Ich bitte Sie sehr, die Aufforderung, die ich Ihnen aus dem Karlsgymnasium überbracht habe, ernst zu nehmen. Schauen Sie sich vor Ort um! Dann werden Sie sich ein richtiges Bild machen können. Ich glaube, dass wir das Richtige für die
Sehr geehrter Herr Kultusminister Rau, Ihre Äußerung, wonach ich von Privilegierung gesprochen hätte, hat mich dazu provoziert, jetzt noch ein paar Sätze zu sagen.
Ich halte es überhaupt nicht für eine Privilegierung, wenn hochbegabte Schüler und Schülerinnen in Sonderklassen gesteckt werden. Das halte ich eher für eine Benachteiligung dieser Schüler und Schülerinnen.
Dazu möchte ich Ihnen auch ein Beispiel nennen. Ich kenne eine hochbegabte Schülerin, die in einer integrativen Waldorfschule zusammen mit geistig behinderten Kindern unterrichtet wurde. Diese hochbegabte Schülerin hat gerade durch die Tatsache, dass sie zusammen mit geistig behinderten Kindern eine Schulklasse besucht hat, eine unglaubliche Sozialkompetenz gewonnen. Sie hat nämlich beobachtet, dass auch geis tig behinderte Kinder über Qualitäten und Fähigkeiten verfügen, die einen Gewinn und einen Schatz für unsere Gesellschaft darstellen.
Insofern ist es einfach wichtig, dass auch Hochbegabte die Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Menschen in unserer Gesellschaft kennenlernen. Das ist für Hochbegabte ganz besonders wichtig, weil sie aufgrund ihrer Begabungen und Fähigkeiten in unserer Gesellschaft wichtige Funktionen übernehmen können.
Deshalb müssen sie auch das solidarische Empfinden für andere, müssen sie Vielfalt und Unterschiedlichkeit kennenlernen.
Natürlich haben Sie in einem Punkt recht, Herr Kultusminis ter: Natürlich muss es für Hochbegabte auch Angebote geben, bei denen die Hochbegabten unter sich sein können und sich auf dem gleichen kognitiven Niveau austauschen können. Aber diese Angebote gibt es selbstverständlich in den erweiterten Bildungsangeboten. Es gibt sie an den Schülerakademien und bei den Schülerstudien. Solche Angebote müssen selbstverständlich vorhanden sein.
Noch ein weiterer Aspekt – weil ich eingangs von modernen Bildungskonzepten gesprochen hatte –: In Schweden habe ich an einer Schule erlebt, wie Schüler und Schülerinnen – von den Schwachen bis zu den Hochbegabten – optimal gefördert wurden. Da gab es z. B. achtjährige Hochbegabte, die in Mathematik gemeinsam mit 15-Jährigen auf gleichem Niveau lernen konnten. Das sind differenzierte, individuell fördernde Konzepte.
Deshalb bleibe ich dabei: Es ist kein moderner und zukunftsfähiger Weg, Kinder immer weiter auseinanderzusortieren. Wir müssen Kinder stärker zusammenbringen. Wir müssen an den Stärken jedes Kindes ansetzen, aber nicht, indem wir die Kinder immer nur trennen und auseinanderdividieren.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Ursula Lazarus CDU: Jetzt haben Sie es gesagt! – Glocke des Präsiden ten)
Liebe Frau Rastätter, Ihren Argumenten stimme ich zu. Aber stimmen Sie auch mir zu, wenn ich sage, dass wir genau das wollen, was Sie hier eben referiert haben, indem wir Hochbegabtenzüge – und nicht nur das Hochbegabtengymnasium – geschaffen haben? Wer in Latein einen solchen Zug besucht, kann trotzdem in Mathematik oder Englisch mit den anderen zusammen sein. Dem liegt genau die Vorstellung zugrunde, die Sie hier vorgetragen haben. Vielen Dank, dass Sie der Regierungsarbeit damit Ihr Plazet gegeben haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU zu Abg. Rena te Rastätter GRÜNE: Dazu brauchen Sie jetzt nichts mehr zu sagen! – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das war jetzt keine Frage!)
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bitte, Frau Rastät- ter! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Keine Begrün- dung! – Unruhe)
es mag sein, dass nicht jeder Hochbegabte auch gleich in einen Hochbegabtenzug für Latein gehen möchte oder gehen kann.
Wir kommen zur Abstimmung. Abschnitt I des Antrags Drucksache 14/611 ist ein Berichtsantrag und kann mit der Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.
Damit kommen wir zu Abschnitt II. Wer Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/611 zustimmt, der möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Somit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.