Protocol of the Session on April 26, 2007

Meine Damen und Herren, es darf einfach nicht sein, dass in einer derart schwierigen Sicherheitslage in unserem Land im Kultusministerium Entscheidungen getroffen werden, die aus polizeilicher Sicht ausschließlich im Innenministerium hätten getroffen werden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich fühlten sich da einige berufen, Ratschläge zu geben, die für die Praxis wenig taugten. Als Beispiel kann ich eine Veröffentlichung Ihres Kollegen Reichardt von der CDU anführen, der in einer Zeitung der Polizeigewerkschaft gar schreibt, in der CDU-Fraktion sei die Sicherheitslage beraten worden, und der auch den Eindruck vermittelt, über die weitere Vorgehensweise sei in der CDU-Fraktion entschieden worden. Sollte dies tatsächlich stimmen, dann, muss ich sagen, wäre dies ein Unding, um nicht zu sagen: ein Skandal. Ich glaube jedoch, dass sich Kollege Reichardt da ein bisschen wichtig genommen hat und einfach die Backen ein bisschen aufgeblasen hat. Wünschen würde ich es mir, dass es so gewesen wäre.

Meine Damen und Herren, es ist leider so: Wenn Sie einmal jemandem aus dem Ausland erklären müssen, was das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ bedeutet, dann sprechen Sie einfach über die Vorgänge am 5. und 6. Dezember 2006. Dann haben Sie das gut erklärt.

(Beifall bei der SPD)

Das Chaos, das da resultierend aus einer Warnung geherrscht hat, ohne dass den Verantwortlichen und den Eltern Verhaltensregeln mit auf den Weg gegeben wurden, war am darauffolgenden Tag, am 6. Dezember, offensichtlich: Schulen waren zuerst geschlossen, dann wieder geöffnet oder umgekehrt. Es gab Schüler, die trotz der Gefahr bei abgeschlossener Tür unterrichtet wurden. Es gab Kinder, die heimgeschickt wurden, ohne dass zuvor abgeklärt wurde, ob sie daheim überhaupt empfangen werden, und Schulen, die nur per E-Mail informiert worden sind, die sie vielleicht auch nicht sofort abrufen konnten und deswegen aus den Medien erfahren mussten, was der Kultusminister verlautbart hat. Es gab auch Kinder, die von Eltern aus dem Unterricht geholt wurden.

Zur Stabilisierung der Lage, meine Damen und Herren, hat dies damals bei Gott nicht beigetragen. Verursacher dieses – so muss man sagen – Chaos war der Kultusminister, die Schuld hieran aber – das will ich ganz deutlich sagen – trägt der Innenminister. Er hätte die Beurteilung der Gefahrenlage vornehmen müssen, und vor allem hätte er die der Gefahrenabwehr dienlichen Maßnahmen auf den Weg bringen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Er hätte diese Maßnahmen nach außen vertreten müssen. All dies hat er jedoch nicht gemacht. Ich will sagen: Der Innenminister hat an diesen beiden Tagen versagt.

(Abg. Stephan Braun SPD: Der Innenminister ist gar nicht da! Der hört das gar nicht!)

Es kann nicht sein, dass ein Kultusminister plötzlich zum obersten Dienstherrn der Polizei aufsteigt und deren Handeln vor allem durch diesen öffentlichen Auftritt massiv beeinträchtigt; man könnte auch sagen – Polizeien sagen uns dies –: letztendlich behindert.

Was passiert eigentlich, meine Damen und Herren, wenn ein Amoklauf an einem Krankenhaus oder an einer Hochschule angekündigt wird? Tritt dann zukünftig die Sozialministerin oder der Wissenschaftsminister in der Öffentlichkeit entsprechend in Erscheinung?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Ingo Rust SPD: Gute Frage! Gute Frage!)

Ich glaube, das darf nicht passieren.

Nun kann man, meine Damen und Herren, die Ereignisse vom Dezember 2006 nicht mehr rückgängig machen. Das ist keine Frage. Aber man kann und man sollte vor allem hieraus lernen. Ich hoffe sehr, dass der Innenminister zukünftig bei möglichen ähnlichen Gefährdungen seiner Führungsverantwortung dann auch tatsächlich gerecht wird. Zu den präventiven Maßnahmen wird Kollege Mentrup noch Stellung nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Vossschulte das Wort.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Jetzt zur Sache!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Gall, dass wir den 6. Dezember 2006 heil überstanden haben, das wundert mich heute noch nachträglich,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Mich auch!)

wenn man Sie reden hört.

Die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion hat das Vorgehen verurteilt und erklärt, die Warnung sei nicht in Ordnung gewesen. Das kam am 12. Dezember 2006. SPD-Generalsekretär Tauss hat diese öffentliche Warnung verteidigt. Von der Gewerkschaft der Polizei hat sich der Vorsitzende des Landesbezirks Baden-Württemberg, Herr Schneider, zu Wort gemeldet. Er hat vorgeschlagen, nur die Polizeidienststellen und die Schulleitungen zu informieren, und geäußert, die Polizei hätte die Schulen auch ohne öffentlichen Alarm schützen und den Täter fassen können. Das stand allerdings in allen Zeitungen. Wie er das hätte machen wollen, ist mir ein komplettes Rätsel.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Fragen Sie ihn doch ein- fach!)

Die Nachricht, dass etwas getan werden musste, kam am Dienstagnachmittag gegen 16 Uhr. Irgendjemand von der SPD hat dann noch vorgeschlagen – oh, das war die Frau Fraktionsvorsitzende; das hört sich besonders hübsch an –:

(Abg. Reinhold Gall SPD: Kollege Reichardt sagt, Sie hätten um 15 Uhr in der Fraktion diskutiert! – Zu- ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

… hätte man die Schulleitungen vor Ort auch diskret durch einen Besuch oder einen Anruf der Polizei warnen können.

Das war nachmittags um 4 Uhr, am nächsten Morgen um 7 Uhr stehen die Schüler vor der Schule.

Es ist wirklich abenteuerlich, was da vorgeschlagen worden ist. Diskretion wäre nicht möglich gewesen, Herr Kollege Gall, wenn Sie 4 500 Schulleitungen informieren, die Kinder

am nächsten Morgen vor der Schule stehen und dort die Polizei steht. Was glauben Sie, was dann für eine Gerüchteküche losgeht?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es hat doch vor kaum ei- ner Schule Polizei gestanden! So viel Polizei hat man doch gar nicht!)

Der Landeselternbeirat in Gestalt von Frau Staab steht zwar nicht immer hinter der Regierung, aber in diesem Falle stand er vor ihr.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

In den „Badischen Neuesten Nachrichten“ vom 7. Dezember schreibt Frau Staab:

Der Fall war so konkret, dass dieses Risiko eingegangen werden musste.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich bin nur an einer Schule Schulleiter, Frau Rudolf!)

Also, ich glaube, wenn der Landeselternbeirat die Aktion verteidigt, dann ist da schon etwas dran.

Laut „Heilbronner Stimme“ vom 8. Dezember haben sich die Schulleiter geäußert und haben gesagt, die öffentliche Warnung sei gerechtfertigt gewesen.

Im Übrigen hat die CDU-Fraktion gar nichts entschieden, sondern sie hat, weil diese Nachricht in ihre Sitzung hineinplatzte, natürlich diese Lage diskutiert.

Meine Damen und Herren, Tatsache ist: Schulleitungen und Eltern haben bis auf wenige Ausnahmen – und das ist, glaube ich, bei 4 500 Schulleitungen durchaus drin – angemessen und besonnen reagiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das hat sogar Kollege Dr. Mentrup bestätigt. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Gall: Wie auch immer das Ministerium reagiert hätte – – Wäre diese Aktion nicht öffentlich gemacht worden und wäre irgendetwas passiert, dann hätte ich Ihre Reaktion hören mögen. Die hätten Sie dann aber zu Recht vorgebracht.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Da wäre Gall der Erste gewesen, der herumgebrüllt hätte!)

In diesem Fall stimmt es aber nicht. Das Vorgehen war in Ordnung, und es ist müßig, dieses anzuprangern oder hier gar politisches Kapital daraus schlagen zu wollen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Der Gall wäre der Erste gewesen, der auf einem Rücktritt bestanden hätte!)

Im Übrigen lag den Schulen seit Juli 2006 ein „Rahmenkrisenplan über das Verhalten bei Gewaltvorfällen und Schadensereignissen“ vor. Der Titel ist ein bisschen sperrig, aber der Inhalt ist gut. Zum Kapitel „Amoklage“ heißt es ausdrücklich:

Schließen Sie sich im Klassenzimmer ein, und verbarrikadieren Sie sich!

Es ist interessant, dass Herr Abg. Dr. Mentrup am 12. Dezember genau dieses Vorgehen angeprangert hat: Es gebe allerdings auch Fälle, in denen Klassenzimmer und ganze Schulen während des Unterrichts von innen abgeschlossen worden seien. Das könne keine konzeptionell sinnvolle Reaktionsweise in einem derartigen Krisenfall sein. Genau das empfiehlt aber die Polizei, und ich glaube, die versteht ein bisschen mehr davon als Herr Kollege Dr. Mentrup.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es gab Klassenzimmer, die von außen abgeschlossen waren!)

Meine Damen und Herren, ich möchte vor allem einmal die Gelegenheit nutzen, unserer Polizei Dank und Anerkennung für die Organisation und den Einsatz in jenen Tagen nach dem 6. Dezember auszusprechen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)