Protocol of the Session on February 8, 2007

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abg. Dr. Mentrup das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, Herr Schebesta, ich habe jetzt auch keinen leichten Job. So teilen wir uns heute das Leid.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ist das eine Entschul- digung?)

Ich habe mich nicht zu entschuldigen. Da müssen Sie mit anderen diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildungspolitik ist Zukunfts politik. Daher geht es um die Beantwortung der Frage: Ist dieser Bildungshaushalt zukunftsfähig, und ist dieser Bildungshaushalt ein Zukunftshaushalt?

Aus den Ausführungen des Kollegen Schebesta – und das deckt sich auch mit den Ausführungen der Regierungsfraktionen im Ausschuss und anderswo – haben wir vor allem ein großes Maß an Zufriedenheit verspürt: ein großes Maß Zufriedenheit, das Sie eint, ein großes Maß Zufriedenheit, das aber mit den Erfahrungen vor Ort für mich nicht in Einklang zu bringen ist. Denn Sie müssen sich fragen lassen: Woher nehmen Sie diese Zufriedenheit angesichts von nach wie vor 30 % Kindern mit Sprachförderbedarf beim Übergang vom Kindergarten zur Schule?

Woher nehmen Sie diese Zufriedenheit angesichts eines Unterrichtsausfalls von zum Teil über 10 % über Monate? Frau Dr. Arnold und Frau Brunnemer haben sich kürzlich bei einer

gemeinsamen Veranstaltung davon überzeugen lassen müssen.

Woher nehmen Sie die Zufriedenheit angesichts eines Ganztagsschulprogramms, das die meisten Kosten auf die Kommune abwälzt und jetzt schon von der Antragslage her sozusagen übererfüllt ist? Denn es gibt ein internes Papier in der Kommunikation zu den Regierungspräsidien, aus dem hervorgeht: Es muss jetzt sehr streng geprüft werden. Es muss klargemacht werden, dass alle Betreuungskosten zusätzlich von der Kommune zu tragen sind. Man muss auch noch einen Nachweis der Jugendhilfe erbringen, dass es sich wirklich um eine Schule im sozialen Brennpunkt handelt. Außerdem sollte es ein ungebundenes Angebot sein. Das sind nicht die Antworten auf die Frage, wie wir ein Ganztagsschulprogramm flächendeckend umsetzen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: So ist es!)

Woher nehmen Sie die Zufriedenheit, dass Sie angesichts des angekündigten Amoklaufs selbst erkennen, dass wir Schulsozialarbeit brauchen, und 50 Schulpsychologen an zentraler Stelle einsetzen? Ich habe einmal ausgerechnet: Das ist pro Pädagogin/pro Pädagogen eine zusätzliche Stunde Beratung pro Jahr. Wenn ich das auf die Schüler herunterbreche, sind es sechs Minuten. Ich glaube nicht, dass man damit die sozialpädagogischen Probleme vor Ort an den Schulen lösen kann.

(Beifall bei der SPD)

Woher nehmen Sie schließlich die Zufriedenheit angesichts des peinlichen Befundes, dass wir in der Weiterbildung Schlusslicht im ganzen Bundesgebiet sind und daher in der Diskussion über lebenslanges Lernen nicht mehr glaubhaft sind und uns aus dieser Diskussion völlig verabschiedet haben?

Jetzt sagen Sie: Aber wir haben das doch alles im Haushalt berücksichtigt; wir haben doch eine Reihe von Projekten eingestellt, die genau diese Themen bearbeiten. – Meine Damen und Herren, wir brauchen keine „Generation P“ jetzt auch bei den Schülerinnen und Schülern, wo sich aufteilt, wer zufällig an Projekten teilnehmen kann und wer nicht. Wir haben auch schon in genügend Projekten ausprobiert, wie Ganztagsschularbeit funktioniert, wie Unterrichtsausfall begegnet werden kann, wie Sprachförderbedarf aufgeholt werden soll, wie Schulsozialarbeit organisiert werden muss und wie man Weiterbildung macht. Nein, wir brauchen endlich eine flächendeckende Versorgung mit all diesen Angeboten. Nur dann haben wir ein gerechtes, ein konzeptionell überzeugendes und ein nachhaltiges Bildungssystem.

(Beifall bei der SPD)

Denn in zweierlei Hinsicht ist diese Lösung ungerecht: Es gibt die Kinder, die sich dann beim Abitur darüber unterhalten können: „In welchem Projekt warst du denn? In dem mit der Sprachförderung oder in dem zum Übergang vom Kindergarten in die Schule oder in dem Projekt über zusätzlichen Unterricht oder in dem Ganztagsschulprogramm?“ Das ist schon per se ungerecht. Ungerecht ist aber auch die Gegenfinanzierung, denn all diese Projekte werden finanziert, indem man

dem aktiven Unterricht – wir haben das einmal zusammengezählt – bis zu 3 000 Lehrerinnen und Lehrer entzieht. Auch das ist ungerecht, denn das ist dann auf die ganze Fläche verteilt. Dann haben wir die Kinder, die an Projekten teilnehmen und einen Vorteil haben, und wir haben alle anderen Kinder, die darunter leiden müssen, dass das zulasten der Unterrichtsversorgung geht und nichts mit einer positiven Weiterentwicklung zu tun hat.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer interessanter Aspekt ist durch eine Kollegin – ich verrate jetzt nicht, ob sie Nichtraucherin oder Raucherin ist – im Finanzausschuss angemerkt worden. Auf unser drängendes Nachfragen hat sie nämlich erklärt, das alles seien doch nur gegriffene Zahlen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn selbst die Regierungsfraktionen sich nicht sicher sind, ob es sich hier um gegriffene Zahlen oder um nicht gegriffene Zahlen handelt, und wenn man zusätzlich noch die globale Minderausgabe berücksichtigt, die nicht wegzukriegen war und dazu führt, dass nicht alles, was auf dem Papier steht, auch umgesetzt werden kann, dann kann das nicht die Grundlage einer Aussage der Regierungsfraktionen sein und auch nicht einer Aussage eines Ministeriums sein, wir hätten es hier mit einem Zukunftshaushalt zu tun.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die bringen alles durcheinander!)

Jetzt hätte ich gern Herrn Stratthaus angesprochen, der bei dieser „gegriffenen“ Diskussion natürlich sehr erschrocken geguckt hat. Wir haben uns angesichts des „Sechstagerennens“, das er im Ausschuss ja offensichtlich zum letzten Mal absolviert hat, natürlich schon auch gefragt: Warum muss denn er gehen? Es gab doch auch einige andere, die sich in diesen sechs Tagen für diesen Job des „Weggehministers“ sicherlich besser qualifiziert hätten. Es ist absolut nicht nach draußen zu vermitteln, dass hier im Rahmen einer Art russischen Kabinett-Rouletts ausgerechnet der Finanzminister die Patronenkammer mit der Kugel gezogen hat.

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Na ja!)

Auch von seinem designierten Nachfolger haben wir im Ausschuss weder etwas gehört noch etwas gesehen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wer ist das?)

Insofern auch an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an den Herrn Finanzminister und die Frage: Warum müssen Sie eigentlich gehen?

(Beifall bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Der genießt die Kulturautonomie! – Gegenruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Nachdem wir jetzt die Regierungsfraktionen durchhaben, schauen wir uns einmal an, was die Opposition zum Thema „Zukunftshaushalt im Bildungsbereich“ präsentiert hat.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Sie müssen ganz schön viel Redezeit haben!)

Meine Damen und Herren, da ging dann die Tür des JohannJakob-Moser-Saals auf, und herein spazierte Herr Metzger, der grüne „Finanztiger“ unserer Grünen-Fraktion hier.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Nicht zu viel des Lobes! – Zurufe von den Grünen)

Wir alle haben uns gefragt: Wird er jetzt zum Sprung ansetzen? Wird er sich ducken und springen? Wird er uns ein Konzept präsentieren, bei dem wir endlich auch im Land bundespolitische Finanzkompetenz erleben dürfen? Nein, er duckte sich, und dann sank er dahin zu einem leicht patinierten Bettvorleger.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Herr Metzger, da ist auch persönliche Enttäuschung dabei.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Halten Sie gera- de eine Trauerrede, oder was?)

Aber mit Ihrem Sondersoli-Bildungszukunftsfonds-Pakt reklamieren Sie ein Instrument aus der finanzpolitischen Mottenkiste. Wir können Bildungspolitik in Zukunft nicht wieder mit voller Verschuldung finanzieren wollen. Das sollten wir hier ein für alle Mal abgehakt haben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Wenn man das historisch einordnete, würde man sagen: Das ist ein Projekt „Oswald 1“. Ein „Oswald 2“ wird es nicht geben, denn Sie werden für dieses Projekt „Oswald 1“ hier nie eine Mehrheit finden.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Abwarten!)

Damit sind Sie, denke ich, dort verankert, wo Sie hingehören, nämlich in der Opposition – so leid es mir tut, das hier zu sagen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Also ist er mit Ih- nen in bester Gesellschaft! – Zuruf der Abg. Sabine Kurtz CDU – Heiterkeit – Zuruf des Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU – Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es tut mir ja leid, aber um aus dem Bildungshaushalt noch einen Zukunftshaushalt zu machen, bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als unseren Anträgen zuzustimmen – nicht, weil wir hier die großen Konzepte umsetzen können, sondern weil wir die richtigen Schwer punkte vertiefen und weil wir lauter Dinge aufgreifen, die Sie selber schon vor und nach der Wahl versprochen haben. Sie möchten Krippenausbau; dann hätten Sie uns gestern zustimmen müssen. Sie möchten das beitragsfreie Kindergartenjahr, zumindest Ihr Herr Ministerpräsident. Wir zeigen Ihnen, wie das finanzpolitisch geht. Sie möchten die Unterrichtsversorgung verbessern; dann stimmen Sie unserem Antrag zu, und wir besetzen die Stellen wieder neu.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Unser Antrag!)

Sie möchten und haben anerkannt, dass Schulsozialarbeit wichtig ist. Dann stimmen Sie unserem Antrag zu, damit Schulsozialarbeit endlich dort hinkommt, wo sie hingehört, nämlich direkt an die Schule!

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Den Wäh- lern müssen Sie das sagen, damit Sie eine Mehrheit bekommen!)

Und Sie wollen lebenslanges Lernen und Weiterbildung; dann stimmen Sie unserem Antrag zu.

Wir machen Bildungspolitik. Ich lade Sie dazu ein, hier mitzumachen. Wir bringen die Anträge, die Ihre Ankündigungen umsetzen, nachdem Sie selbst dies nicht hingekriegt haben. Stimmen Sie zu. Dann haben wir einen Zukunftshaushalt, den das Land Baden-Württemberg verdient.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zur SPD wollten Sie auch noch sprechen!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter für die Fraktion GRÜNE.