Protocol of the Session on February 7, 2007

Ein Schwerpunkt im Jahr 2007 wird die Integrationspolitik sein. Frau Böhmer, die Ausländerbeauftragte des Bundes, hat gemeinsam mit der Wirtschaft das Motto „Charta der Vielfalt“ ausgegeben. In diesem Bereich müssen wir unsere Bemühungen noch verstärken. Ich will aber auch klar betonen: Wenn man sich die finanziellen Dimensionen anschaut – der Bund gibt allein 140 Millionen € für Sprachförderung aus, das Land Baden-Württemberg gibt 41 Millionen € für diesen Bereich aus, dazu kommen noch die Mittel der Landesstiftung –, dann muss man auch an die Bürger, die zu uns kommen, appellieren: Wenn wir diese Kurse anbieten, wenn wir Leistungen

für die Integration zur Verfügung stellen, dann sollten die ausländischen Mitbürger diese auch annehmen, sollten sie auch eine Prüfung über ihre Deutschkenntnisse ablegen, sich also nicht nur zu einem Kurs anmelden, sondern auch bereit sein, eine Prüfung zu machen. Die Zahlen, die man in diesem Punkt in den letzten Wochen gehört hat, sind nicht gerade ermutigend. Ich würde das Ministerium darum bitten, bei den unteren Ausländerbehörden Druck zu machen und verstärkt die Beteiligung der Ausländer, der Asylbewerber einzufordern.

Vom Berliner SPD-Senator Böger stammt der Satz:

Wir haben Toleranz mit Gleichgültigkeit verwechselt.

Ein Stück weit können wir da alle sagen: mea culpa. Wir müssen hier noch mehr tun, aber auch Leistungen einfordern.

(Beifall der Abg. Thomas Blenke CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Ein anderes Thema ist die Evaluierung der Verwaltungsreform, die in den nächsten Wochen auf der Agenda steht. Mich persönlich hat überrascht, dass wir eigentlich mit einem recht geräuschlosen Vollzug brillieren konnten. Was hier auf allen Ebenen geleistet worden ist, kann sich sehen lassen. Ich meine nicht nur die Landratsämter, ich meine auch die Regierungspräsidien. Hier wurden Zigtausend Stellen geräuschlos umgesetzt. Im Interesse des Bürgers, der von diesen Leistungen profitiert, wurden klare Strukturen geschaffen. Der Bürger weiß, wohin er sich wenden muss, und hat Ansprechpartner auf den verschiedenen, klar strukturierten Ebenen. Dass wir im Nebeneffekt auch noch ein paar Millionen Euro jedes Jahr einsparen, kann unser Landeshaushalt sicher gut vertragen.

Ich glaube, man wird im Einzelfall feststellen – ich will ja diesen Gesprächen nicht vorgreifen –, dass es noch einen gewissen Nachsteuerungsbedarf gibt. Man muss schauen: Wo kann man noch korrigieren, wo kann man die Effektivität erhöhen? Unter dem Strich können wir mit der Verwaltungsreform sehr zufrieden sein.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wir nicht!)

Eine Daueraufgabe, die uns immer wieder beschäftigt, ist das Thema „Entbürokratisierung und Aufgabenkritik“. Hier habe ich manchmal das Gefühl, dass es uns wie Sisyphus geht: Wir rollen den Stein nach oben, und wenn er oben liegt, manchen wir wieder ein neues Gesetz mit mehr Bürokratie, der Stein fällt wieder herunter, und wir müssen mit dem Rollen wieder von vorne anfangen. Hier würde ich mir persönlich wünschen, dass wir im Interesse der Wirtschaft und der Kommunen doch noch zu stringenteren Ergebnissen kommen. Hier kann man sicherlich noch mehr tun.

(Beifall der Abg. Thomas Blenke CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Lassen Sie mich noch etwas zum Dienstrecht, zur Föderalismusreform sagen. Hier werden wir Chancen ergreifen, die sich uns bieten. Ich denke, dass wir gemeinsam mit den betroffenen Verbänden zu Lösungen kommen, um gute Ergebnisse für die Politik zu zeitigen.

Lassen Sie mich abschließend die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen ansprechen. Hier muss ich ein

Kompliment an den Ministerpräsidenten richten – er ist nicht da; aber vielleicht hört er es ja.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das habe ich auch schon gemacht!)

Sie haben das auch schon getan, genau. – Aus meiner Sicht war es ein Meisterwerk, dass man hier mit den kommunalen Landesverbänden zu einer Einigung gekommen ist,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

die beiden Seiten – das klang ja heute Morgen schon an – Verlässlichkeit sichert. Bis zum Jahr 2010 weiß jeder der Partner, woran er ist. Damit ist Planungssicherheit gegeben. Das sind wichtige Voraussetzungen. Zudem hat man noch ganz nebenbei eine alte Forderung der Kommunen erledigt: Das Konnexitätsprinzip ist ebenfalls zur Zufriedenheit geregelt worden. Das finde ich sehr gut.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Noch ist es nicht er- ledigt!)

Ich möchte abschließend – Frau Kollegin Razavi wird noch zum Thema Verkehr sprechen; diesen Bereich habe ich ausgespart – Herrn Minister Rech und Herrn Staatssekretär Köberle, allen Beamtinnen und Beamten und allen übrigen Mitarbeitern im Geschäftsbereich des Innenministeriums meinen Dank für die geleistete Arbeit aussprechen. Ich denke, wir können zuversichtlich in den Vollzug des Doppelhaushalts 2007/2008 gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Gut ge- macht!)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abg. Gall das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Haben Sie wieder Auf- putschmittel genommen?)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, werte Kollegen! Die Zuständigkeiten des Innenressorts sind zweifelsohne außerordentlich umfangreich und natürlich allesamt von großer Wichtigkeit für unser Bundesland Baden-Württemberg. Am wichtigsten in diesem Haushalt ist jedoch nicht etwa, Herr Kollege Heinz, die globale Minderausgabe. Am wichtigsten innerhalb dieses Ressorts ist nach unserer Auffassung der Themenbereich „Innere Sicherheit“. Innere Sicherheit gibt unserer Gesellschaft nämlich Halt, und, nebenbei bemerkt, einer der wichtigen Faktoren der inneren Sicherheit ist es auch, dass sie ein hohes Maß an Stabilität für unsere heimische Wirtschaft bietet.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Bis jetzt stimmt’s!)

Im Bereich unserer Polizei – ein außerordentlicher Garant der inneren Sicherheit in unserem Bundesland – gibt es jedoch erhebliche Defizite, auf die ich hinweisen möchte und denen wir entgegenwirken wollen. Dies sind nicht etwa deshalb Defizi

te, weil unsere Polizeibeamtinnen und -beamten im Land nicht engagiert wären und nicht tagtäglich ihr Bestes geben würden, sondern deshalb, weil sie von der Landesregierung und dem zuständigen Innenministerium unzureichend unterstützt werden und ihre Arbeit – abgesehen von den üblichen Dankesworten – nur unzureichend gewürdigt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Hans Heinz CDU: Das glaubt Ihnen keiner!)

Am besten, meine Damen und Herren, könnte man die Arbeit der Polizei im Lande nämlich würdigen, wenn ihr das erforderliche Personal zur Verfügung gestellt würde, wenn nicht gekürzt, nicht umgeschichtet und nicht befristet beschäftigt werden würde, wenn denen, die ihre Arbeit gut und sehr gut erledigen wollen, die notwendige Ausstattung, die notwendige Ausrüstung zur Verfügung gestellt würde, wenn sie nicht Teile der persönlichen Schutzausrüstung, wie z. B. die Schutzhelme, im Einsatz gelegentlich untereinander ausleihen müss ten, wenn die erforderliche Ausstattung mit Arbeits- und Kommunikationsmitteln auf dem neuesten Stand wäre und nicht – zum Teil zumindest – technikmuseumsreif.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Meinen Sie den Digi- talfunk?)

Motivieren könnte, wenn Beförderungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auf realistischen, nachvollziehbaren Bewertungskriterien basieren würden und auch in ausreichender Form vorgenommen würden.

(Abg. Hans Heinz CDU: Das haben wir doch erst neu geregelt!)

Zugegebenermaßen, Herr Kollege Heinz – das will ich und das wollen wir ausdrücklich anerkennen –, gibt es nun im Doppelhaushalt erkennbare Maßnahmen, mit denen versucht werden soll, das wettzumachen – aber mehr auch nicht –, was Sie in den zurückliegenden Jahren versäumt haben und worauf z. B. wir immer wieder hingewiesen haben.

(Zuruf des Abg. Hans Heinz CDU)

Fakt bleibt aber, dass die Einstellungszahlen, die Sie genannt haben, ab dem Jahr 2008 die altersbedingten Abgänge bis zum Jahr 2012 nicht werden kompensieren können, da Sie in der Vergangenheit die Zahl der Einstellungen schon fahrlässig zurückgefahren haben.

Jetzt muss ich sagen, Herr Innenminister: Ihrem Amtsvorgänger war bei diesen Debatten wenigstens noch anzusehen, wie sehr er unter den Beschlüssen des jeweiligen Kabinetts gelitten hat – weshalb er sich wahrscheinlich gern von dieser Bank hier vorne in den Schwarzwald verabschiedet hat –, während Sie und im Übrigen auch die Regierungsfraktionen die Lage ständig schönreden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

In der Öffentlichkeit versuchen Sie gegenwärtig den Eindruck zu erwecken, bei der Polizei würden 1 400 neue Stellen geschaffen. Sie vergessen jedoch meistens, darauf hinzuweisen, dass die anvisierte Zahl für die nächsten vier Jahre gelten soll

und nicht etwa für die beiden Jahre, die der vorliegende Doppelhaushalt umfasst.

Mit unserem Antrag auf mehr Einstellungen von Polizeimeis teranwärtern wollen wir die Personalmisere unserer Polizei im Land mildern. Finanziert werden kann dies – Sie haben die Vorlage gegeben, Herr Kollege Heinz – durch die Abschaffung des freiwilligen Polizeidienstes, der durchaus Verdienste hat – das will ich anerkennen –, der aber nicht mehr in unsere Zeit und nicht mehr zum Anforderungsprofil eines schwierigen Berufs passt.

(Beifall bei der SPD)

Von Ihnen, Herr Minister, und von der Regierung erwarten wir darüber hinaus, dass Sie Ihre falsche Entscheidung, in den kommenden Jahren mehr als 800 Stellen im Nichtvollzugsbereich einzusparen, korrigieren. Die Sinnhaftigkeit der Effizienzrendite im Bereich der Polizei muss mehr als infrage gestellt werden. Angesichts der wachsenden Aufgaben der Polizei muss die Politik erkennen – wir tun dies –, dass es Grenzen der Leistungsfähigkeit der Polizei gibt. Unsere Polizei befindet sich an diesen Grenzen.

Ein düsteres Bild zeigt sich auch im Bereich der Beförderungen, insbesondere im mittleren Dienst. 70 Stellenhebungen von Besoldungsgruppe A 7 nach A 8 soll es geben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So viele?)

Motivation und Würdigung von Leistung, meine Damen und Herren, sehen anders aus.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sagen Sie doch den zweiten Teil noch dazu: A 8 nach A 9!)

Bei Höhergruppierungen in den Regierungspräsidien als Auswirkungen der Verwaltungsreform waren Sie wesentlich großzügiger und gedenken Sie auch zukünftig wesentlich großzügiger zu verfahren.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sagen Sie noch dazu: A 8 nach A 9!)

Die zusätzlichen Ausstattungen, die durch die übliche Manövriermasse – manche sagen dazu abschätzig „Spielgeld“ – an die Regierungsfraktionen finanziert werden sollen, können wir natürlich unterstützen und begrüßen dies ausdrücklich.

(Abg. Hans Heinz CDU: Das freut uns aber!)