolgschancen das behaftet ist, aber ich sage Ihnen: Ich werbe dafür, weil ich überzeugt da

von bin, dass das ein für die Baden-Württemberger und auch für die baden-württembergischen Landwirte gangbarer Weg ist. Es geht dabei nicht um die Frage der Kappung, sondern es geht höchstens um eine prozentuale Abschöpfung von – was weiß ich? – 1, 2, 5 oder 8 % dieser Beträge, die ich vorhin genannt habe –

(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Ja, ja!)

nicht mehr –, bei den Großbetrieben. Das ist ganz logisch, denn die Fixkosten steigen nicht im gleichen Maße wie die laufenden Kosten.

Meine Damen und Herren, ich will noch ein Letztes ansprechen: die Ratspräsidentschaft. Darauf blicke ich mit einer gewissen Wehmut. Da muss ich etwas Wasser in den Wein schütten, was die Frage des Erfolgs angeht. Das betrifft die Strukturpolitik. Das ist jetzt kein originäres Feld des Bundeslandwirtschaftsministers, sondern eher ein Feld des Raumordnungsministers, der in Deutschland derzeit Tiefensee heißt. Wir hätten uns natürlich schon gewünscht, dass sich die strukturpolitischen Ansätze im Rahmen dieser europäischen Ratspräsidentschaft verstärkt an dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland orientieren, denn da steht immer noch drin, dass man versucht, in allen Teilen unseres Landes gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Ich glaube, es gibt kein anderes Land in Deutschland, das dies in der Vergangenheit so erfolgreich versucht hat

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl!)

und dem es auch erfolgreich geglückt ist, dass wir sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Räumen eine dynamische wirtschaftliche und auch eine dynamische bevölkerungspolitische Entwicklung genommen haben. Das war eine Entwicklung, die in anderen Ländern Deutschlands, aber letztendlich auch in Europa ihresgleichen sucht.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist relativ!)

Das ist alles relativ. Aber, Herr Kollege Winkler, wenn Sie unsere „Nachzügler“, also unsere eher strukturschwächeren Landkreise und Regionen sehen und diese in einen bundesweiten oder gar europaweiten Vergleich stellen, dann sind wir allemal immer in der vorderen Hälfte oder mit unseren letzten Plätzen mindestens noch im Mittelfeld dabei.

Es ist, glaube ich, ein Ansatz, der Baden-Württemberg Erfolg gebracht hat, dass wir eben auch in den ländlichen Regionen wirtschaftsstark waren und dass dort Bevölkerungswachstum stattgefunden hat. Diesen Ansatz hat leider Gottes die Bundesregierung im letzten halben Jahr nicht weitergeführt. Ganz im Gegenteil: Herr Bundesminister Tiefensee ging ganz klar auf die bereits stattfindenden Diskussionen zum Thema Metropolregionen, zum Thema „Stärkung, auch wirtschaftspolitische Stärkung ausschließlich der Großstädte“ ein.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er hat bloß Leipzig im Kopf!)

Er ist voll auf diesen Zug aufgesprungen, und das, meine Damen und Herren, ist natürlich keine Entwicklung, die BadenWürttemberg nützt.

(Zustimmung des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Da hätte ich mir vom Bundesraumordnungsminister mehr Standhaftigkeit und mehr Orientierung am Grundgesetz gewünscht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Winkler?

Bitte schön.

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Herr Minister, akzeptieren Sie, dass die alte Bundesregierung das Thema „Ländlicher Raum“ zu einem Schwerpunktthema gemacht und die neue Bundesregierung das übernommen hat?

Akzeptieren Sie zweitens, dass die EU ländliche Räume EUweit zu einem Schwerpunktthema in der Agrarpolitik gemacht hat, z. B. mit der zweiten Säule?

Herr Kollege Winkler, das Erste akzeptiere ich nicht.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Das war ja klar! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das überrascht uns nicht!)

Denn die wesentlichen Teile – nicht nur personell, sondern auch inhaltlich – der alten Bundesregierung sind gerade in dieser Frage, wenn es um die Strukturpolitik und die strukturpolitische Ausrichtung des Landes geht, noch in Amt und Würden bzw. dort ist zumindest noch die Partei die gleiche geblieben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die gleiche Denke!)

Das Denken ist gleich geblieben. – Da erleben wir derzeit einen Paradigmenwechsel. Wenn Sie die Raumordnungsdiskussion auf Bundesebene mitverfolgen, sehen Sie, dass wir dort derzeit einen Paradigmenwechsel erleben, der ausschließlich zulasten der ländlichen Räume geht. Das ist das eine.

Das Zweite: Sie haben teilweise recht, was die Agrarpolitik angeht. Da gebe ich Ihnen recht. Da gibt es die Ausrichtung auf die ländlichen Räume. Was die Regionalpolitik der Europäischen Union angeht, sieht es allerdings ganz anders aus. Dort geht es in der Tat ganz stark und wieder verstärkt in die Zentralregionen, in die großstädtischen Ballungsräume hinein; dort werden unter dem Stichwort „Stärken stärken“ ausschließlich die Kerne gestärkt. Und wenn wir dann anmarschiert kommen und darstellen, wie bei uns die Kerne aussehen, dass bei uns Weltmarktführer, Unternehmen mit Weltmarktführerschaft, in den ländlichen Räumen angesiedelt sind – sicherlich keine 50 000- und 100 000-Mann-Unternehmen oder 100 000-Frau-Unternehmen, aber solche, die auf dem

Weltmarkt ihren Nischenplatz gefunden haben –, dann ernten wir häufig ungläubiges Kopfschütteln.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Biberach! Schwäbisch Hall! Aalen!)

Das ist eine Problematik dieses Modells Baden-Württemberg, das den Disparitätenausgleich zwischen schwachen und star ken Strukturen, zwischen Land und Stadt in den letzten Jahren erfolgreich gemeistert hat, und zwar so, dass keiner von beiden – weder die städtischen Räume noch die ländlichen Räume – zu kurz kam. Dass ein solches Modellland überhaupt existiert, ist manchem in der Europäischen Union schlichtweg noch nicht – ich sage: noch nicht – beizubringen. Deshalb betrübt es mich außerordentlich, dass auch der Bundesraumordnungsminister im Prinzip mit seiner Politik in dieselbe Kerbe gehauen hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass der Antrag als Berichtsantrag für erledigt erklärt werden kann? –

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja!)

Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Umweltministeriums – Luftreinhaltepläne in BadenWürttemberg und bisherige Umsetzungen von Maßnahmen – Drucksache 14/785

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Umweltministeriums – Feinstaubbelastung in BadenWürttemberg – Emittenten und Maßnahmen – Drucksache 14/834

c) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme

des Umweltministeriums – Auswirkungen von Luftreinhalteplänen in der Region Stuttgart – Drucksache 14/1083 (geänderte Fassung)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung der Anträge unter den Buchstaben a und b fünf Minuten, für die Begründung des Antrags unter Buchstabe c fünf Minuten und für die Aussprache über die drei Anträge fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Grünstein für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Die Luftqualität in Baden-Württemberg hat sich in den vergangenen Jahren verbessert“, so der Regierungspräsident von Karlsruhe. Stimmt das denn? Ist es nicht vielmehr so, dass die Werte der betrachteten Schadstoffe – wie das Umweltministerium zu Abschnitt I Ziffer 1 unseres Antrags Drucksache 14/785 berichtet – kontinuierlich steigen, auch

wenn sie scheinbar immer noch innerhalb der Bandbreite der Werte der letzten Jahre liegen?

Die in den letzten Jahren durchgeführten Emissionsmessungen an hoch belasteten Straßenabschnitten, z. B. im Regierungsbezirk Karlsruhe, haben deutlich gezeigt, dass in fünf Städten die ab dem Jahr 2010 geltenden, verschärften Emissionsgrenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid nur dann eingehalten werden können, wenn zusätzliche Maßnahmen zur Luftreinhaltung ergriffen werden.

Spotmessungen haben zudem erwiesen, dass im Jahr 2005 in Mannheim der seit Januar 2005 einzuhaltende Tagesmittelwert für PM10 an mehr als den zulässigen 35 Tagen pro Jahr überschritten worden ist.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Skandal!)

Obwohl Herr Dr. Kühner recht hat und die Luft insgesamt wirklich besser geworden ist, ist die Belastung an Stickoxiden und partikelförmigen Luftschadstoffen nach wie vor extrem hoch. Ein wesentlicher Verursacher der Luftbelastung ist dabei der Straßenverkehr, auch wenn der Schadstoffausstoß von Pkws und Lkws in der Vergangenheit deutlich verringert wurde. So liegen insbesondere an schlecht durchlüfteten Straßenzügen mit hohem Verkehrsaufkommen die Werte für Stickstoffoxide und PM10, wie erwähnt, in einem gesundheitsgefährdenden Bereich.