Protocol of the Session on April 26, 2007

Das Innenministerium hat alle Polizeidienststellen informiert. Das Kultusministerium hat zu keinem Zeitpunkt zu irgendeiner Polizeidienststelle im Land Kontakt gehabt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das wäre ja noch schö- ner!)

Sie haben vorhin solche Dinge im Raum stehen lassen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist doch gar nicht wahr! Behaupten Sie doch nichts, was ich nicht ge- sagt habe!)

Die Zuständigkeiten waren und sind klar geregelt. Es hat zu jedem Zeitpunkt eine enge Absprache und Abstimmung mit dem Innenministerium gegeben. Wenn andere, die daran nicht beteiligt waren, aus welchen Gründen auch immer anderslautende Informationen verbreiten, so sind diese schlicht unzutreffend. Wenn Sie, Herr Gall, immer noch meinen, diese Informationen weitergeben zu müssen,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Welche denn?)

dann tragen Sie nicht dazu bei, dass der Sachverhalt dieses Tages und die sich daraus ergebenden Folgerungen korrekt geschildert werden.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Sie haben unterstellt, dass das Kultusministerium eigenmächtig tätig geworden sei und das Innenministerium nicht gehandelt habe. Das ist sachlich völlig unzutreffend. Es ist falsch. Nehmen Sie dies jetzt bitte endlich zur Kenntnis.

Krisen- und Notfallsituationen stellen Schulleitungen, Lehrkräfte, Schülerschaft und Eltern vor besondere Anforderungen und Belastungen. Die Ereignisse im Zusammenhang mit dem angedrohten Amoklauf haben gezeigt, wie wichtig es ist, über ein gezieltes schulisches Krisenmanagement auf der Basis eines schulspezifischen Krisenplans zu verfügen.

Wir hatten den Schulen zu Beginn dieses Schuljahrs Verhaltensregeln und einen Rahmenkrisenplan des Landeskriminalamts übersandt, in dem dargestellt ist, welche vorbereitenden Maßnahmen zur Bewältigung von Gewaltvorfällen zu treffen sind.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die Schulen haben zwischenzeitlich – das haben Befragungen der Regierungspräsidien ergeben – die Krisenpläne erarbeitet, auf die wir sie verpflichtet haben. Durch die Erstellung eigener Krisenpläne sollen Schulleitungen und Lehrkräfte vorbereitet sein, bei Gewaltvorfällen die Situation richtig einzuschätzen und diese unter Einbeziehung von Polizei und anderen zu bewältigen. Die Information der Eltern ist uns dabei wichtig.

Zur Vorbereitung gehört auch die Einrichtung eines Krisen teams an der Schule, um Verantwortlichkeiten zu benennen

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

und eine klare Abstimmung mit Kommune und Polizei über die Sicherheit der Kinder auf dem Schulgelände zu gewährleisten. Aus der vielfach bereits vorhandenen engen Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei ergeben sich Reaktionsstrategien für unterschiedliche Gefahrenlagen.

Ich denke, dass die Aufarbeitung der Ereignisse am 5. und 6. Dezember 2006 und die vielen Rückmeldungen, die wir in der Folgezeit von den Schulen erhalten haben, gezeigt haben, dass sich die Schulen in ganz großer Zahl sehr besonnen verhalten haben. Gerade diejenigen, die unsere Verwaltungsverordnung vom letzten Sommer bereits umgesetzt hatten, wussten, worüber sie sprechen. Sie wussten, wo die Ansprechpartner sind, die ihnen helfen können, und wussten, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Die Schulen, die einen solchen Plan noch nicht hatten, haben deshalb die Ereignisse am 5. und 6. Dezember zum Anlass genommen, um die Pläne zügig zu erstellen. Inzwischen ist die Verwaltungsverordnung „Verhalten an Schulen bei Gewaltvorfällen und Schadensereignissen“ vollständig im ganzen Land umgesetzt.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Es sind eigene Krisenpläne erstellt und mit der zuständigen Polizeidienststelle abgestimmt worden.

Ich denke, über eines sind wir uns einig: Amokläufe und von hoher Irrationalität und Selbstschädigungsbereitschaft getragene Taten lassen sich nicht grundsätzlich ausschließen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Wir können lediglich Tatmuster analysieren und uns auf Abwehrstrategien konzentrieren. Wir haben deshalb auch Lehren aus den Ereignissen am 5. und 6. Dezember gezogen. Beispielsweise haben wir uns die Frage gestellt: Wie können wir Informationen noch verlässlich weitergeben, wenn eine EMail-Nachricht nicht mehr alle Adressaten erreichen kann? Wir werden in Zukunft bei einem vergleichbaren Fall, der hoffentlich nicht mehr eintritt, die Schulleiter zusätzlich über Handy darüber informieren, dass für sie eine wichtige Nachricht auf dem Rechner vorliegt.

Uns war empfohlen worden, solche Informationen über Telefonketten weiterzugeben. Dieser Vorschlag ist völlig abwegig. Das wäre wie das Spiel „Stille Post“ – wenn Sie Telefonketten organisieren, wissen Sie nie, was am Ende ankommt –, und dies in einem so heiklen Bereich. Das ist völlig undenkbar. Aber der Hinweis auf eine wichtige Nachricht kann auch auf anderem Weg weitergegeben werden. Wir werden das tun.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Polizeidienststel- len!)

Wir werden die Daten der Krisenpläne der Schulen in die Notfalldateien der Polizei übernehmen. Wir haben vorsorglich Hotlines bei den Regierungspräsidien vorgesehen. Bei vergleichbaren Fällen wird das Kultusministerium im Lagezentrum der Polizei durch einen Mitarbeiter vertreten sein, um eine möglichst enge Abstimmung der Informationsabläufe zu gewährleisten. Wir haben schließlich auch alle Lehrkräfte verpflichtet – nicht nur diejenigen, die den Krisenteams angehören –, sich rechtzeitig mit den dargelegten Verhaltensregeln vertraut zu machen.

Wir haben reagiert, indem wir zusätzlich 50 Schulpsychologen für die Schulen bereitgestellt haben. Aber, liebe Frau Rastätter, wir haben dazu keine Stellen aus dem Unterrichtsbereich entnommen. Das ist offensichtlich eine Fehlinformation.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Wir haben Mittel bereitgestellt, um zusätzliche Stellen für Schulpsychologen zu schaffen. Wir haben keine Stellen aus dem Unterrichtsbereich entnommen. Ich sage es Ihnen.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Wir haben Mittel entnommen, aber keine Stellen.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir außer den 104 Schulpsychologen 1 600 Beratungslehrer an den Schulen ausgebildet haben und mit zusätzlichen Stunden im Einsatz haben, die genauso bei präventiven und konkreten Betreuungsmaßnah men eingesetzt werden können.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Da hat die SPD heute Morgen etwas anderes behauptet!)

Das gehört zu ihren Aufgaben.

Meine Damen und Herren, kurz bevor wir unsere Schulen und unsere Schülerinnen und Schüler in großer Gefahr sahen, hat es in Emsdetten in Nordrhein-Westfalen einen Anschlag gegeben. Dort hat der Schüler, der sich letztlich umgebracht hat, einen Abschiedsbrief hinterlassen. Dieser Abschiedsbrief ist ein tieftrauriges Dokument über die Entwicklung eines Jugendlichen, der keine Chance gesehen hat, sich in eine Gemeinschaft einzufinden und entsprechend angenommen zu werden, und der dann irgendwann anfing, für sich eine Pa rallelwelt aufzubauen, in der er jegliches für unsere Gemeinschaft geltende Regelwerk für sich aufkündigte und am Ende zu einer Verzweiflungstat kam.

Ich kann nur sagen: Wir müssen in den Schulen alles dafür tun, um junge Menschen gemeinschaftsfähig zu machen, ihnen aber auch, wenn sie nicht in gängige Verhaltensmuster passen, einen Weg in die Gemeinschaft zu eröffnen und sie auf ihrem Weg in die Gemeinschaft zu unterstützen.

Wenn Sie in einem solchen Fall wie dem in Emsdetten die Schuldfrage stellen, dann stoßen Sie immer auf vielschichtige Erklärungsmuster und auf einen vielschichtigen Handlungsbedarf. Deswegen ist es richtig, Frau Kollegin Rastätter, dass Sie das Thema Gewaltprävention in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt haben. Der Grundstein für die spätere Konfliktfähigkeit und den zivilen Umgang miteinander wird bereits sehr früh gelegt. Dies stellt besondere Anforderungen an die Qualität der Erziehung und an das Verantwortungsbewusstsein der Erziehenden.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Es war sehr eindringlich, was Sie, Frau Kollegin Vossschulte, dazu gesagt haben, insbesondere zu der Frage: Welchen Medienkonsum lassen wir bei Jugendlichen zu? Ich stimme Ihren Ausführungen hundertprozentig zu. Ich möchte deutlich

sagen: Wenn wir weiter zuschauen, wie sich ein Teil der Jugendlichen in eine virtuelle Welt begibt und dadurch mit der wirklichen Welt nicht mehr genügend in Kontakt steht, dann begehen wir einen schweren Fehler.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ja was tun wir denn da, Herr Minister? Sa- gen Sie es mir einmal!)

Ja Herr Oelmayer, Sie sind jetzt auch wieder da!

(Heiterkeit – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ich bin hier real und nicht virtuell!)

Wir dürfen nicht einfach sagen, dass man irgendwelche Verbote nicht vornehmen könnte. Wenn wir davon überzeugt sind, dass Killerspiele in den Kinderzimmern, auf den Bildschirmen nichts zu suchen haben, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie von dort verschwinden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Dann können wir nicht einfach sagen: „Das ist alles so kompliziert geworden. Wir können da nichts machen.“ Wir werden weiterhin dafür werben, genügend Anhänger für unser Vorhaben zu bekommen.

Im Kindesalter erlebte oder miterlebte Gewalt oder emotionale Vernachlässigung, insbesondere im häuslichen Bereich, ist nach gesicherten kriminologischen Erkenntnissen verhaltensprägend für das spätere Leben.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Was in dieser Phase versäumt wird, kann in der schulischen Erziehung nur noch schwer kompensiert werden. Deswegen kommt dem Kindergarten und der vorschulischen Bildung eine besondere Bedeutung zu. Wir haben in die Orientierungspläne ein Bildungs- und Entwicklungsfeld „Gefühl und Mitgefühl“ aufgenommen, um Kinder in der erstmals erlebten Gemeinschaft Anerkennung und Wertschätzung spüren zu lassen – eine wichtige Voraussetzung. Wir werden in absehbarer Zeit aus der Koalition heraus Vorschläge auf den Tisch legen, wie wir den Kinder- und Jugendschutz weiter verbessern wollen,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Da bin ich sehr gespannt!)

um dafür zu sorgen, dass Vernachlässigung von Kindern erkannt wird und dagegen angegangen werden kann.