Protocol of the Session on March 14, 2007

Danke sehr.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Die Ratschläge kommen aber aus euren Kreisen! Das kann man in der Zeitung lesen!)

Das Wort erteile ich Herrn Justizminister Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde dieser Aktuellen Debatte nicht die Berechtigung absprechen, wie es vorhin getan worden ist, und zwar allein schon deshalb nicht, weil sie Gelegenheit gibt, noch einmal an die Opfer zu erinnern. Gott sei Dank haben dies auch alle vier Vorredner getan.

Die Debatte kann übrigens auch deswegen wertvoll sein – ich begrüße sie aus diesem Grund –, weil man darin noch einmal deutlich machen kann, was geschehen ist und warum es nach meiner Meinung jetzt, was die Zuständigkeit der baden-würt tembergischen Justiz angeht, auch gar nicht anders laufen konnte.

Das wird aber von manchem anders gesehen. Ich bekomme noch heute täglich zum Teil recht merkwürdige E-Mails. Deswegen kommt es mir darauf an, hier noch einmal deutlich zu machen: Wir haben in Bruchsal den Gefangenen Christian Klar, und dieser Gefangene wird genau so behandelt wie jeder andere baden-württembergische Gefangene auch, was in seinem Fall in der Tat heißt: Er wird behandelt wie jeder andere Serienmörder auch.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich lege Wert auf die Feststellung, dass er gleich behandelt wird, aber auch als das, was er ist. Er hat eine Menge Menschenleben auf dem Gewissen. Das ist nun einmal sicher und von den Gerichten so festgestellt. Insofern wundere ich mich übrigens über manche Vorwürfe, wenn ich an die E-Mails denke.

Ich bekomme ja nicht nur Lob. Ich bedanke mich für die Unterstützung. Wir wissen ja auch, dass gerade die Familie von Christoph Palm damals betroffen war und er selbst von der Polizei geschützt wurde. Da weht einen die Vergangenheit natürlich an.

Manche scheint sie etwas anders anzuwehen. Denn ich bekomme Vorwürfe dergestalt, dass wir Klar schlechter als andere behandeln würden und überhaupt schlecht behandeln würden. Da schwingt manchmal für meine Begriffe reichlich viel Verständnis für seine Vergangenheit mit. Darüber kann ich mich nur wundern. Denn man muss sich, wenn man an die se Geschehnisse erinnert wird, schon einmal fragen: Was sollen das für Kämpfer gewesen sein? Was soll das für ein Krieg gewesen sein, der im Wesentlichen gegen völlig unbeteiligte Menschen geführt wurde, die überhaupt nicht das Gefühl hatten, im Krieg zu sein, die unbewaffnet waren und an der Haustür oder sonst wo heimtückisch überfallen wurden? Was gibt es da für eine Brücke des Verständnisses? Nach meiner Meinung gibt es keine.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Je länger man sich jetzt wieder damit beschäftigt, desto deutlicher wird, dass Jan Philipp Reemtsma recht hat, wenn er es in der Zeitung auf den ganz einfachen Nenner bringt:

Nichts dahinter außer Größenwahn und Lust an der Gewalttat.

Das war es: Größenwahn und Lust an der Gewalttat. Entsprechend wenden wir natürlich auch auf Christian Klar dieselben Regeln wie für andere Täter schwerer Delikte an.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das stimmt halt nicht!)

Dazu ist schon einiges gesagt worden. Es gibt in seinem Fall eine Mindestverbüßungsdauer von 26 Jahren. Die hat das Gericht festgestellt, und daran haben wir uns zu orientieren. Danach käme eine Entlassung im Januar 2009 in Betracht.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Genau!)

Auf diesen möglichen Entlasszeitpunkt haben wir uns rechtzeitig mit dem Gedanken an einen Lockerungsplan vorbereitet. Wir haben ihn rechtzeitig begutachten lassen. Teilweise wurde in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, wir hätten das Gutachten verzögert. Das ist völlig falsch.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das sagt das Bun- despräsidialamt, Herr Minister, nicht „die Öffentlich- keit“!)

Nein, das war ein Missverständnis. Das war kein Gutachten für das Bundespräsidialamt. Das ist einer der Punkte, die man hier vielleicht erklären kann. Das Gnadenverfahren läuft auf einer völlig separaten Schiene.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das wissen wir schon! Das brauchen Sie uns nicht zu erklären!)

Wir haben ein Lockerungsgutachten für die Vollzugslockerung zu bestellen, nichts anderes. Dieses Gutachten wurde rechtzeitig bestellt. Als das Bundespräsidialamt mitbekommen hat, dass wir ein Gutachten erstellen lassen, hat es sich auch für dieses Gutachten interessiert. Es handelt sich um ein rechtzeitig bestelltes Lockerungsgutachten.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Warum haben Sie das dem Bundespräsidialamt noch nicht geschickt?)

Herr Oelmayer, Sie scheinen auch Zweifel daran zu haben, dass wir rechtzeitig gehandelt haben. Sie haben den Eindruck, dass wir das Gutachten verzögert haben.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ich habe da Zwei- fel!)

Das Gutachten von Herrn Kury lag rechtzeitig vor.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Und Sie haben es nicht rechtzeitig geschickt!)

Sie sind Rechtsanwalt.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Gerade deswegen habe ich Zweifel!)

Ein Lockerungsplan umfasst einen Zeitraum von etwa 18 Monaten. Jetzt können Sie rückwärts rechnen, ob das Gutachten rechtzeitig vorlag oder nicht.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das kann ich!)

Ich muss ehrlich sagen, ich empfinde es schon als Zumutung, mich hier gegenüber dem, was Sie sagen, auch noch verteidigen zu sollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Kury ist rechtzeitig beauftragt worden. Er hat allerdings sein Gutachten mit einiger Verzögerung abgeliefert, weil er gerade emeritiert wurde und deshalb um Fristverlängerung gebeten hatte. Aber es lag immer noch rechtzeitig vor, um einen Lockerungsplan ins Auge zu fassen. Das haben wir auch getan. In diesem Moment kam das bewusste Grußwort, das vorhin angesprochen wurde.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Nein! Das kam frü- her!)

Man kann natürlich sagen, dass man diesem Unsinn keine gesteigerte Bedeutung beimessen sollte. Das finde ich bis zu einem gewissen Grad sogar zutreffend. Auf der anderen Seite wundert es mich auch, wie manche eilfertig und bemüht versuchen, dieses Grußwort wieder runterzureden,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Genau!)

als wenn gar nichts passiert wäre, und mir dann auch noch Populismus vorwerfen.

Statt vieler Worte möchte ich hier noch einmal einen Vergleich bringen, der natürlich manchem nicht gefällt, der aber nach

meiner Meinung völlig zutreffend ist. Wenn beispielsweise ein Täter von schweren Sexualdelikten nach vielen Jahren Haft vor dem Beginn eines Lockerungsplans steht und zu diesem Zeitpunkt irgendwo einen schlüpfrigen Artikel in einer Zeitung veröffentlichen würde, da würden Sie doch auch fragen: Was ist los? Redet der nur, oder handelt er vielleicht auch noch? Da kann man doch nicht darüber hinweggehen, als wäre nichts gewesen.

Also haben wir das einzig Folgerichtige getan und haben gesagt: Da muss ein Gutachter noch einmal einen Blick darauf werfen. Es ist nach meiner Meinung besser, wenn es ein anderer macht. Herr Kury ist ein Gutachter von hohem Rang, aber er hat sich in seinem Gutachten schon vorher ein Stück weit festgelegt. Er hat für meine Begriffe auch etwas schnell gesagt, er messe der neuen Äußerung keine Bedeutung bei. Damit – das muss ich ehrlich sagen – bin ich an diesem Punkt noch nicht ganz zufrieden. Deswegen werden wir einen anderen anerkannten Gutachter gezielt noch einmal mit dieser Frage befassen.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Der Gutachter ist bereits beauftragt.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Es handelt sich um einen renommierten Wissenschaftler. Der wird aufbauend auf dem Gutachten des Herrn Kury gezielt noch einmal die Frage behandeln, ob das Grußwort zu einer anderen Einschätzung führt oder nicht.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, der größte Unsinn, der an mich herangetragen wurde, war, dass dies mit meinem Verhältnis zur Meinungsfreiheit zu tun hätte. Das hat mit meinem Verhältnis zur Meinungsfreiheit überhaupt nichts zu tun. Von mir aus kann jeder sagen, was er will; es kann auch jeder Blödsinn verzapfen. Das Bedenkliche im konkreten Fall ist doch, dass sich hier jemand in der Terminologie genau so äußert wie vor 30 Jahren. Vor 30 Jahren waren diese Theorien für ihn die Grundlage, zum Serienmörder zu werden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nichts dazuge- lernt!)

Da habe ich doch einen etwas anderen Fall vor mir.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Im Übrigen hat er – wie jeder andere Täter – natürlich die Möglichkeit, vor ein Gericht zu gehen und überprüfen zu lassen, was wir tun. Was wir tun, ist transparent und kontrollierbar. Es ist auch vor Gericht anfechtbar; und es ist durchaus auch damit zu rechnen, dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.