Protocol of the Session on April 26, 2007

Ich habe wenig zur organisierten Kriminalität gehört, obwohl sie eine Herausforderung darstellt, und zwar insbesondere deshalb, weil bei einer strengen Behandlung ein riesengroßer Personalkörper gebunden ist. Auch das, was im Bereich der Telefonüberwachung notwendig ist, um die gesetzlichen Maßnahmen durchzuführen, sind Herausforderungen, bei denen wir sagen: Das Bemühen um die Sicherheit zeigt sich zunächst in der Schaffung der notwendigen Personalkapazitäten und in der Ausstattung mit Sachmitteln. Wir sollten uns heute einig sein, dass Sicherheitspolitik nicht nach Kassenlage betrieben werden darf, sondern sich an den Bedürfnissen der Gemeinschaft nach Aufrechterhaltung eines Staatswesens ausrichten muss, in dem Gesetz und Recht gelten.

Dazu ist einiges gesagt worden, was wir uneingeschränkt mittragen. Die Novelle des Polizeigesetzes wird gemeinsam sorgfältig besprochen werden müssen, und zwar im Hinblick auf die Frage, in welchem Umfang darin notwendige Gesetzesvorbehalte gegenüber dem Datenschutz gemacht werden und wo andererseits Freiheitsrechte nicht berücksichtigt werden, die den Wert und die Wertschätzung unserer Demokratie ausmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim- mermann CDU: Sehr konkret!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Blenke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich in der zweiten Runde noch ein paar Anmerkungen im Ausblick auf das machen, was noch auf uns zukommt und was wir noch zu erledigen haben.

Herr Kollege Junginger, der beste Beleg dafür, dass wir Sicherheitspolitik gerade nicht nach Kassenlage machen, ist die letzte Haushaltsberatung.

(Abg. Hans Georg Junginger SPD: Effizienzrendite! – Abg. Reinhold Gall SPD: Der Herr Innenminister hat selbst zugegeben, dass sie nach Kassenlage ge- macht wird!)

Der Herr Innenminister musste in seinem Ressort einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen und hat die Polizei davon ausgenommen. Das ist ein Beleg dafür, dass wir Sicherheitspolitik gerade nicht nach Kassenlage machen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Sckerl, die Einstellungszahlen bei der Polizei werden ab dem nächsten Jahr wieder steigen. Sie wissen auch, dass die Maßnahme, die Sie angesprochen haben, im Rahmen der Verlängerung der Wochenarbeitszeit erfolgt ist. Die Einstellungszahlen werden ab dem nächsten Jahr wieder steigen.

Herr Kollege Kluck, was die verstärkte Einstellung von Kommissaranwärtern angeht mit dem Ziel, die Nachwuchsprobleme bei der Kriminalpolizei zu verringern, sage ich Ihnen ausdrücklich Offenheit zu. Wir sind bereit, da mitzumachen.

Wir werden uns im Bereich des Landesrechts demnächst mit einer Änderung des Polizeigesetzes zu befassen haben. Wir werden – Herr Minister, ich sage Ihnen seitens unserer Fraktion Offenheit für eine Diskussion zu – moderne Ermächtigungsgrundlagen in das Polizeigesetz aufnehmen, die die Polizei für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben braucht.

Ich bin Bundesinnenminister Dr. Schäuble dankbar, dass er konkrete Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Sicherheitsgesetze in den Raum gestellt hat. Ich bitte darum, diese nicht gleich „totzumachen“, sondern offen und vor allem ergebnisoffen darüber zu debattieren.

(Zurufe der Abg. Claus Schmiedel und Rainer Sti- ckelberger SPD)

Dazu sage ich gleich noch etwas. Ich komme noch dazu. Abwarten.

Stichwort Onlinedurchsuchung: Man muss einmal offen darüber reden. Dabei geht es darum, Beweismittel zu sichern, die sonst durch einen einfachen Mausklick für immer verschwinden könnten. Man muss offen darüber reden, ob man ein solches Instrument nicht doch braucht. Wir wissen: Zu seinem Einsatz brauchen wir vermutlich eine Grundgesetzänderung. Interessanterweise haben wir jüngst erfahren, dass der frühere Bundesinnenminister die angesprochene Durchsuchung schon vor zwei oder drei Jahren per Dienstanweisung gegenüber dem Verfassungsschutz angeordnet hat, ohne dass eine Grundgesetzänderung erfolgt wäre.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Mich würde einmal interessieren, ob seine damalige Staatssekretärin davon gewusst hat und ob sie diese Maßnahme gebilligt hat.

(Zuruf von der CDU: Wer war das? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Welcher Partei gehörte dieser Bundesinnenminister an? – Weitere Zurufe)

Das war, glaube ich, Herr Otto Schily von der SPD.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: SPD! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Und die frühere Staatssekre- tärin?)

Das war, glaube ich, Frau Vogt – auch von der SPD.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ach so!)

Aber sie hat mittlerweile den Arbeitsplatz gewechselt.

(Zurufe von der CDU)

Zum Thema Mautdaten will ich nur eines sagen: Ich glaube, da sind wir uns weitgehend einig. Wenn man sagt, man dürfe vorliegende Mautdaten nicht zur Aufklärung schwerer Verbrechen benutzen, dann muss man diesen Standpunkt bitte erklären. Es kann doch nicht sein, meine Damen und Herren, dass Toll Collect weiß, wer der Mörder war, es der Polizei aber nicht sagen darf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Gleiche gilt bei Passdaten. Mit Verlaub, Kollege Kluck: Da geht es nicht um massenhaftes Eingreifen in die Rechte unbescholtener Bürger. Darum geht es nicht. Es ist ja nett, wenn Sie uns aus dem Grundgesetz vorlesen. Aber bei allen Regelungen des Grundgesetzes und bei allen Einschränkungsermächtigungen für die Polizei geht es doch darum, dass die Polizei in die Lage versetzt werden muss, gerade diejenigen, die die Grundrechte der unbescholtenen Bürger eben nicht achten, zu fassen, damit die Grundrechte der unbescholtenen Bürger gesichert bleiben. So herum wird ein Schuh daraus. Ich bitte Sie, darüber noch einmal nachzudenken.

Meine Damen und Herren, bei dem, was der Bundesinnenminister zur Diskussion gestellt hat, geht es im Prinzip um eine logische Weiterentwicklung der Otto-Schily-Terrorabwehrgesetze, der „Otto-Kataloge“ 1 und 2. Wir alle haben darüber heftig diskutiert. Wir haben es eben schon gesagt: Die damalige Staatssekretärin, Frau Ute Vogt, heute bei uns im Hause,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wo?)

hat diese Regelungen ja wohl mitgetragen. Auf der SPDHomepage wurde am 3. April folgende Aussage der stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Ute Vogt veröffentlicht:

Wolfgang Schäuble provoziert erneut mit Gedankenspielen abseits der Grundrechte der Menschen in Deutschland.

Das finde ich schon bemerkenswert im Hinblick darauf, was sie in ihrer früheren beruflichen Tätigkeit – zu Recht – alles mitbeschlossen hat.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Das ist ein Wandel, der mir nicht ganz nachvollziehbar erscheint.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Meine Damen und Herren, unsere Bitte lautet: Lassen Sie uns doch Vertrauen in den Rechtsstaat setzen, Vertrauen in die Polizei im Rechtsstaat. Die Bürger erwarten, dass unsere Polizei ihre Rechte nicht gegen sie einsetzt – gegen untadelige Bürger –, aber sie erwarten auch zu Recht, dass die Polizei ihre Ermächtigungsgrundlagen dafür einsetzt, die Bürger in ihrer körperlichen Unversehrtheit und Freiheit zu schützen. Wir müssen da einfach auch Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden und in die Kontrollmechanismen haben, die der Rechtsstaat bietet. Diese sind vorhanden und werden genutzt. Dann ist für die Sicherheit der Bevölkerung ein guter Schritt nach vorne getan.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Schwerpunkt der zweiten Runde sind die vor uns liegenden Aufgaben, die Sicherheitslage und die terroristische Bedrohung. Herr Innenminister, Sie haben gesagt, da stehe im Juni in Heiligendamm etwas bevor: linke Gewalttäter und der G-8-Gipfel. Ich würde darum bitten, das differenziert zu betrachten. Nehmen Sie doch einfach zur Kenntnis, dass am 8. Juni ungefähr 100 000 oder 150 000 friedliche Globalisierungsgegnerinnen und Globalisierungsgegner in Heiligendamm sein und ihre Auffassung von Politik in Europa und in der Welt kundtun werden

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

und dass es in diesem Zusammenhang immer auch ein Gefährdungspotenzial gibt, das aber nicht 100 000 Menschen umfasst. Seien Sie also bitte darauf bedacht, nicht eine wichtige, kritische, jugendliche Protestbewegung in diesem Land und in Europa zu diffamieren. Das fände ich für die Diskussion, die wir in Zukunft mit Ihnen führen müssen, nicht gut.

(Beifall bei den Grünen)

Zum Thema „Terroristische Herausforderung und innere Sicherheit“: Ihre Botschaft, Herr Kollege Blenke, höre ich wohl, allein mir fehlt der rechte Glaube angesichts dessen, was wir in diesen Tagen und Wochen sehen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Unbestritten ist, dass eine diffuse Gefährdungslage besteht. Ich sage bewusst und vielleicht etwas überspitzt dazu: Wir haben auch einen Markt für Nachrichten über Gefährdungslagen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: In der Tat!)

Ich stelle in diesem Land immer eine erstaunliche Parallelität von innenpolitischen Diskussionen und neuen Meldungen zu Gefährdungssituationen und Sicherheitslagen wenige Tage später fest und stelle mir oft die Frage: Hat das eigentlich einen inneren Zusammenhang, und besteht manchmal auch die Absicht, die Stimmungen und Emotionen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang anzuheizen?

Seit 2001 ist vieles geschehen. Der entsprechende Prozess war schwierig. Wir wissen das, weil wir in der Bundesregierung daran beteiligt waren. Es war ganz schwierig, die Balance zwischen mehr Sicherheit, wirksamen Instrumenten gegen eine neue Gefährdung und dem gleichzeitigen Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte zu organisieren. Dies war jeden Tag ein mühseliges Unterfangen, zumal der Innenminister damals Otto Schily geheißen hat, von dem ich persönlich schwer enttäuscht bin, da ich heute lesen muss, dass er quasi per Dienstanweisung – ohne den Weg über das Parlament zu suchen – die Onlinedurchsuchung veranlasst hat.